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Erdogan verschickt Wahl-Briefe an Austro-Türken

Da Wahlkampfauftritte verboten sind, schickt der türkische Präsidenten Erdogan nun Briefe an seine im Ausland lebenden Staatsbürger.

Heute Redaktion
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Die Wahlen in der Türkei sorgen weit über ihre Landesgrenzen für Schlagzeilen. Auftritte des türkischen Präsidenten Erdogan in der bosnischen Hauptstadt Sarajevo haben rund 20.000 Türken zum Anlass genommen, ihm bei seiner Rede ihre Unterstützung zu zeigen. Dabei schwörte der Präsident auf die "osmanische Ohrfeige".

Auftritte in Österreich verboten

In Österreich sind solche Wahlkampfauftritte ausländischer Politiker verboten - Briefe schreiben allerdings nicht. Nun landen in unzähligen Briefkästen in Österreich Schreiben von Recep Tayyip Erdogan. Der türkische Präsident richtet sich an seine Staatsbürger und fordert sie auf, wählen zu gehen. "Es geht um die Zukunft der Türkei", heißt es darin.

Weiters erwähnt Erdogan, wie die "Vertreter der alten Kultur und Zivilisation" (damit sind die im Ausland lebenden Türken gemeint) sich für die Weiterentwicklung der Türkei aufgeopfert haben und bedankt sich bei ihnen für die Unterstützung.

Lehrer im Ausland beauftragt

Er erklärt auch, dass Lehrer und Religionsvertreter im Ausland damit beauftragt worden seien, Kindern von türkischen Familien ihre Muttersprache, ihre Religion und ihre Kultur beizubringen. Öffentliche Dienste habe man für Austro-Türken verbessert, wobei die türkischen Konsulate nun erste Anlaufstellen für die Staatsbürger seien.

Moscheen-Schließungen in Österreich

Vor allem die Passage mit "tausende von Lehrern und Religionsvertretern", die Erdogan ins Ausland entsandt haben will, ist brisant. Nach der Ankündigung der österreichischen Bundesregierungen, Moscheen schließen und auslandsfinanzierte Imame ausweisen zu wollen, kam scharfe Kritik aus der Türkei. Im Internet kursieren sogar Morddrohungen gegen Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP).

Den ganzen Brief können Sie weiter unten im Worlaut lesen.



Ein "Heute"-Leser berichtet, dass diese Wahlkampf-Schreiben sogar an nicht-türkische Staatsbürger gesendet wurden. Er selbst habe vor vielen Jahren die türkische Staatsbürgerschaft abgelegt und die österreichische angenommen - trotzdem bekam er den Erdogan-Brief.

Ansturm auf türkisches Generalkonsulat in Wien



Tatsächlich gab es in der türkischen Botschaft in Wien am Wochenende einen großen Wähleransturm. Über 100.000 Türken können ihre Stimmen bis zum 19. Juni in den drei Generalkonsulaten in Wien, Salzburg und Bregenz abgeben. Am Sonntag wurde das Wiener Generalkonsulat völlig überrannt - mit Reisebussen wurden die Wähler zu den Wahlurnen gebracht. Hunderte warteten in der Schlange um ihr Kreuzerl am Wahlzettel zu machen.

Der ganze Brief im Wortlaut



"Ich möchte sie, als vornehme Vertreter unserer alten Kultur und Zivilsation, welche heute weltweit wohnhaft sind, respektvoll begrüßen.

Auf dieser langen harten Reise, habt ihr viele schwere Zeiten bewältigt. In verschiedenen Ländern und Kulturen habt ihr euch und euren Familien ein neues Leben aufgebaut. Ihr habt unser Volk im sozialen Leben, in der Politik und Wirtschaft erfolgreich repräsentiert.

Ihr habt für die aktuelle Situation unseres Volkes aufopfernd gearbeitet. Ihr habt in den schweren Zeiten unseres Landes und unserer Nation mit euren Einsparungen und Investitionen geholfen bzw. beigesteuert, dass unsere Türkei sich weiterentwickelt.

Ich möchte mich herzlich für die Unterstützung unserer bis zu mittlerweile vier Generationen alten türkischen Bevölkerung bedanken.

Ihr seht es am besten, wie weit die Türkei in punkto Demokratie und Weiterentwicklung gekommen ist. In der Bildung, Gesundheitspolitik, Infrastruktur, soziale Sicherheit, Energiepolitik und in vielen anderen Bereichen haben wir eine neue Ära erreicht. In der Rüstungsindustrie sind wir nicht mehr vom Ausland abhängig. Mit der Ausweitung unserer Außenpolitik haben wir mit vielen Ländern überdimensionale Beziehungen aufgebaut.

In diesem Rahmen haben wir für die im Ausland lebenden Türken die öffentlichen Dienste verbessert. Die türkischen Konsulate sind somit erste Anlaufstellen für öffentliche Dienste geworden. Damit eure Kinder ihre Muttersprache, ihre Religion und ihre Kultur lernen können, haben wir tausende von Lehrern und Religionsvertreter im Ausland damit beauftragt. Für unsere Jugendlichen haben wir Stipendien vergeben, damit sie auf türkischen Universitäten kostenlos studieren können.

Damit sie als wesentliches Element unserer Türkei auch für die Zukunft unseres Landes mitbestimmen können, haben wir die Wahlurnen zur Verfügung stellen können - auf die hatte man nämlich seit 50 Jahren mit Sehnsucht gewartet. Mit Ihrer Unterstützung wurde in unserem Land, mit der am 16. April 2017 stattgefundenen Volksbefragung, das Präsidialsystem gewählt. So hat unser Volk entschieden.

Das neue System wird ab den Wahlen am 24. Juni umgesetzt. In den Wahlurnen im Ausland kann man zwischen 7. Juni und 19. Juni seine Stimme dafür abgeben.

Mit Ihrer Unterstützung wird mit der historischen Wahl für die Zukunft unseres Landes ein wichtiger Schritt Richtung Neuanfang gemacht.

Wir versprechen sowohl für unsere im Ausland lebenden als auch im Inland lebenden Türken das Versprechen für "Starkes Nationalrat, starke Regierung, starke Türkei".

Wir laden Sie ein uns bei unserem Motto "Zeit für ein gemeinsames Bündnis (Zeit für eine gemeinsame starke Einheit)" und "Zeit für unsere Türkei" zu unterstützen.

Ich wünschen Ihnen, Ihren Familien und Geliebten ein komfortvolles und friedliches Zusammenleben und vermittle Ihnen meine herzlichsten Wünsche.

Bleibt gesund, Allah soll auf euch aufpassen."


Unterzeichnet ist der Brief von Recep Tayyip Erdogan. (mz)