Der Aufschrei wurde so groß, dass Qu Jing schließlich nachgeben musste: Die Vizepräsidentin und Kommunikationsleiterin des chinesischen Technologieunternehmens Baidu muss nun ihren Posten räumen, nachdem die Frau in einer Reihe von Videos die Kultur der ständigen Überarbeitung verherrlicht hatte.
Qu verlangte von ihren Angestellten, dass sie 24 Stunden am Tag erreichbar sind, auf Freizeit und Ferien verzichten und nicht reklamieren, wenn sie etwa 50 Tage am Stück arbeiten sollten. Ein Überblick über die Arbeitsbedingungen unter der "Eisernen Dame" der chinesischen Arbeitswelt:
Während der Corona-Pandemie, als China strenge Reisebeschränkungen und Quarantänen verhängte, weigerte sich eine Mitarbeiterin, eine 50-tägige Geschäftsreise anzutreten. Die Reaktion von Qu Jing damals:
"Warum sollte ich Rücksicht auf deine Familie nehmen? Ich bin nicht deine Schwiegermutter. Ich bin zehn Jahre, 20 Jahre älter als du. Ich fühle mich weder verbittert noch müde, obwohl ich zwei Kinder habe. Wer bist du, um mir zu sagen, dass dein Mann es nicht aushält?"
In einem der Clips, die Qu auf der Plattform Douyin veröffentlichte, erzählte die Top-Managerin, dass sie so hart arbeite, dass sie den Geburtstag ihres älteren Sohnes vergessen habe und nicht wisse, welche Schulklasse ihr jüngerer Sohn besuche. Sie bereue dies aber nicht, weil sie sich dafür entschieden habe, "eine Karrierefrau zu werden", fügte sie hinzu.
"Wenn Sie in der PR-Abteilung arbeiten, erwarten Sie keine freien Wochenenden", sagte sie in einem weiteren Video. "Lassen Sie Ihr Telefon 24 Stunden am Tag eingeschaltet und seien Sie immer verfügbar."
In Bezug auf Baidu-Angestellte, die Hunderte von Beschwerdebriefen geschrieben hatten, hatte Qu Jing in einem weiteren Video gedroht, sie werde deren Karrieren ruinieren, indem sie dafür sorgen werde, dass sie nie wieder einen Job in der Branche fänden.
Die Videos sorgten für heftige Debatten auf sozialen Plattformen wie Weibo. Nutzerinnen und Nutzer hatten Qu Jing einen Mangel an Empathie vorgeworfen. "Als Vizepräsidentin des Unternehmens hätte Qu wissen müssen, dass ihre Kommentare und ihr Verhalten ihre Mitarbeitenden ärgern würden, dennoch machte sie es öffentlich. Das zeigt, wie verständnislos sie ist", schrieb eine Person.
Am Donnerstag hat sich Qu Jing für ihre Aussagen in den Videos entschuldigt. "Viele der Kritikpunkte sind sehr treffend, ich denke darüber nach und nehme sie demütig an", sagte sie.
In China wird seit Jahren eine Debatte über ein "996" genanntes Phänomen geführt. Technologieunternehmen erwarten von ihren Angestellten vielfach, an sechs Tagen in der Woche von neun Uhr bis 21 Uhr zu arbeiten. Das Thema rückte auch nach dem Tod zweier Mitarbeiter des E-Commerce-Unternehmens Pinduoduo in den Fokus, von denen einer auf dem Heimweg von der Arbeit plötzlich auf der Straße zusammengebrochen war.