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"Harmoniker? Nein, wir brauchen den Konflikt"

Heute Redaktion
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Mit feiner Klinge, Jux und Tollerei wühlen sich Erwin Steinhauer und Sohn Matthias F. Stein durch ihre emotionale Geschichte. "Vatermord", ab 15.11. im Wiener Rabenhof.

Stehen zwei Verwandte auf der Bühne. Kein Witz, aber mit Sicherheit witzig. Vater und Sohn machen erstmals gemeinsam Kabarett und rollen unter dem Schlagwort "Vatermord" ihren Generationskonflikt von den Flegeljahren bis heute vor Publikum auf. Ein Interview über Pyromanie, eine ausgeprägte Streitkultur und mögliche Tatmotive. Nicht immer einträchtig, aber immer anschaulich.

Interview mit Erwin Steinhauer und Matthias F. Stein

"Heute": Matthias, wollten Sie Ihren Vater schon einmal umbringen?

Matthias: Ja, natürlich. Als Teenager. Aber eher auf die saloppe Wienerische Art: "Ma Oida, bitte, ich pack's nicht." Aber Mord, Mord. Nein, man denkt sowas ja nicht zu Ende.

"Heute": Was war damals der Auslöser?

Matthias: Als Jugendlicher war ich viel zu still, hab vieles hingenommen, wie es ist. Ich war kein Revoluzzer, sondern hab vieles außerhalb der Familie verarbeitet. Ich hab Dinge angezündet, Dinge gestohlen, viel Blödsinn gemacht. Ich hab den Druck, den Eltern unweigerlich auf Kinder ausüben, weil sie sie lieben, weil sie sie in die richtigen Bahnen lenken wollen, eher nicht am Vater abgelassen, sondern anders rausgelasen. Wenn du Dinge anzündest, heißt das: "Hallo, da bin ich".

Erwin: Das klingt ja jetzt, als hättest du den Justizpalast angezündet. Ich kann mich noch erinnern. Ich hab ihn Ischl den "Salzbaron" gedreht in den 90ern, da kam ein Anruf, dass du in der Schule mit Freunden geschaut hast, ob eine Jeansjacke in der Garderobe brennt. Das fällt mich eher unter jugendliche Neugier, als unter Pyromanie.

Matthias: Und dann kam ein Alter, mit 25, da haben wir uns hingesetzt und über die Vergangenheit geredet. Das war für Papa nicht leicht, weil es mir in dem Gespräch nicht darum ging, alles als super hinzustellen und ihn als tollen Papi zu loben. Das war er eh. Ich kann nur sagen, wenn man sich andere Menschen so anschaut, was anderen familiär so widerfährt, bin ich noch gesegnet. Auch, wenn ich nicht getauft bin. Ich nehme auch wahr, dass sich unsere Vater-Sohn-Beziehung verstärkt, durch die gemeinsame Arbeit. Ich denke, das ist immer so, auch, wenn der Sohn in die Firma des Vaters einsteigt, dann verschärft sich das ganze noch einmal. Da gibt's dann professionelle und private Berührungspunkte, sie sich vermischen, und das macht die Bühnenarbeit so komplex. Und so anstrengend. Weil du gehst ja nicht einfach von der Probe weg. Man nimmt sich Dinge, die Vater oder Sohn sagen, mehr zu Herzen, als wenn es der Kollege sagt.

Erwin: Probe heißt heißt ja Konflikt. Wir sind keine Harmoniker, die aus der liebevollen Zusamenarbeit etwas entstehen lassen. Wir versuchen das über den Konflikt zu machen. Weil wir glauben, dass der Konflikt viel ehrlicher ist, weil jeder seine eigenen Interesssen durchsetzen will. Und das genau ist der Stoff dieses Stückes. Jeder trägt für das, was er auf der Bühne zeigt, ausschließlich selbst die Verantwortung. Wir sind erwachsene Menschen. So ist das.

"Heute": War die Streitkultur, die Sie miteinander pflegen, immer so ausgeprägt?

Erwin: Die Kinder (Matthias und Schwester Iris, Anm.) haben so ab dem 12. Lebensjahr bei mir gelebt, wir waren eine kleine Familie, wir waren zu dritt. Es war eine große Aufgabe, Kindern klarzumachen, dass man auch zu dritt eine Familie sein kann. Weil Kinder, die aus einem bürgerlichen Haushalt mit Vater, Mutter, Kind kommen, das ja nicht so gewohnt sind.

Matthias: Naja, zu dritt… Wir haben bei dir gelebt, Papa. Weil sich Mamas Lebensumstände geändert haben, die haben mir nicht gepasst. Aber meine Mutter war immer noch da, sie hat immer dazugehört. Wir waren eine klassische Scheidungsfamilie, oder?

Erwin: Ich brauche kein Etikett für das, was wir waren. Ich wollte damit nur sagen: Wir haben zu dritt gelebt und ich musste meinen kleine Kindern erklären, dass man auch zu dritt eine Familie sein kann.

"Heute": Was ist die eine große Sache, bei der Sie immer der gleichen Meinung sein werden?

Erwin: Das als oberstes Gebot und richtungsweisend immer die Liebe und Fürsorge füreinander war. Dass man füreinander da ist, das war immer der entscheidende Punkt. Dass meine Kinder vor meinem Beruf kommen, war immer das Wichtigste für mich. Das wird auch im Stück thematisiert.

