Österreich

Ein Stadtrat zwischen Espressi und Krisenstäben

Heute Redaktion
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19 Stunden-Arbeitstage, unzählige Gespräche und mehr Kaffee als sonst: Im Gespräch mit "Heute" erzählt Gesundheitsstadtrat Peter Hacker für sein Leben mit Corona.

Die Corona-Krise hat Wien, Österreich und die ganze Welt weiter fest im Griff. Die Covid-Pandemie stellt uns alle vor ganz neue Herausforderungen. Für die, die Entscheidungen treffen und deren Umsetzung vorbereiten und begleiten müssen, gleicht der Virus aber einem politischen Dauerlauf.

Ganz vorne an der Front steht hier Wiens Gesundheitsstadrat Peter Hacker (SPÖ). Im Gespräch mit "Heute" erzählt er, wie er persönlich mit der Situation umgeht oder warum es noch zu früh ist, Aussagen darüber zu treffen, wann der gewohnte Alltag zurückkehren kann.

"Heute": Herr Stadtrat, können Sie uns kurz beschreiben, wie ihr Tag abläuft?

Hacker: "Ich stehe um etwa 7 Uhr in der Früh auf. Während ich meinen ersten Kaffee trinke, schaue ich mir die neuesten Nachrichten an - das sind Meldungen der verschiedenen Krisenstäbe über die neuesten Entwicklungen, aber auch Nachrichten von Bürgern, die mir ihre Sorgen mitteilen".

"Ich habe eines der speicherstärksten Handys, die am Markt erhältlich sind und dennoch stößt der Posteingang auf allen Kanälen an die Grenze der Belastungsfähigkeit. Das sind am Tag locker Hunderte von Nachrichten. Nach dem Aussortieren, welche davon relevant sind, mache ich mich dann im Büro mit meinem Team an die Bearbeitung".

"Dazu zählen Telefonate, Interviews und andere Besprechungen. So bin ich etwa jeden zweiten Tag in einer Videokonferenz mit Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne, Anm.), um uns abzustimmen.

"Heute": Die Mehrheit der Österreicher ist ja derzeit im Home Office. Wie sieht das bei Ihnen aus?

Hacker: "Wir haben die Mannschaft halbiert - die eine Hälfte arbeitet von zu Hause, die andere ist im Büro. Wir wechseln das dann ab. Ich bin der Einzige, der jeden Tag Bürodienst macht. Das ist auch richtig und wichtig, denn wenn wir von den Mitarbeitern im Gesundheitswesen, den Lehrern oder anderen Branchen Höchstleistungen erwarten, dann müssen wir selbst als gutes Beispiel voran gehen".

"Heute": Wie geht Ihre Familie damit um, dass Sie so wenig zu Hause sind?

Hacker: "Sie nehmen es gelassen. Meine Frau ist in ihrem Betrieb ja auch weiter im Volleinsatz. Ich komme aber jeden Abend nach Hause, wenn auch manchmal erst um 23 oder 24 Uhr und kann dann ich meinem Bett schlafen".

"Deep Purple macht den Tag wieder gut"

"Heute": Haben Sie einen persönlichen Tipp zum Runterkommen?

Hacker: "Ich habe meinem Fahrer freigegeben, weil ich kaum Auswärtstermine habe und fahre wieder selber. Auf dem Nachhause-Weg drehe ich dann den Hard Rock der 80er Jahre wie Deep Purple oder Led Zeppelin auf. Das macht den Tag wieder gut."

"Heute": Erst heute wurde bekannt, dass im Bundeskanzleramt für den Notfall Betten für Bundeskanzler Kurz und seine engsten Mitarbeiter aufgebaut wurden. Gibt es das auch für die Wiener Stadtregierung?

Hacker: "Nein".

"Heute": Bundeskanzler Kurz hat vor einigen Tagen in einem Interview gesagt, er würde derzeit nur drei Stunden am Tag schlafen. Wie sieht das bei Ihnen aus?

Hacker: "Ich komme locker auf 18 bis 19 Stunden-Tage, schlafe also zwischen vier und fünf Stunden. Obwohl, heute habe ich sieben Stunden geschlafen. Wochenenden gibt es aber seit Jänner keine mehr. Es ist aber klar, dass die Bevölkerung derzeit ein hohes Informationsbedürfnis hat und wir wollen ja die Menschen so oft und transparent wie möglich auf dem Laufenden halten".

"Heute": Wie hoch ist Ihr derzeitiger Kaffee-Konsum?

Hacker (schmunzelt): "Ach, zehn Espressi am Tag werden es schon sein".

"Heute": Natürlich fragen sich viele Menschen derzeit, wie lange bleiben die Regelungen in Kraft und wann dürfen wir wieder raus. Können Sie uns eine Einschätzung geben?

