Welt

Dieser Mann ist für die Brexit-Gegner ein Held

Heute Redaktion
Teilen
Sir Oliver Letwin wollte am 19. Oktober 2019 erreichen, dass vor der eigentlichen Brexit-Abstimmung über die konkrete Umsetzung des Austrittsvertrags beraten wird.
Sir Oliver Letwin wollte am 19. Oktober 2019 erreichen, dass vor der eigentlichen Brexit-Abstimmung über die konkrete Umsetzung des Austrittsvertrags beraten wird.
Bild: Reuters

Oliver Letwin stellte die Pläne von Premierminister Boris Johnson auf den Kopf. Wer ist der Mann, der dafür sorgte, dass es zum Aufschub des Votums über den Brexit-Vertrag kam?

In Großbritannien ist Oliver Letwin der Mann der Stunde: Der ehemalige konservative Abgeordnete brachte einen Antrag auf Verlängerung des Brexit-Ausstiegsdatums im britischen Parlament ein. Beim sogenannten "Letwin amendment" ging es darum, dass die Parlamentarier vor einem Votum über den Brexit-Deal erst formell den Gesetzesvorschlag zur Umsetzung dieses Brexit-Vertrags verabschieden müssen. Mit anderen Worten: Zuerst muss sich das Parlament konkret mit der Umsetzung des Abkommens befassen, dann erst darf es über einen Austritt der EU abstimmen.

Letwin wirft Premierminister Boris Johnson nämlich vor, die Nation mit seinem Vorgehen zu gefährden. Es sei unverantwortlich das Parlament vor die Wahl zu stellen, "entweder mein Deal oder kein Deal", sagte Letwin. Sein Plan war erfolgreich: Die Abgeordneten stimmten mit 322 gegen 306 Stimmen für seinen Antrag – damit steht nun das geplante Austrittsdatum 31. Oktober wieder in Zweifel.

Ein Leben lang bei den Tories

Mit seinem Antrag gilt Oliver Letwin für Millionen von Brexit-Gegnern als Held – obwohl der Abgeordnete selber dem Deal, den Johnson mit Brüssel ausgehandelt hat, zustimmen würde, wie er neulich sagte. Denn auch, wenn Letwin den Premier mit seinem Antrag in die Parade fuhr und die Opposition um sich scharte – der Mann ist ein Konservativer durch und durch.

Schon der Akzent verrät es: Sir Oliver Letwin, graue Haare, dezenter grauer Anzug, ist britische High Society. Aber der 63-jährige smarte Gentleman ist nicht nur mit einem goldenen Löffel im Mund geboren worden: Nach der teuren Eliteschule Eton studierte er an der Elite-Universität Cambridge, promovierte an der London Business School und gilt als intellektuelles Schwergewicht. Ein Universalgelehrter, wie die "Times" einmal schrieb.

Exzentrisch, aber "unglaublich diplomatisch"

Er begann mit der Parteiarbeit schon unter Premierministerin Margaret Thatcher. Es folgte eine Karriere als Investmentbanker. Später gehörte er zum engsten Zirkel von Premierminister David Cameron, der nach dem Referendum für den EU-Austritt 2016 zurücktrat. Im gleichen Jahr wurde Letwin geadelt.

Wie viele Mitglieder der britischen Oberklasse ist Sir Oliver durchaus exzentrisch. Einmal öffnete er nachts zwei Gaunern im Schlafanzug die Tür, die angeblich seine Toilette benutzen wollten - und dann mit seiner Geldbörse flohen. Ein anderes Mal warf er vertrauliche Regierungsdokumente in einem Londoner Park einfach in einem Papierkorb.

"Er hat intellektuelle Kreativität und kann Probleme lösen, und ist unglaublich diplomatisch", sagte ein Vertrauter Camerons der "Financial Times" einst. Sir Oliver war stets gegen alle Bemühungen in der EU, enger zusammenzurücken. Die Mitgliedschaft stand für ihn aber außer Frage, er stimmte im Referendum gegen den Austritt.

Im September flog Letwin auf Geheiß Johnsons aus der Partei, weil er mit anderen konservativen Abgeordneten für das Gesetz stimmte, das einen No-Deal-Brexit verhindern sollte. Er sitzt deshalb seither offiziell als Unabhängiger im Parlament.