Österreich

Eltern klagen nach Geburtsfehler Spital auf 535.000 €

Der kleine Vinzent (6) ist nach einem Geburtsfehler schwerst behindert. Laut seinen Eltern ist das Spital Schuld – sie klagen auf 535.000 Euro.

Christine Ziechert
Angelika S. (36) kümmert sich rund um die Uhr um Sohn Vinzent (6).
Angelika S. (36) kümmert sich rund um die Uhr um Sohn Vinzent (6).
iStock/zVg

Am 8. Dezember 2016 kam Vinzent schwerst behindert auf die Welt. Der heute Sechsjährige hat eine mittelgradige Hörschwäche, ist fast blind und leidet unter Tetraspastik – einer Lähmung aller vier Extremitäten. Ursache dafür ist ein Sauerstoffmangel, der für schwere Gehirnschäden bei Vinzents Geburt gesorgt hatte. Schuld daran soll das Personal im Landeskrankenhaus Feldkirch (Vbg.) sein, die Eltern – Angelika (36) und Stefan S. (40) – verklagten das Spital, das Verfahren läuft noch.

"Damals im Krankenhaus wurde einfach nicht das Risiko erkannt", erzählt Angelika S. im Gespräch mit "Heute". Die heute 36-Jährige hatte während der Schwangerschaft mit Vinzent keinerlei Probleme. Am 8. Dezember hatte sie einen vorzeitigen Blasensprung, kam um 2.28 Uhr früh ins LKH Feldkirch: "Ich hatte erhöhte Temperatur und bekam schließlich ein Antibiotikum", erzählt die zweifache Mutter aus Frastanz.

    Vinzent (6) benötigt kostspielige Therapien, die teilweise im Ausland durchgeführt werden.
    Vinzent (6) benötigt kostspielige Therapien, die teilweise im Ausland durchgeführt werden.
    zVg
    "Ich verstehe bis heute nicht, warum keine Mikroblut-Untersuchung durchgeführt wurde. Ich habe schon am Anfang darauf gepocht, aber es hieß, dass es nicht möglich sei" - Angelika S.

    Zusätzlich wurde Angelika S. an den Wehenschreiber (CTG) gehängt, hatte unregelmäßige Wehen. Stundenlang passierte nichts, immer wieder war das CTG "suspekt": "Es wurde daher versucht, Vinzent mit einem Zitronentupfer zu wecken, aber es hat nicht funktioniert", erinnert sich die Vorarlbergerin.

    Weitere Stunden vergingen: "Ich verstehe bis heute nicht, warum keine Mikroblut-Untersuchung (Verfahren, um Zustand des Kindes während der Geburt zu überprüfen, Anm.) durchgeführt wurde. Ich habe schon am Anfang darauf gepocht, es hieß, dass es nicht möglich sei", berichtet die Kinderkrankenschwester.

    Not-Kaiserschnitt erst nach 20 Stunden

    Erst am Abend sah sich eine Ärztin näher das CTG näher an, gegen 22.45 Uhr fiel der Entschluss zum Kaiserschnitt – zu diesem Zeitpunkt war Angelika S. bereits 20 Stunden im Krankenhaus. "Als Vinzent geholt wurde, gab es kein Babygeschrei. Er musste reanimiert werden und kam auf die Intensivstation. Erst später erfuhren wir, dass er zu 100 % behindert ist", so die 36-Jährige. Das Ehepaar, das noch eine Tochter (7) hat, schaltete den Patientenanwalt ein. In einem bei einem österreichischen Arzt in Auftrag gegebenen Gutachten wurde allerdings kein Verschulden des Spitals festgestellt.

    Angelika und Stefan S. reichten dennoch 2019 Klage gegen das Spital bzw. deren Versicherung Uniqa ein – sie fordern 535.000 Euro sowie die Feststellung einer Haftung für sämtliche, zukünftige Folgen und Schäden. Die Summe könnte daher – je nach Pflegeende von Vinzent – auf bis zu 20 Millionen steigen. Zudem wurden vier weitere, private Gutachten beauftragt – in allen wurde bestätigt, dass dem Krankenhaus-Personal schwere Versäumnisse vorzuwerfen sind.

    "Zwischen 20.17 Uhr und 22.45 Uhr ist das CTG hochpathologisch" - Gutachter

    So urteilt etwa ein Gutachter, dass das CTG von 17.19 Uhr bis 19.45 Uhr "ganz eindeutig pathologisch ist". Weckversuche des Kindes wären negativ verlaufen, um 20 Uhr kam schließlich die Oberärztin hinzu. "Zwischen 20.17 Uhr und 22.45 Uhr ist das CTG hochpathologisch", heißt es in dem Gutachten.

    Schlussendlich erfolgte der Kaiserschnitt. Wäre Vinzent früher geholt worden, hätte er laut den Experten geringe oder keine Schäden davon getragen: "Die Ärztin hat die Situation damals vollkommen falsch eingeschätzt", meint Angelika S. Auf "Heute"-Nachfrage bei der Vorarlberger Krankenhaus-Betriebsges.m.b.H., als Betreiber des LKH Feldkirch, heißt es: "Wir bedauern das Schicksal von Vinzent S. und seiner Familie. Da es sich um ein laufendes Gerichtsverfahren handelt, können wir keine inhaltliche Stellungnahme abgeben."

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      Gerichtsverfahren zieht sich

      Seit 2019 zieht sich das Gerichtsverfahren in die Länge. Laut den Eltern und Anwalt Hans-Jörg Vogl streitet die Uniqa jegliche Schuld des LKH Feldkirch ab, steigt auf keinen akzeptablen Vergleich ein. Laut dem Juristen soll der Uniqa-Schadensbearbeiter in der Verhandlung im Mai 2022 zudem gesagt haben: "Wir anerkennen die Haftung nicht. Die Uniqa hat genug Geld, um diesen Fall bis zum Obersten Gerichtshof zu prozessieren."

      Angelika und Stefan S. wollen die Causa trotzdem durchkämpfen – nicht nur, aber auch aus finanziellen Gründen. Denn Vinzent hat Pflegestufe 7, muss rund um die Uhr betreut werden – ein Leben lang: "Wir mussten das Haus und unseren Bus rollstuhlgerecht umbauen. Zudem benötigt Vinzent spezielle, kostspielige Therapien, die teilweise im Ausland absolviert werden müssen, etwa um rund 35.000 Euro bei einer Augenärztin in Chicago. Wir haben auch einen Gangtrainer um 45.000 Euro anschaffen müssen, damit Vinzent daheim wichtige Übungen machen kann", erzählt Angelika S.

      "Dank intensivster Pflege kann Vinzent mit unserer Hilfe essen und trinken, benötigt keine Magensonde" - Angelika S.

      Die 36-Jährige ist derzeit daheim, betreut Vinzent rund um die Uhr: "Wir machen jeden Tag Dehn- und Kraft-Übungen auf der Vibrationsplatte, damit sich die Spastik bei allen vier Extremitäten in Grenzen hält. Dank intensivster Pflege kann er zudem mit unserer Hilfe essen und trinken, benötigt keine Magensonde. Er nimmt auch laufend am Geschehen teil und kann schon gut mit uns kommunizieren, auch, wenn er nicht sprechen kann." Die Familie setzt nun auf eine innovative Stammzellen-Therapie und bittet um Spenden. Auf der Homepage ihres Rechtsanwaltes, läuft daher eine Spendenkampagne.

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