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Verwirrung um angebliche Verhandlung zur "GroKo"

Heute Redaktion
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Martin Schulz (SPD) und Angela Merkel (CDU)
Martin Schulz (SPD) und Angela Merkel (CDU)
Bild: Reuters

Neuwahlen oder doch nicht? Nachdem die "Bild" über "grünes Licht" für Verhandlungen zwischen CDU/CSU und SPD berichtete, gibt es ein Dementi.

Nach dem Scheitern der Jamaika-Gespräche (die FDP ließ die Verhandlungen platzen) wollen die Parteichefs von CDU, CSU und SPD laut "Bild" nun über eine große Koalition ("GroKo") verhandeln. Dafür habe man sich am Donnerstagabend bei Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier verständigt.

SPD-Chef Martin Schulz wolle den Vorschlag gleich am Montag in den Parteigremien vorbringen und am selben Tag soll auch gleich eine Entscheidung für oder gegen die Aufnahme von Verhandlungsgesprächen fallen. Schulz selbst will von diesem Plan allerdings so gar nichts wissen. "Kein grünes Licht für GroKo-Verhandlungen", ließ er am Freitag auf einer eilig einberufenen Pressekonferenz wissen. Als "Rückzieher" wertet das die Bild.

Eine Warnung vorweg

Bundeskanzlerin Angela Merkel wollte bisher sowieso nichts von Neuwahlen wissen. Gespräche mit der SPD müssten "auf der Grundlage gegenseitigen Respekts" geführt werden, sagte sie kürzlich auf dem Landesparteitag der CDU Mecklenburg-Vorpommern. Als Leitschnur für CDU-Forderungen bei möglichen Verhandlungen nannte Merkel unter anderem ein ausgeglichenes Budget, Steuersenkungen für kleine und mittlere Einkommen und die Sicherung des Fachkräftebedarfs für die Wirtschaft. Außerdem wolle die CDU erreichen, dass die Zahl der Flüchtlinge 200.000 nicht übersteige, ohne dass das Recht auf Asyl oder die Genfer Flüchtlingskonvention infrage gestellt werde.

Der CSU-Vorsitzende Horst Seehofer warnte die SPD bereits vor "überzogenen Forderungen". Eine große Koalition um jeden Preis dürfe es nicht geben – gleichwohl wäre eine neue Bundesregierung aus Union und SPD "die beste Variante für Deutschland". Auch die CDU-Spitze warnte die SPD, Gespräche mit Maximalforderungen zu belasten. Unionsfraktionschef Volker Kauder riet zur Zurückhaltung. "Wir sind hier jetzt nicht auf dem Jahrmarkt, wo es darum geht, herauszuschreien, was man möchte und der andere schreit was anderes."

"Kein Notnagel"

Nach dem Scheitern der Sondierungen für eine Jamaika-Koalition zwischen Union, FDP und Grünen hat Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier Merkel, Seehofer sowie SPD-Chef Martin Schulz ins Schloss Bellevue eingeladen, wo ihm die Polit-Möglichkeiten vorgelegt wurden und offenbar die "GroKo" die attraktivste Alternative gewesen war. Steinmeier hatte zuvor an die Parteien appelliert, sich nicht um Verantwortung zu drücken.

SPD-Chef Schulz wäre damit in der Zwickmühle, sagte er doch kürzlich beim Bundeskongress der Jungsozialisten in Saarbrücken, er strebe keine große Koalition, keine Minderheitsregierung und keine Neuwahlen an. "Was ich anstrebe: Dass wir die Wege diskutieren, die die besten sind, um das Leben der Menschen jeden Tag ein Stück besser zu machen." SPD-Fraktionschefin Andrea Nahles erklärte auf dem Juso-Kongress, mit dem Jamaika-Aus sei eine neue Lage entstanden. Aber: "Das heißt nicht, dass wir zum Notnagel der gescheiterten Bundeskanzlerin werden."

Gute Umfragewerte

Die Möglichkeit einer große Koalition lässt offenbar die Umfragewerte von Union und SPD steigen. In einer Emnid-Umfrage für die "Bild am Sonntag" legte die Union um zwei Punkte auf 33 Prozent und die SPD um einen Punkt auf 22 Prozent zu. Grüne und FDP verlieren je einen Punkt und erreichten 10 und 9 Prozent.

Die Grünen stellen sich auf vier weitere Jahre Opposition ein. Parteichef Cem Özdemir sagte bereits am Samstag auf dem Bundesparteitag in Berlin, bei einer neuen großen Koalition müssten die Grünen für Klimaschutz, Menschlichkeit, Europa und Weltoffenheit einstehen. Der Parteitag hielt sich aber die Möglichkeit einer schwarz-grünen Minderheitsregierung offen.

"In 1.000 Trümmerteile"

FDP-Chef Christian Lindner rechnete dagegen mit einer großen Koalition. "Die Hürde ist geringer als bei uns", sagte er der "Bild am Sonntag" mit Hinweis auf die Jamaika-Runde. "Jamaika wäre binnen Monaten in 1.000 Trümmerteile zerfallen", so Lindner. Auch FDP-Vize Wolfgang Kubicki hielt nach dem Scheitern der Jamaika-Sondierungen die große Koalition für den "einzigen Ausweg" aus der derzeitigen Situation.

Eine Minderheitsregierung höre sich sympathisch an, "ist aber für Deutschland ein Experiment, das wir nicht eingehen sollten", sagte er gegenüber dem Online-Portal der "Neuen Zürcher Zeitung". Es brauche eine starke deutsche Stimme in Europa, die nicht erst parlamentarisch nach Mehrheiten suchen müsse. (fur/sda)