Österreich

Verwirrung um Ehe für alle – Wien greift ein

Ab Jänner ist die Ehe für Homo-Paare möglich. Weil aber genaue Bestimmungen fehlen, hat die Stadt Wien nun einen eigenen Leitfaden erstellt.

Heute Redaktion
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Bild: picturedesk.com

Die Ehe für Alle kommt ab 1.1.2019. So euphorisch die Reaktionen auf die Ankündigung im ersten Moment waren, so groß ist die Verwirrung nun.

Die Stadt Wien kritisiert, Innenministerium und Justizministerium hätten bis heute keine konkreten Regeln zur Durchführung veröffentlicht. Der Bund habe hier verabsäumt, rechtzeitig für Klarheit zu sorgen, heißt es aus dem Büro von dem zuständigen Stadtrat Peter Hanke (SPÖ). Dies schaffe Rechtsunsicherheit.

Wien hat nun reagiert – und hat eine eigene Handlungsanleitung erarbeitet (siehe unten). Man hoffe, dass nun auch andere Gemeinden und Bundesländer Richtlinien zur Durchführung veröffentlichen, so Hanke.

Nach der Veröffentlichung der Anleitung für Standesbeamte der Stadt Wien erwarte man mehr Anträge der "Ehe für Alle", da Rechtsunsicherheiten eliminiert und offene Fragen geklärt werden.

Unklarheiten gab es für die Antragsteller zum Beispiel bei der Frage, ob eingetragene Partner unmittelbar in eine Ehe wechseln können und umgekehrt. Wien regelt es so, dass die bestehende Verbindung vorher nicht aufgelöst werden muss. Außerdem weist die Hauptstadt ihre Standesbeamten an, im Ausland geschlossene gleichgeschlechtliche Ehen in Österreich anzuerkennen.

Ein Restrisiko besteht jedoch, denn falls der Bund doch noch lautende Durchführungsbestimmungen vorgibt, stünden diese über den Wiener Regeln. Dann wäre eine Auflösung der Ehe oder Eingetragenen Partnerschaft eventuell doch notwendig. "Das Standesamt wird dies dann leider umsetzen müssen", heißt es. Die Stadt empfiehlt in diesem Fall, den entsprechenden Bescheid beim Verwaltungsgericht zu bekämpfen.

Kompliziert wird es, wenn ein Partner aus einem Herkunftsland kommt, wo die gleichgeschlechtliche Ehe nicht anerkannt oder sogar verboten ist. In dem Leitfaden nennt die Stadt Wien das Beispiel einer Russin und einer Österreicherin, die heiraten wollen. Wenn das Paar in Wien heiratet und in Österreich lebt, ist dies für Wien kein Problem.

Sollten die Partner später allerdings in ein Land ziehen, wo es keine gleichgeschlechtliche Ehe gibt, könnten sie dort nicht als Ehepaar anerkannt werden. Falls der Bund in seinen Durchführungsbestimmungen festlegen sollte, solche Ehen nicht zu schließen, betont man im Hanke-Büro, müsse man dem vorerst nachgeben.

Wenn das betreffende Paar in Wien heiratet, aber in Russland lebt, wird die Stadt Wien die Ehe nicht schließen. Denn es sei ein ausreichender Inlandsbezug nötig, heißt es in der Aussendung. Das betrifft auch gleichgeschlechtliche "TouristInnenhochzeiten", wenn das Wohnsitzland des Paares eine gleichgeschlechtliche Ehe nicht vorsieht.

Wien als "Regenbogenhauptstadt"

Der für Antidiskriminierung zuständige Stadtrat Jürgen Czernohorszky (SPÖ) sieht Wien in einer Vorreiterrolle als "Regenbogenhauptstadt". Wien beweise, wie man gleichgeschlechtlichen Paaren zu ihrem Recht verhelfen könne. "Mir ist wichtig, dass aus Wien das klare Signal gesendet wird, dass wir uns in allen Bereichen für echte Gleichstellung einsetzen", so Czernohorszky in der Aussendung.

Die juristische Vorgangsweise wurde in Zusammenarbeit mit dem Rechtskomitee Lambda erarbeitet. Dieses hatte die "Ehe für alle" vor dem Verfassungsgerichtshof durchgesetzt. Das Innenministerium hatte zuletzt angekündigt, dass noch vor Jahreswechsel ein Informationsschreiben, das von Innen- und Justizministerium erarbeitet wird, an die Ämter gehen soll.

So eroberte die "Ehe für alle" Europa:

Gleichgeschlechtliche Paare bzw. Paare mit unterschiedlichem Geschlecht, die derzeit weder verheiratet noch verpartnert sind, können ab 1.1.2019 problemlos eine Ehe bzw. Eingetragene PartnerInnenschaft eingehen. Ein Termin kann entweder vor Ort am Standesamt oder online vereinbart werden.

Kann man von der Eingetragenen PartnerInnenschaft in eine Ehe wechseln oder umgekehrt?

Eine offene Frage war, ob man vor einem Wechsel aus einer Eingetragenen PartnerInnenschaft in eine Ehe oder umgekehrt, das bisherige Rechtsinstitut auflösen muss, um dann das Neue eingehen zu können.

Wie wird Wien ab dem 1.1.2019 damit umgehen?

Im Lichte der Judikatur des VfGH sind die bestehenden Bestimmungen widersprüchlich und nicht eindeutig. Das Paar müsste im schlimmsten Fall nachweisen, dass die Lebensgemeinschaft unheilbar zerrüttet ist, um danach sofort wieder zu heiraten. In diesem Fall wollen beide heiraten bzw. sich verpartnern. Demnach wird Wien keine vorherige Auflösung des bestehenden Rechtsinstituts verlangen.

