Österreich

Anwältin von Austro-Türken: "Unfair und falsch"

Heute Redaktion
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Um angebliche Doppelbürger zu überführen, hat die MA 35 sensible Daten türkischstämmiger Bürger benutzt. Die Anwältin der Betroffenen ist entsetzt.

Die Debatte um angebliche Doppelstaatsbürgerschaften nimmt kein Ende. Jüngste Entwicklung: Die zuständige Behörde MA 35, die Wiener Magistratsabteilung für Einwanderung und Staatsbürgerschaft, soll bei ihren Ermittlungen rechtswidrig vorgegangen sein. Diesen Vorwurf erhebt zumindest die Wiener Rechtsanwältin Eva Velibeyoglu. "Heute.at" hat mit ihr gesprochen.

Frau Velibeyoglu, Sie werfen den österreichischen Behörden vor, rechtswidrig gegen angebliche Doppelstaatsbürger ermittelt zu haben. Wie kommen Sie darauf?

Es gibt ja diesen USB-Stick, den die FPÖ den Behörden zugespielt hatte. Darauf befinden sich nicht nur die Namen von angeblichen türkisch-österreichischen Doppelbürgern, sondern auch weitere sensible Daten wie die Namen ihrer Eltern – und eine Identitätsnummer.

Was ist damit?

Mithilfe dieses Zahlencodes konnten die betroffenen Personen im Internet abfragen, ob sie in der Wählerliste der Türkei der letzten Präsidentschaftswahl aufscheinen. Nun hat sich herausgestellt, dass die Einwanderungsbehörde MA 35 diese Identitätsnummer ohne das Einverständnis der Betroffenen benutzt hat, um sich auf der Homepage der türkischen Regierung einzuloggen.

Das sagt die MA 35

Die Wiener Magistratsabteilung für Einwanderung und Staatsbürgerschaft MA 35 bestreitet nicht, dass sie bei der Überprüfung der mutmaßlichen Doppelstaatsbürgerschaften mit den Identitätsnummern gearbeitet hat. "Wir müssen so umfassend wie möglich ermitteln", sagte der Leiter Werner Sedlak zum "Kurier". Und: "Wenn wir nicht mehr prüfen dürfen, können wir zusperren." Laut Sedlak kam eine interne Überprüfung zum Ergebnis, dass das Vorgehen in Ordnung sei. Die Datenschutzbehörde prüft den Fall.

"Es ist unglaublich, wie aktuell mit den Austro-Türken umgegangen wird."

Wie haben Sie davon erfahren?

Die Betroffenen haben von der MA 35 eine Aufforderung erhalten, sich zu den Vorwürfen der doppelten Staatsbürgerschaft zu äußern. In dem Schreiben stand schwarz auf weiß, dass die Identitätsnummern für die Ermittlungen verwendet wurden. Viele meiner Mandanten waren schockiert, als sie realisiert haben, wie mit ihren sensiblen Daten umgegangen wurde. Das Unverständnis ist groß.

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Ist es nicht richtig, dass die MA 35 versucht, die Informationen auf der FPÖ-Liste zu verifizieren? Schließlich verhalten sich die türkischen Behörden in der Causa nicht gerade kooperativ.

In einer Zeit, in denen aufgrund der Datenschutzrichtlinie jeder Arzt fragen muss, ob er eine Telefonnummer verwenden darf, ist ein solches Vorgehen mehr als fragwürdig. Es ist unglaublich, wie aktuell mit den Austro-Türken umgegangen wird.

Wie sollen die österreichischen Behörden denn sonst überprüfen, ob Personen verbotenerweise zwei Staatsbürgerschaften besitzen?

Im Zweifelsfall gar nicht. Der Verfassungsgerichtshof kam ja auch ganz klar zum Schluss, dass die Liste der FPÖ nicht als Beweismittel taugt. Wenn die umstrittenen Informationen zusätzlich verwendet werden, um sich in ausländische Regierungssysteme einzuloggen, ist das rechtsstaatlich sehr bedenklich. Inzwischen hat die türkische Regierung auch reagiert und die Funktion deaktiviert – man kann sich nicht mehr einloggen.

Handelt es sich tatsächlich um eine Reaktion auf die Aktivitäten der österreichischen Behörden?

Ja, so wurde es mir von den türkischen Behörden zumindest in einem informellen Gespräch mitgeteilt.

"Die Verfahren gefährden ganze Existenzen."

Wie viele Fälle von angeblichen Doppelbürgern, denen die österreichische Staatsbürgerschaft aberkannt werden soll, betreuen Sie aktuell?

Die Zahl ist bald dreistellig. Manche wünschen nur ein Beratungsgespräch, andere engagieren mich als Anwältin.

Haben die Betroffenen überhaupt eine Möglichkeit zu beweisen, dass sie keine türkischen Staatsbürger mehr sind?

Es ist tatsächlich ein Problem, dass das türkische Konsulat keine entsprechenden Auszüge aus dem Personenstandsregister ausstellt. Manche meiner Klienten flogen eigens in die Türkei, um dort eine Bestätigung einzuholen. Aber das können sich natürlich nicht alle leisten.

Was bedeuten die Aberkennungs-Verfahren für die Betroffenen?

Die Verfahren gefährden ganze Existenzen. Wenn jemand einen Gewerbeschein hat, eine Liegenschaft, einen guten Job – dann steht das bei einem Verlust der Staatsbürgerschaft unter Umständen alles auf dem Spiel. Die Unsicherheit ist bei vielen Betroffenen deutlich spürbar. Immerhin hat die Stadt Wien nach dem Urteil des Verfassungsgerichtshofs reagiert und manchen Personen den Pass zurückgegeben.

"Meine Mandanten sind Österreicher. Und als solche sollen sie auch behandelt werden."

Geht es nach Vizekanzler Heinz-Christian Strache, sollen Austro-Türken hingegen bis auf weiteres gar nicht mehr eingebürgert werden. Dies, weil aufgrund der fehlenden Kooperation mit den türkischen Behörden eben nicht überprüft werden könne, ob jemand die türkische Staatsbürgerschaft noch hat. Was sagen Sie dazu?

Der Vorschlag widerspricht verfassungsrechtlich dem Grundsatz der Gleichbehandlung unter Fremden. Auch gesellschaftlich leidet der Zusammenhalt, wenn eine Bevölkerungsgruppe pauschal schlechter gestellt wird. Was hier im Namen der Politik passiert, ist unfair und falsch.

Laut einem "Kurier"-Bericht klärt die Datenschutzbehörde nun ab, ob der Einsatz der Identitätsnummern durch die MA 35 rechtens war. Was erhoffen Sie sich von der Überprüfung?

Ich wage es nicht, hierzu eine Prognose abzugeben. Ich sage nur: Meine Mandanten sind Österreicher. Und als solche sollen sie auch behandelt werden.

(jbu)