"Nicht nachvollziehbar, warum Bundesforste offen, aber Bundesgärten in Wien nicht"

Hacker: "Die Wiener Bevölkerung zeigt eine unglaubliche Disziplin bei der Einhaltung der Regeln. Aber natürlich muss man ihnen eine Perspektive geben, wie es weiter geht. Daher haben Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ, Anm.) und ich auch gefordert, dass die Bundesgärten in Wien wieder geöffnet werden. Denn es ist nicht nachzuvollziehen, dass die Bundesforste geöffnet bleiben, die Menschen am Land in den Wald können, aber die Wiener nicht".

"In die Richtung zielt auch mein Wunsch, die Spielplätze eher früher als später wieder zugänglich zu machen. Derzeit gelten noch die Vorschriften wie gehabt, also häufiges und regelmäßiges Händewaschen, nicht andere anhusten und zu Hause bleiben. Aber wir müssen den Menschen zeigen, dass wir über die nähere Zukunft nachdenken."

"Sicher ist: Das ist es noch nicht. Der Gipfel kommt vielleicht erst im Mai"

"Heute": Heißt das, ab Ende April besteht die Chance auf Lockerung der Regeln?

Hacker: "Es ist noch zu früh, das zu sagen. Sicher ist aber: Das ist es noch nicht gewesen. Wenn wir uns das Monitoring der derzeitigen Erkrankungsfälle ansehen, dann ist das relativ gering im Vergleich was ein Vollausbruch einer Epidemie bedeutet würde. Das heißt, wir haben mit einer größeren Zahl von Covid-Erkrankten zu rechnen und dass der Gipfel vielleicht erst Ende April oder im Mai erreicht ist. Klar ist aber auch, dass die Lockerung von Maßnahmen österreichweit abgestimmt erfolgen muss."

"Heute": Wiens FPÖ-Chef Dominik Nepp hat heute gefordert, dass Menschen, die eine Corona-Erkrankung überstanden haben, einen 'Immun-Pass' und uneingeschränkte Ausgangserlaubnis bekommen.

Hacker: "Unser großes Dilemma ist, dass wir einfach noch zu wenig über das Covid-Virus wissen. Es gibt zwar erste Studien über Immunität und Anti-Körper, aber es ist einfach nicht klar, wie lange diese anhält oder ob sich jemand nicht doch zweimal anstecken kann. Das ist auch mein Problem mit den Schnelltests: Die Ergebnisse sind einfach zu unsicher, um jemandem einen Freibrief zu geben. Daher gelten die Spielregeln weiter wie bisher".

"Heute": Wie läuft das Krisenmanagement innerhalb der Stadt ab?

Hacker: "Alle Stadträte zeigen trotz Corona vollen Einsatz. Das gilt für eine Kathi Gaal, die von der Heimquarantäne aus für den Schutz der Mieter sorgt oder für einen Peter Hanke, der alles unternimmt, um die Auswirkungen auf das Finanz- und Wirtschaftswesen abzufedern. Und mittendrin steht als zentrale Koordinationsstelle der Bürgermeister, der seine Aufgabe besonnen, ruhig und unaufgeregt erledigt. Natürlich muss bei einer Gesundheitskrise vor allem der Gesundheitsstadtrat raus, das heißt aber nicht, das andere weniger tun."

"Heute": Das Thema Schutzkleidung ist derzeit ja auch allgegenwärtig. Sie haben kürzlich niedergelassene Ärzte sowie die mobile und stationäre Pflege in die Versorgungsschiene der Stadt aufgenommen. Wann können diese mit Nachschub rechnen?

"Gesundheitswesen macht einen sensationellen Job"

Hacker: "Man muss grundsätzlich einmal sagen, dass die Mitarbeiter im Gesundheitswesen, egal ob in den Krankenhäusern, im niedergelassenen Bereich oder beim Ärztefunkdienst einen sensationellen Job machen. Es sind auch deutlich weniger praktische Ärzte zu Hause geblieben, als zunächst angenommen. Und natürlich wollen wir denen mit Schutzkleidung helfen. Daher haben wir schon vor Wochen eine Großbestellung mit Hunderttausenden Masken aufgegeben, die derzeit aber leider wegen einem Exportverbot auf einem türkischen Flughafen feststeckt. Wir gehen nun andere Lieferwege, etwa mit China, um gemeinsam mit dem Bund schnell für Nachschub zu sorgen."

"Allerdings sind wir hier - als kleines Land - in direkter Konkurrenz zu großen Nationen wie den USA oder Großbritannien, die derzeit wie wild Bestände aufkaufen. Da findet ein regelrechter weltweiter Kaufrausch statt und das treibt die Preise in die Höhe".

"Heute": Herr Stadtrat, vielen Dank für das Gespräch.