Russland-Experte warnt

Diesem Mann droht das gleiche Schicksal wie Nawalny

Der bekannteste Widersacher von Wladimir Putin ist tot. Wie reagiert der Präsident und was bedeutet das für Russland? Zwei Experten klären auf.

20 Minuten
Diesem Mann droht das gleiche Schicksal wie Nawalny
Traurige Parallele: Wie Nawalny hat auch der russisch-britische Journalist und Politiker Wladimir Kara-Mursa einen Giftanschlag überlebt. Auch er sitzt in einem russischen Straflager langjährige Haftstrafe ab.
Bushcenter.org

Der Tod von Alexej Nawalny schlägt im Westen große Wellen. Im staatlichen russischen TV gab es zum Tod nur eine Kurzmeldung. In St. Petersburg versammelten sich Menschen, um Blumen niederzulegen. In Moskau warnten die Behörden vor der Teilnahme an möglichen Demonstrationen. "Die Aufrufe oder Durchführung nicht genehmigter Versammlungen"" stellten eine Ordnungswidrigkeit dar, teilte das Büro der Generalstaatsanwaltschaft am Freitag mit.

Was bedeutet dieser Tod für die Opposition und Wladimir Putin?

"Alexei Nawalnys Tod ist eine schlechte Nachricht für die russische Zivilgesellschaft", sagt Ulrich Schmid, Russland-Experte von der Universität St. Gallen. Denn: "Die Opposition in Russland ist tot, im Gefängnis oder im Ausland."

Dem Oppositionellen Wladimir Kara-Mursa droht das gleiche Schicksal.
Ulrich Schmid
Russland-Experte an der Universität St. Gallen (Schweiz)

Auch Nawalnys NGO, die gegen Korruption und staatlichen Missbrauch ankämpfte, existiere zurzeit nur im Ausland: "Den Mitarbeitern drohten Gerichtsverfahren, deshalb löste Nawalnys NGO die regionalen Stäbe 2023 auf."

Nawalnys Tod sei absehbar gewesen. Dem ebenfalls in einer russischen Strafkolonie sitzenden Oppositionellen Wladimir Kara-Mursa, auf den ebenfalls Giftanschläge verübt wurden, drohe wohl das gleiche Schicksal, befürchtet Schmid. Auch Osteuropa-Experte Alexander Dubowy sagt, Nawalnys Tod sei ein Stück weit erwartbar gewesen. "Nawalny saß in einer sogenannten 'Strafkolonie des Sonderregimes'. Diese sind für Extremverbrecher wie Serienmörder und Terroristen konzipiert und gelten als Ersatz für die in 90er Jahren ausgesetzte und dann 2009 abgeschaffte Todessstrafe."

Wie reagieren Wladimir Putin und der Kreml?

Das russische Staatsfernsehen habe Nawalnys Tod in einer 30 Sekunden langen Meldung abgehandelt, so Schmid. Mit einer offiziellen Reaktion aus dem Kreml oder von Wladimir Putin selbst rechnet der Russland-Kenner nicht.

Immerhin sei der russische Präsident bekannt dafür gewesen, den bekanntesten Oppositionellen des Landes namentlich nie zu nennen: "Selbst als Nawalny sich in Deutschland von seiner Vergiftung erholte, weigerte sich Putin, seinen Namen auszusprechen. Er sprach allein vom 'Berliner Patient'."

Nawalny hatte in der russischen Bevölkerung keinen Rückhalt.
Ulrich Schmid
Russland-Experte an der Universität St. Gallen (Schweiz)

Könnte Nawalnys Tod in Russland Proteste auslösen?

Nein. Laut Levada-Institut, dem einzigen noch unabhängigen Meinungsforschungszentrum in Russland, lagen Nawalnys Beliebtheitswerte nach seiner Rückkehr in die Heimat bei zwei Prozent. Seine Verhaftung machte ihn nur kurzzeitig populärer: Die Zustimmungsrate stieg auf vier Prozent, bevor sie wieder auf zwei Prozent sank. "Nawalny hatte in der russischen Bevölkerung keinen Rückhalt", sagt Schmid.

Dem stimmt auch Russland-Experte Dubowy zu: Nawalny sei zwar der wichtigste Oppositionelle und erste Investigativ-Journalist Russlands gewesen, "doch er war unter anderen russischen Oppositionellen nicht nur beliebt, sie sahen vieles kritisch, das er tat".

Entsprechend werde Nawalnys Tod keine unmittelbar Folgen für die russische Dissidenz haben. "Man wird sicherlich seine Verdienste würdigen. Doch Nawalnys Tod wird der Opposition kaum Auftrieb geben oder ihren Zusammenhalt stärken."

Ein Blutgerinnsel soll zu Nawalnys Tod geführt haben. Ist das glaubhaft?

"Das ist schwierig zu sagen", meint Russland-Experte Schmid, der sich nicht auf Spekulationen einlassen will. Auf jeden Fall könne Nawalnys generelle Konstitution sicher nicht gut gewesen sein. Der Aufenthalt im Straflager bei sibirischen Temperaturen habe seinen Preis gefordert.

"Dazu dürfen wir die Folgen der schweren Vergiftung nicht vergessen, die er nur mit großem Glück überlebte", so Schmid. Nawalny sei danach viel zu früh von Deutschland nach Russland zurückgekehrt.

"Denn er setzte darauf, dass sein Video über die grassierende Korruption in Putins Machtapparat hohe Wellen schlagen werde, was es in Russland aber nicht tat. Nawalnys Rückkehr trotz gewisser Verhaftung war zwar heldenhaft – aber er hat sich und seine Wirkung leider komplett überschätzt."

Die Bilder des Tages

1/54
Gehe zur Galerie
    <strong>02.05.2024: Wiener von U-Bahn eingezwickt, bekommt 14.000 Euro.</strong> Im letzten Moment sprang ein Wiener noch in die U-Bahn, wurde von den bereits schließenden Türen verletzt. Die Wiener Linien gaben ihm die Schuld. <a data-li-document-ref="120034353" href="https://www.heute.at/s/wiener-von-u-bahn-eingezwickt-bekommt-14000-euro-120034353">Weiterlesen &gt;&gt;&gt;</a><a data-li-document-ref="120034304" href="https://www.heute.at/s/gewitter-im-anmarsch-wo-es-in-oesterreich-kracht-120034304"></a>
    02.05.2024: Wiener von U-Bahn eingezwickt, bekommt 14.000 Euro. Im letzten Moment sprang ein Wiener noch in die U-Bahn, wurde von den bereits schließenden Türen verletzt. Die Wiener Linien gaben ihm die Schuld. Weiterlesen >>>
    Wiener Linien / Manfred Helmer

    Auf den Punkt gebracht

    • Der Tod von Alexej Nawalny, dem bekanntesten Widersacher von Wladimir Putin, löst im Westen große Aufregung aus
    • Für die Opposition in Russland bedeutet sein Tod das Verschwinden der wichtigsten politischen Stimme, während Nawalnys NGO und Mitarbeiter ins Ausland flüchten mussten und nun vor Gerichtsverfahren stehen
    • Nawalnys Tod wird voraussichtlich keine Proteste in Russland auslösen, sagt Russland-Experte Ulrich Schmid
    • Dem Oppositionellen Wladimir Kara-Mursa drohe das gleiche Schicksal, befindet Ulrich Schmid
    20 Minuten
    Akt.