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Endet Macrons Höhenflug schon in diesem Juni?

Emmanuel Macron ist zwar gewählter Präsident, ob er seine Pläne für Frankreich durchsetzen kann, wird sich aber erst am 11. Juni zeigen.

Heute Redaktion
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Emmanuel Macron hat die Präsidentenwahl in Frankreich klar gewonnen. Doch welchen Kurs das Land in den kommenden fünf Jahren fährt, hängt von den Parlamentswahlen am 11. und 18. Juni ab.

Was bis dahin passiert und mögliche Szenarien für Frankreichs Regierung – Dominik Grillmayer, Politologe am Deutsch-Französischen Institut in Ludwigsburg, im Interview:

Emmanuel Macron ist der neue Präsident. Schon am Sonntag trat er aber nicht mehr als der bis dahin bekannte Strahlemann vor die Medien. Weil er weiß, welche Hürde er jetzt nehmen muss?

Dominik Grillmayer: Das weiß er nur zu gut. Die Parlamentswahl ist alles andere als ausgemacht. Von links bis rechts werden nun die Messer gewetzt, um noch das Beste herauszuholen. Die Bürgerlichen, die sich von Fillon um den sicher geglaubten Sieg gebracht fühlen, hoffen nun sogar, die absolute Mehrheit zu gewinnen, den Premier stellen zu können und so die Innenpolitik zu kontrollieren.

Was hat jetzt oberste Priorität auf Macrons To-do-Liste?

Das Wahlergebnis zeigt eine deutlich Polarisierung und war vielfach eine Entscheidung gegen Le Pen und nicht für Macron. Der muss diese Pole nun versöhnen – eine immense Aufgabe.

Die Wähler der etablierten Parteien haben für Macron gestimmt, wie die 66 Prozent zeigen. Heißt das, dass die Parteien sich nun auch im Parlament mit ihm arrangieren?

Das ist noch gar nicht ausgemacht – und auch nicht unbedingt Macrons Wunsch. Er hat im Wahlkampf immer wieder durchblicken lassen, dass er solche Kompromisse überwinden und sein eigenes Programm durchsetzen will. Sein erklärtes Ziel ist, die absolute Mehrheit für En Marche zu holen.

Das dürfte schwierig werden. Welche Szenarien sind denkbar?



1. Die absolute Mehrheit für En Marche: Macron kann seine Pläne umsetzen.

2. Eine relative Mehrheit für En Marche und die Bildung einer Koalition mit Vertretern der traditionellen Parteien links und rechts der Mitte – für Frankreich neu und gegen Macrons Bestreben.

3. Eine relative Mehrheit für En Marche und die Organisation wechselnder Mehrheiten je nach Gesetzesvorlage: Für verschiedene Projekte holt Macron im Parlament verschiedene Mehrheiten ins Boot. Ein anstrengendes Unterfangen.

4. Die Bürgerlichen erlangen doch noch die Mehrheit und zwingen den Präsidenten zu einer Kohabitation, stellen damit den Premier und überlassen Macron nur noch Außen- und Sicherheitspolitik.

Welches wäre Macron am liebsten?

Er wird jetzt einen Monat lang für die absolute Mehrheit kämpfen. Ob es am Schluss reicht, werden wir im Juni sehen.

Welches Szenario wünscht sich Brüssel?

Brüssel hat große Erwartungen an Macron und Interesse daran, dass er seine angekündigten Projekte – etwa die Reformierung des Arbeitsmarktes – verfolgen kann und deshalb die absolute Mehrheit auch im Parlament erreicht. Im Fokus steht auch die Zusammenarbeit mit Deutschland. Hier hofft Brüssel auf ein starkes Frankreich.

Besonders der FN dürfte alles daransetzen, das zu verhindern.

Der Front National hat noch nie so viele Stimmen bei einer Wahl erreicht und versucht das nun noch stärker abzustützen. Marine Le Pen hat bereits angekündigt, die Partei umbauen zu wollen, sogar ein neuer Name soll her. So will der Front zu einer normalen, für viele euroskeptische Franzosen wählbaren Partei werden. Zurzeit sitzen gerade einmal zwei Abgeordnete im Parlament – das wird sich garantiert ändern. Oberstes Ziel: ein starkes Gegengewicht zu Macron zu bilden.

Le Pen will ihre Partei zur "größten Oppositionskraft" machen. Hat sie die bei der Stichwahl fast 35 Prozent erreichten Stimmen auf sicher?

Für die Parlamentswahlen werden die Karten völlig neu gemischt. Le Pen hat etliche Stimmen aus dem Fillon-Lager bekommen. Aber am 11. Juni sind wieder alle politischen Gruppierungen im Rennen. Die Bürgerlichen haben keine Stimmen an Le Pen zu verschenken, denn sie wollen die Parlamentswahl unbedingt gewinnen – und die Konkurrenz ist groß. Nur wer 12,5 Prozent der Wahlberechtigten hinter sich hat, zieht in die zweite Runde der Parlamentswahlen ein. Früher lief es meist auf die beiden Kandidaten der traditionellen Parteien, Sozialisten und Bürgerliche, hinaus. Doch die Präsidentschaftswahlen haben gezeigt, dass das französische Parteiensystem sehr stark in Bewegung ist. In den meisten Wahlkreisen werden mindestens fünf Kandidaten zur Wahl stehen, von der linken Bewegung Mélenchons, La France insoumise, über die Sozialisten und En Marche bis zu den Républicains und dem Front National (oder wie immer Le Pens Formation dann heißen wird). Unter diesen Umständen ist schwer vorhersehbar, wie erfolgreich Le Pen sein wird. Es hängt mit auch davon ab, inwieweit es dem Front National gelingt, im zweiten Wahlgang die Stimmen derjenigen Kandidaten zu gewinnen, die in der ersten Runde ausgeschieden sind.

Was, wenn Macron im Parlament keine Mehrheit erlangt?

Die Bürgerlichen könnten Macron komplett ausbremsen. Seine im Wahlkampf angekündigten Reformen lassen sich dann nicht wie geplant durchsetzen, Macron müsste dauernd Kompromisse treffen – und würde damit an Dynamik einbüßen. (kko/20 Minuten)