Österreich

Mann bei OP beschädigtes Herz eingesetzt: Er starb

Heute Redaktion
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Nur vier Tage nach der Herztransplantation starb Drago Stelcer mit 60 Jahren. Ihm wurde in Graz ein kaputtes Herz eingesetzt, seine Witwe Blanka will Gerechtigkeit.

Drago Stelcer litt an einer Herzschwäche und wurde auf die Herztransplantationsliste gesetzt. Am 17. Mai 2016 gegen 22:30 wurde er telefonisch verständigt, dass ein Spenderherz verfügbar sei. Der Mann wurde sofort mit der Rettung aus Köflach (Steiermark) ins Landeskrankenhaus Graz gebracht.

Die Operation zur Herztransplantation begann erst am 18. Mai 2016 um 11:57 Uhr. Aber: Bereits bei der Entfernung des Spenderherzens soll es zu erheblichen Verletzungen des Organs gekommen sein. Die Pulmonal-Arterie (Anm.: transportiert das Blut vom Herz zur Lunge) wurde zu kurz abgetrennt, der Bereich der Hauptschlagader eingeschnitten und nach dem Einriss der Aorta fehlten die Vorderwand und das linke Koronarostium zur Gänze. Somit waren das Spenderherz und die herznahen Gefäße gravierend verletzt. Aber: Das Empfängerherz von Drago Stelcer wurde zu diesem Zeitpunkt bereits entnommen. Er verstarb, laut Witwe, vier Tage später, am 22. Mai 2016, an den Folgen der Implantation des beschädigten Spenderorgans.

Chirurgisch-technisches Problem

Die Witwe, Blanka Stelcer, hat ein Schlichtungsverfahren eingeleitet. In diesem wurde vor der Steiermärkischen Ärztekammer, im Einvernehmen mit der KAGes als Rechtsträger des LKH Graz, ein Sachverständiger mit der Gutachtenserstattung beauftragt. Dieser Sachverständige stellte in seinem Gutachten vom Jänner 2018 fest, dass "ein chirurgisch- technisches Problem, das nur mit mangelnder Fachkenntnis und Erfahrung sowie mangelnder Übung oder ungenügenden chirurgisch-technischen Fähigkeiten zu erklären ist."

Es handelt sich laut Gutachter also eindeutig um ein gravierendes Organisationsverschulden, das nur mit fachlichem und kommunikativem Versagen erklärbar ist. Durch die erfolgten Verletzungen bei der Entnahme des Spenderherzens ist es laut Gutachter auch zu einer signifikanten und relevanten Verlängerung der Operationszeit gekommen, sodass – soweit für den Sachverständigen rekonstruierbar – eine Operationsverlängerung von etwa vier Stunden vorgelegen ist.

Drago Stelcer musste auch an die Herz-Lungen-Maschine (ECMO) angeschlossen werden, welche auch keine ausreichende Sauerstoffversorgung des Patienten erreichen konnte. Das Empfängerherz darf laut Gutachter erst dann herausgeschnitten und das Freigabekommando kommuniziert werden, wenn der Chirurg, der das Spenderorgan entnimmt, das herausgeschnittene Herz inspiziert und für geeignet befunden hat.

"Es ist deshalb zu hinterfragen, ob eine Abteilung wie die Grazer Transplantationsklinik, die jährlich nicht mehr als zwei bis maximal vier Herztransplantationen durchführt, überhaupt dem Qualitätsanspruch genügen kann, der für die Durchführung von Herztransplantationen unbedingt erforderlich ist", so das Gutachten. Seitens der Rechtsabteilung der KAGes wurde laut Anwältin Karin Prutsch in einer schriftlichen Stellungnahme unter anderem entgegnet: "Nicht in allen Fällen wird das Empfängerherz erst dann entnommen, wenn das Spenderherz bereits im Operationssaal ist und inspiziert wurde. Dieses Vorgehen kann man sicherlich kritisch betrachten und war in diesem Fall leider kontraproduktiv, da ja ein möglicher Rückzug nicht mehr möglich war."

KAGes mit Privatgutachten

Die KAGes hat im Schlichtungsverfahren ein Privatgutachten in Auftrag gegeben, welches bezugnehmend auf die Verletzungen des Spenderherzens ausführt, dass sich der Kenntnis des Gutachters entzieht, bzw. aus den Unterlagen nicht sicher beurteilbar ist, warum die Aortenklappe des Spenderherzens insuffizient war. Der Privatsachverständige unterlässt eine gutachterliche Beurteilung über die Verletzung des Spenderherzens bei Explantation.

Auf "Heute"-Nachfrage meint ein Sprecher der KAGes:

"Das angesprochene Schlichtungsangebot wurde in Abstimmung mit der Rechtsvertretung der Witwe gelegt. Inhaltlich liegen bisher zwei Gutachten vor, die sich in wesentlichen Punkten unterscheiden. Auch die KAGes ist logischerweise an der Klärung noch offener Fragen höchst interessiert."

12.000 € und kein Wort

Die Witwe wurde im Schlichtungsverfahren von der renommierten Anwältin Karin Prutsch vertreten. "Die KAGes hat der Witwe einen Vergleichsbetrag mit € 12.000 angeboten. Bei entsprechender Konsequenz und Verantwortungsübernahme der involvierten Ärzte hätte meine Mandantin grundsätzlich auch Interesse gehabt, den Vergleich anzunehmen. Aber die Abfertigungserklärung war für die Witwe überhaupt nicht akzeptabel", so Prutsch. Der Inhalt der Abfertigungserklärung laut Anwältin: "Frau Blanka Stelcer und ihre Anwältin Dr. Karin Prutsch verpflichten sich weiters zur Verschwiegenheit, sowohl über den Verlauf des Schlichtungsverfahrens, wie auch über den Inhalt und die Höhe dieser Prozesskostenablöse und wissen, dass ein Verstoß gegen diese Verschwiegenheitsverpflichtung Schadenersatzansprüche der Steiermärkischen Krankenanstaltengesellschaft mbH begründen kann".

Jetzt Staatsanwalt eingeschaltet

Karin Prutsch über die (wörtliche) Reaktion ihrer Mandantin: "Sie wollen mich zum Schweigen bringen, damit niemand weiß, was sie mit meinem Mann gemacht haben. Das werde ich nicht zulassen, sie können mich nicht kaufen."

Jetzt geht Karin Prutsch gegen die KAGes vor und wird eine Sachverhaltsdarstellung an die Staatsanwaltschaft Graz wegen grob fahrlässiger Tötung einbringen. Blanka Stelcer bekam noch einen Anruf von der Rechtsabteilung der KAGes, dass sie das Schreiben unterfertigen solle. Daraufhin hat Karin Prutsch am 21. Februar 2019 ein Schreiben an die KAGes verfasst und diese aufgefordert Frau Stelcer nicht mehr anzurufen, da diese keine Bereitschaft hat, einen Vergleich mit einer Verschwiegenheitsverpflichtung abzuschließen.

J. Lielacher (Lie)