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"Ich durfte nur hübsche Bewerberinnen einladen"

Heute Redaktion
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Eine Frau aus Deutschland wurde nach ihrer Bewerbung als "Schwabbel" bezeichnet. Eine ehemalige Stellenvermittlerin sagt: Das Aussehen spielt meist eine Rolle.

Ein Mitarbeiter bezeichnete eine Bewerberin aus Deutschland in einem internen Mail als "Schwabbel". Die Betroffene machte ihre Geschichte auf Twitter öffentlich.

Wie wichtig das Äußere im Berufsleben ist, weiß Sophie C. (30) aus Bern, die bis vor zwei Jahren als Stellenvermittlerin arbeitete. Mit unseren Kollegen von "20Minuten" sprach sie Klartext.

Ich erhielt jeweils die Bewerbungsdossiers, die ich einzeln durchgehen und in unsere Kartei aufnehmen sollte. Wir waren auf das Gastrogewerbe spezialisiert und vermittelten sowohl Fest- als auch Temporär-Anstellungen. Letztere vorwiegend an Studentinnen. Unser Geschäftsführer hatte einen genauen Ablauf formuliert, wie die Rekrutierung ablaufen sollte. So verlangte er von mir, dass ich nur qualifizierte Personen rekrutiere – außer sie sind hübsch und tragen höchstens eine 38.

Als Erstes musste ich jeweils das Bewerbungsbild anschauen. Nur gutaussehende Bewerberinnen durfte ich dann zu einem Interview einladen. Dort musste ich jeweils ein Porträt und ein Ganzkörper-Bild machen. Danach musste ich in unserer Kartei ein digitales Dossier erstellen. Das machen aber alle. Nur schaute sich mein Chef vor allem die Dossiers meiner Bewerber genau an.

Er wusste, dass ich nicht auf das Äußere schaue, sondern auf die Qualifikationen und auch Referenzen einhole. Ich nahm auch Bewerber in unsere Kartei, die etwas weniger hübsch, aber dafür qualifiziert waren. Wenn ich das tat, kam er dann gleich angerannt und stauchte mich zusammen.

Danach habe ich bei allen die Qualifikationen und auch die Referenzen gecheckt. Hübschere Bewerberinnen hatten jedoch klar die besseren Chancen: Auch wenn sie keine Erfahrung hatten in der Gastronomie, meinte unser Chef: "Ach, komm. Die lernt das schnell." Die Qualifikation stand da nicht immer im Vordergrund. Bei weniger hübschen Frauen suchte er immer nach Ausreden à la "sie hat nicht genügend Qualifikationen".

Ein Beispiel: Ich hatte eine Freundin, die immer einsprang, wenn Not am Mann war. Sie trug Größe 44. Eines Tages kam mein Chef und meinte: "Warum bietest du immer wieder sie auf?" Ich erklärte ihm, dass sie praktisch jeden Einsatz – auch kurzfristige – annehme. Dann hieß es, dass ich besser rekrutieren solle.

Vor zwei Jahren gab es einen Vorfall: Ich wollte einen dunkelhäutigen Mann als Barkeeper anstellen. Er kam aus Holland, sprach jedoch Hochdeutsch und hatte die Barkeeper-Schule abgeschlossen. Mein Chef fand sein Dossier auf meinen Tisch vor und meinte: "Den willst du sicher nicht einladen, oder?" Ich erklärte ihm, dass der Bewerber topqualifiziert sei. Das war an einem Donnerstag. Am Montag darauf wurde mir dann gekündigt. Natürlich hieß es, dass es aus wirtschaftlichen Gründen sei. Ich glaube kein Wort.

Die zweieinhalb Jahre haben mir gereicht. Es ist zwar ein interessanter Job, aber er ist nicht einfach. Vor allem, wenn man dann noch Äußerlichkeiten berücksichtigen muss. Die Selektion nach Hautfarbe war für mich der Gipfel. Ich habe diesen Beruf ganz gelassen. Heute arbeite ich als Administrationsmitarbeiterin. Mein ehemaliger Chef vermittelt aber bis heute.

Es kam mir bekannt vor. Es regt mich auf, dass dicke und weniger hübsche Menschen im Berufsalltag diskriminiert werden. Mein ehemaliges Büro ist vermutlich aber nicht das einzige, das so tickt. Als zu Beginn die Idee mit der Bewerbung ohne Bild kam, lachte ich zuerst. Nun weiß ich: Das würde vielen Menschen bei der Jobsuche etwas helfen. Vor allem, weil dann nur qualifizierte Personen eingeladen werden würden.

Personalvermittler bezeichnen sich im Spaß oft als Menschenhändler. Manchmal kam es mir aber wirklich so vor. Der Mensch wurde als Produkt gesehen – sogar von den Kunden. Das hat man daran gemerkt, dass meine Kollegen, die die Regeln des Chefs befolgten, klar bessere Zahlen aufweisen konnten als ich. Daraus ziehe ich, dass auch die Kunden selbst hübsche Menschen anstellen wollten – und die Vermittler auf diese Anfrage reagiert haben.

(qll/20 Minuten)

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