Szene

Ein Steinzeit-Mann auf blutigem Rachefeldzug

Jürgen Vogel schlüpft in dem bildgewaltigen Historiendrama in die Rolle der wohl berühmtesten Mumie der Welt.

Heute Redaktion
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Als deutsche Wanderer am 19. September 1991 in den Ötztaler Alpen im Gletscherschnee über einen gefrorenen Leichnam stolperten, war ihnen noch nicht bewusst, damit auf eine archäologische Jahrhundert-Sensation gestoßen zu sein.

Der Fund des rund 5250 Jahre alten Mannes vom Tisenjoch, der wegen seiner Fundstelle liebevoll Ötzi getauft wurde, lieferte der Wissenschaft ein nahezu perfekt konserviertes Studienobjekt. Gleichzeitig wurden dadurch zahlreiche neue Fragen aufgeworfen.

Die wichtigsten davon versucht der Film "Der Mann aus dem Eis" nun zu klären. Wer war der Mann? Woher kam er und wohin war er unterwegs? Und wer jagte ihm kurz vor seinem Tod einen Pfeil in den Rücken?

Ein Steinzeit-Mann sieht rot

Kaleb (Jürgen Vogel) lebt mit seiner neolithischen Familie in einem kleinen Dorf, das aus ein paar Hütten besteht, in einem ruhigen Tal an einem kleinen Bach. Als das Dorfoberhaupt für ein paar Tage auf der Jagd in den umliegenden Bergen unterwegs ist, wird das Dorf von fremden Männern heimgesucht.

Die meucheln alle Bewohner, brennen die Hütten nieder und machen sich mit einem wertvollen Edelstein, der Kaleb als spiritueller Gegenstand heilig ist, aus dem Staub. Kaleb sieht die Brände aus der Ferne und eilt ins Dorf zurück. Doch er kann nichts mehr tun, außer den Männern, die sein Leben zerstört haben, blutige Rache zu schwören.

Dick eingepackt in Tierfelle startet er eine beschwerliche Verfolgungsjagd durch die Südtiroler Alpen. Zusätzlich erschwert wird ihm sein Rachefeldzug durch ein Baby, das den Angriff auf das Dorf unbeschadet überstanden hat.

Auf seinem Weg trifft er in der gesetzlosen Jungsteinzeit auf zahlreiche Bewohner (u.A. den großartigen Franco Nero), die ihm je nach Situation freundlich oder feindlich gesinnt sind. Am Ende kommt es zum großen Showdown, den der Similaun-Mann (Achtung, kein großer Spoiler) nicht überleben wird.

Mitreißende Story

Die im Film erzählten Ereignisse sind höchst spekulativ. Das tut dem Sehvergnügen allerdings keinen Abbruch. Regisseur Felix Randau hat für das Drehbuch penibel recherchiert. Unter anderem hat er sich vom Archäologiemuseum in Bozen, in dem "Ötzi" seine letzte Ruhestätte gefunden hat, beraten lassen.

Anhand der wissenschaftlichen Analysen seiner Physis, seiner Tätowierungen, seines Mageninhaltes und der Dinge, die man bei dem Leichnam gefunden hat, wurde aus einem groben Konstrukt eine feine, mitreißende Story herausgearbeitet, der es nicht an emotionalen Höhe- und Tiefpunkten mangelt.

Gedreht wurde an Originalschauplätzen in den Südtiroler Alpen. Eindrucksvoll wurde die wunderschöne, aber oft auch lebensfeindliche Bergwelt von Kameramann Jakub Bejnarowicz ("Feuchtgebiete") in Szene gesetzt.

Überzeugender Cast

Für die wenigen Dialoge und Gesprächsfetzen, die im Film vorkommen, wurde gemeinsam mit einem Sprachwissenschaftler an einem vermutlich damals in der Region gesprochenen Ur-Rätisch gearbeitet. Auch die Namen der Charaktere sind so entstanden.

Ob Hauptdarsteller Jürgen Vogel die Rolle des "Ötzi" akkurat wiedergibt, kann man mangels direkten Vergleichs nicht wirklich sagen. Doch haucht er der bislang nur als Mumie bekannten, historischen Figur glaubhaft Leben ein. Ohne viel Dialog, nur mit Mimik und der Körpersprache lässt Vogel die Zuseher am Schmerz und dem tiefen Zorn teilhaben, die "Ötzi" auf seinem Rachefeldzug antreiben.

Fazit

"'Der Mann aus dem Eis' ist ein archaisches Drama über die elementaren Gefühle, die uns Menschen antreibt", wird der Film vom Vertrieb angepriesen. Und genau das bringt den Kern der Geschichte auf den Punkt. Ein Mann, der nichts mehr zu verlieren hat, sinnt nach blutiger Rache. Und zieht das konsequent, ohne Rücksicht auf Verluste oder seine eigene Gesundheit bis zum Schluss durch.

Wer die historische Figur des "Ötzi" "kennenlernen" möchte, dem sei der Gang in den Film "Der Mann aus dem Eis" unbedingt ans Herz gelegt. Näher an die geschichtliche Vorlage wird man mit Sicherheit nicht kommen.

Ab dem 7. Dezember ist "Ötzi" auf seinem Rachefeldzug unterwegs.