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"Berufung": Origin-Story einer echten Superheldin

Heute Redaktion
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Verriss von Thors Hammer: Ruth Bader Ginsburg hat der USA das Gesetzbuch so lange auf den Schädel geschlagen, bis alles besser wurde. Eine reale Origin-Story.

1956 beginnt Ruth Bader Ginsburg (Felicity Jones) als eine von neun Frauen unter rund 500 Männern ihr Jus-Studium an der Universität von Harvard. Es ist erst das sechste Jahr, in dem Frauen überhaupt an der Elite-Uni studieren dürfen. Der Dekan fragt bei einem Abendessen die Frauen nach der Reihe, was sie berechtigt den Männern den Platz wegzunehmen.

Frauchen mit krankem Mann, kleinem Kind, zwei Studien

Nicht nur an der Uni hat Ginsburg es schwer, weil sie unter dem Talar Röcke statt Hosen trägt. Kaum ist sie als Jahrgangsbeste fertig, will ihr keiner einen Job geben. So landet die hochbegabte Juristin selbst als Lehrende an der Uni und steht im Schatten ihres Mannes. Als Marty (zum Neidisch-werden: Armie Hammer) während des Studiums an Hodenkrebs erkrankte, besuchte sie für ihn die Vorlesungen mit und kümmerte sich zuhause auch noch um ihr gemeinsames Baby.

Wenige Jahre später ist Marty ein erfolgreicher Wirtschaftsanwalt, spezialisiert auf Steuersachen. Ruth muss sich anhören, dass sie Glück hatte, so gut geheiratet zu haben. Im Gerichtssaal geht sie keinem ab.

Hilf einem Mann und rette alle Frauen

Bis ihr Mann eines Tages einen Akt auf den Tisch knallt, der Ruths Leben und die Gesellschaft in den USA verändern wird. Ein Mann wird benachteiligt, weil die Pflege von Angehörigen Frauensache ist. Ruth stürzt sich auf den Fall, obwohl ihr Freunde und ehemalige Professoren davon abraten. Wenn sie gegen diese Benachteiligung vorgehen kann, ebnet sie den Weg für all jene Prozesse, in denen Frauen benachteiligt werden. Und von denen gab es damals noch mehr als 150.

Vom Weibchen zur "Notorious RBG"

Seit 1993 ist Ruth Bader Ginsburg Höchstrichterin in den USA und heute eine Kultfigur. Dieser erste Fall, der im Biopic "Die Berufung" gezeigt wird, war ein Sprung ins kalte Wasser des Gerichtssaals. Danach kippte Ginsburg jahrzehntelang ein unfaires Gesetz nach dem anderen. Sie sprang ins Haifischbecken und legte sich sofort mit den ganz großen Fischen an. Weil sie nicht kuscht, nennt man sie heute liebevoll "The Notorious RBG".

Fan-Shirt für the "notorious RBG" Ruth Bader Ginsburg

Biss einer radioaktiven Spinne? Get real!

"Die Berufung – Ihr Kampf für Gerechtigkeit" ist kein trockenes Biopic über eine Anwältin in den 50ern und 60ern. Es ist ein Superhelden-Movie. Es zeigt, dass man im realen Leben nicht auf den Biss einer radioaktiven Spinne warten muss, um die Welt zu verändern.

Fleiß und Sturheit haut Iron Mans Anzug in die Pfanne

Ruth Bader Ginsburg arbeitete wie ein Pferd – und veränderte die Welt. "Berufung" hat einen stinkfaden Titel (im Original heißt er wunderbar zweideutig "On the Basis of Sex") und zeigt eine Frau in einem staubtrockenen Beruf. Trotzdem schafft "Berufung", was sich jeder Film nur wünschen kann. Nach dem Anschauen will man mehr: mehr über Ruth Bader Ginsburg wissen, mehr im eigenen Leben erreichen und ein bisschen mehr die Welt retten. Ruth Bader Ginsburgs Origin-Story zeigt, dass das möglich ist. Ohne einen Papa von Krypton, ohne den Biss einer Spinne, ohne Spandex- oder High-Tech-Roboteranzug.

Die Message von "Berufung" ist simpel und mitreißend: Auf eine radioaktive Spinne zu warten zahlt sich nicht aus. Die gibt es nämlich nicht. Die Welt zu verbessern hingegen ist möglich. Es beginnt damit, Ungerechtigkeiten nicht einfach hinzunehmen. Es zahlt sich aus, sich für etwas anzustrengen. Man kann etwas verändern und verbessern. Auch als Einzelner. Man darf sich nur nicht aufhalten lassen, denn umso wichtiger eine Sache, desto stärker die Gegner, die einen davon abraten und abhalten wollen.

Tailer:

Die echte Ginsburg stört am Film nur eine Szene ...

Das Drehbuch stammt von Ginsburgs Neffen Daniel Stiepleman. Man sieht die junge Ruth deshalb nicht nur im Gerichtssaal, sondern auch zuhause. Am Herd allerdings nicht, denn das Kochen übernahm schon in den 60ern Ehemann Marty. Höchstrichterin Ginsburg selbst meinte zum Film, dass nur ein Detail falsch sei. Auf der Leinwand stockt ihr bei ihrem wichtigsten Plädoyer die Stimme, ihr fehlten die Worte. Das sei in Wirklichkeit nicht so gewesen.

... mich auch

Das ist auch die schlechteste Szene im Film. Gerade beim Showdown war den Filmemachern die sowieso außergewöhnliche Realität nicht genug. Hier stützt sich der Film zu stark auf Klischees.

Doch nach wenigen Minuten des Strauchelns ist das vorbei. Der Rest der 120 Minuten ist es wert, gesehen zu werden. Der Film ist wahr, der Film ist wichtig - und er macht echt gute Laune.

Ruth Bader Ginsburg mit Film-Ehemann Armie Hammer

Superheldin mit österreichischen Wurzeln

Ein kleines Detail am Rande: Ruth Bader Ginsburg hat österreichische Wurzeln. Ihre Großmutter wanderte um die Jahrhundertwende aus. Darauf darf man auch ein bisschen stolz sein. Auch wenn die kleine Ruth, als sie 1933 geboren wurde, schon längst in eine waschechte US-Familie geboren wurde.

"Die Berufung – Ihr Kampf für Gerechtigkeit" (im Original: "On the Basis of Sex") startet am 8. März 2019 in den österreichischen Kinos

Unser Fazit:

via GIPHY (lam)