Gibt es ein Risiko für die Betroffenen?

Ein Restrisiko besteht nur darin, dass die Bundesregierung in den Durchführungsbestimmungen festlegen kann, eine vorherige Auflösung zu verlangen. Das Standesamt wird dies dann leider umsetzen müssen (mittelbare Bundesverwaltung). Die Stadt Wien rät den Betroffenen für diesen Fall, sich dies per Bescheid feststellen zu lassen und empfiehlt, diesen Bescheid dann beim Verwaltungsgericht zu bekämpfen, um endgültige Rechtssicherheit zu erhalten.

Werden im Ausland geschlossene gleichgeschlechtliche Ehen in Österreich anerkannt?

Laut der derzeit noch gültigen Durchführungsanleitung für die standesamtliche Arbeit des Innenministeriums werden im Ausland geschlossene gleichgeschlechtliche Ehen nicht als Ehen, sondern als Eingetragene PartnerInnenschaften anerkannt. Die Rechtsgrundlage dazu ist das Internationale Privatrechtsgesetz (IPRG), das in die Kompetenz des Justizministeriums fällt.

Wie wird Wien ab dem 1.1.2019 damit umgehen?

Nach dem Erkenntnis des VfGH stehen beide Rechtsinstitute allen offen. Dementsprechend wird Wien eine im Ausland geschlossene Ehe auch als Ehe anerkennen (gemäß §§ 16 IPRG ff.)

Gibt es ein Risiko für die Betroffenen?

Ein Restrisiko besteht nur darin, dass die Bundesregierung in den Durchführungsbestimmungen festlegen kann, dass im Ausland geschlossene gleichgeschlechtliche Ehen in Österreich trotzdem als eingetragene PartnerInnenschaften und nicht als Ehen anerkannt werden müssen. Das Standesamt wird dies dann leider umsetzen müssen (mittelbare Bundesverwaltung). Die Stadt Wien rät den Betroffenen für diesen Fall, sich dies per Bescheid feststellen zu lassen und empfiehlt, diesen Bescheid dann beim Verwaltungsgericht zu bekämpfen, um endgültige Rechtssicherheit zu erhalten.

Für den Fall, dass die Bundesregierung erst nach einigen solcher Anerkennungen eine solche Durchführungsverordnung erlässt, die eine Anerkennung von Ehen verhindert, könnte es sein, dass die Standesämter diese Ehen in Eingetragene PartnerInnenschaften ändern muss. Auch für diesen Fall rät die Stadt Wien rät den Betroffenen für diesen Fall, sich dies per Bescheid feststellen zu lassen und empfiehlt, diesen Bescheid dann beim Verwaltungsgericht zu bekämpfen, um endgültige Rechtssicherheit zu erhalten.

Wie geht Wien mit binationalen gleichgeschlechtlichen Ehen um?

Will zum Beispiel eine österreichische Staatsbürgerin eine russische Staatsbürgerin heiraten, kann ein rechtliches Problem auftreten. Dies ist der Fall, wenn im Herkunftsland (in diesem Fall Russland) einer Partnerin eine gleichgeschlechtliche Ehe rechtlich nicht vorgesehen oder gar verboten ist. Hier gibt es zwei Szenarien, je nachdem, wo der ständige Aufenthalt des Ehepaares liegt.


Szenario 1: Russin und Österreicherin heiraten in Wien und leben auch in Österreich

Es ist österreichisches Recht (auch für die Russin durch den Inlandsbezug) anzuwenden. Demnach wird Wien diese gleichgeschlechtlichen Ehen auch schließen. Damit können diese Paare alle Rechte genießen, die ihnen in Österreich per Gesetz zustehen. Das wird auch in all jenen Ländern der Fall sein, die eine gleichgeschlechtliche Ehe im Gesetz verankert haben – vorbehaltlich eigener nationalstaatlicher Anerkennungsregeln.

Gibt es ein Risiko für die Betroffenen?

Sollte das Paar nach der Eheschließung in ein Land ziehen und einen ständigen Aufenthalt in einem Land haben, das eine gleichgeschlechtliche Ehe im Gesetz nicht kennt, könnte es sein, dass sie in diesem Land nicht als Ehepaar anerkannt werden. Die Ehe wäre unter Umständen für die Russin unwirksam, wirkungslos oder unauflösbar. Darauf hat das Standesamt Wien keinen Einfluss.

Ein weiteres Restrisiko besteht darin, dass die Bundesregierung in den Durchführungsbestimmungen festlegen kann, diese Ehen in Österreich trotzdem nicht zu schließen. Das Standesamt wird dies leider umsetzen müssen (mittelbare Bundesverwaltung). Die Stadt Wien rät den Betroffenen für diesen Fall, sich dies per Bescheid feststellen zu lassen und empfiehlt, diesen Bescheid dann beim Verwaltungsgericht zu bekämpfen, um endgültige Rechtssicherheit zu erhalten.

Szenario 2: Österreicher und Russe heiraten in Wien und leben in Russland

Wenn der ständige Aufenthalt des Paares nicht in Österreich liegt, sondern in einem Land, in dem die gleichgeschlechtliche Ehe nicht vorgesehen ist, ist für den Russen „sein" Recht anzuwenden. Demnach wird Wien diese gleichgeschlechtlichen Ehen nicht schließen. Dafür ist nämlich auch ein ausreichender Inlandsbezug in Österreich nötig. Eine kurzfristige Anwesenheit würde grundsätzlich nicht reichen und müsste jedenfalls geprüft werden. Das gilt im Übrigen auch für gleichgeschlechtliche „TouristInnenhochzeiten", sofern das Wohnsitzland des Paares eine gleichgeschlechtliche Ehe nicht vorsieht. (no)