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"Heute"-Interview: Steinhauer und Stein im Wiener Rabenhof

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"Heute": Ist es das, was einen guten Vater ausmacht?

Erwin: Erstens ist es das grundlegende Gefühl. Zweitens die Voraussetzung, in jeder Phase hinter dem Kind zu stehen. Ihm zu helfen, so lange man selber helfen kann. Ich rede nicht von Geschenken oder Geld. Sondern darüber, sich permanent mit ihnen auseinander zu setzen. Und das habe ich versucht.

"Heute": Haben Sie das auch immer so empfunden, Matthias?

Matthias: Das ist nicht möglich. Da kommt ja die andere Seite dazu, das Kind. Ich glaube nicht, dass Eltern immer den Zugang finden, mit dem Kind über Dinge zu reden, die es bewegt. Weil viele Themen weiß das Kind ja selber nicht. Ich glaube aber, dass Papa sein Bestes gebeben hat. Er hat bei mir viel in Bewegung gesetzt.

"Heute": Was war der Impuls, gerade jetzt gemeinsam Kabarett zu machen?

Matthias: Jemand von außen hat uns gefragt, warum wir eigentlich nichts zusammen machen. Das war gar nicht unsere Idee. Ich hab mir zuerst gedach, oh nein, das ist ist ja unglaublich anstrengend, in der Familie arbeiten, mit dem Vater arbeiten. Und dann hab ich überlegt, wo gibt's das eigentlich, dass Vater und Sohn gemeinsam auf der Bühne stehen. Ich hab's noch nie gesehen.

Erwin: Naja, es wird schon Beispiele geben. Wir sind nicht die Ersten und nicht die Einzigen.

Matthias: Um das geht's ja auch nicht. Ich finde es einfach spannend, dieses intime Verhältnis ins Theater zu bringen. Auch wenn es gar nicht thematisiert wird. Da sind einfach zwei Verwandte auf der Bühne.

Erwin: Das wäre eigentlich ein besserer Titel: "Zwei Verwandte auf der Bühne"

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"Heute": Wie legen Sie den Abend an?

Erwin: Nur so viel: Es ist keine Anleitung zum Vatermord.

"Heute": Auf der Theaterbühne sah man Sie ja schon öfter gemeinsam. Was ist da besonders in Erinnerung geblieben?



Matthias: "Der Bockerer", 2007 im Landestheater NÖ. Da war ich 25. Das war, bevor wir dieses großen Gespräch hatten. Da haben wir gemeinsam geprobt, sind oft gemeinsam rausgefahren… Und da war nicht so eine gute Stimmung zwischen uns. Ich bin mit Papa emotional schon durch Dick und Dünn gegangen. Was das Verhältnis natürlich entspannt.

Erwin: Das war ja auch schwierig, weil das Stück echt gewalttätig war. Ich musste Matthias, der mit nacktem Oberkörper dastand, mit einem Gürtel schlagen und hatte eine totale Sperre, hinzuhauen. Weil ich es halt nicht gewohnt war, mein Kind zu schlagen. Matthais meinte nur: "Papa, da kannst ruhig hinhauen, ich spür das nicht!"

"Heute": Wie startet man eigentlich in so ein gemeinsames Kabarett-Projekt? Mit einer Flasche Wein und Brainstorming, oder im ganz professionellen Rahmen… Termin und Arbeitszimmer.

Erwin: Alkohl spielt da überhaupt keine Rolle. Man triftt sich und klärt, wer aller dabei ist. Dann trifft sich das Kollektiv der Autoren und bespricht, wohin wir wollen. Dann werden die Aufgaben verteilt und jeder zieht sich in seinen Bereich zurück und legt bei der nächsten Sitzung oder per Mail seine Arbeit vor. Und das ändert sich ständig. Weil es immer weiterentwickelt wird. Matthias hat weit mehr als die Hälfte des Stücks geschrieben, aber es geht immer weiter und weiter. Man verändert und probiert aus. Das ist auch Teil des Stückes. Der Vater verzweifelt darin oft daran, dass der Sohn immer was verändert.

"Heute": Welche Schlagwörter aus dem Pressetext entsprechen eigentlich der Wahrheit. Trinken und essen Sie zu viel, Herr Steinhauer? Sind Sie ein Pornostreamer, Herr Stein?

Erwin: Das verraten wir nicht, das soll das Publikum herausfinden.



Matthias:
Naja, sicher schau ich mir Pornos an. Warum auch nicht?

Erwin: Bei mir stimmt, dass ich ganz gerne Süßigkeiten habe.

"Heute": Wäre eine Männer-WG eine Option für Sie?



Erwin: Eine Alters-WG mit lauter alten Zauseln, sie sich die Arbeit einteilen, das wär schon okay.

"Heute": Nein, keine alten Zauseln. Matthias und Sie…



Erwin: Nein, das finde ich nicht so gut. Dazu sind zu viele Jahre dazwischen. Jeder ist an einer ganz anderen Entwicklungsstufe und was muss er wissen, wie fürchterlich das Altwerden ist. Das will ich ihm gar nicht zeigen. Diesen Verwitterungsprozess muss er in jungen Jahren nicht mitbekommen.

"Heute": Wer von Ihnen ist abseits der Bühne eigentlich lustiger?



Matthias: Naja, der Papa ist schon ein Schmähtandler. Bei mir kommt eine große Ruhe dazu, die hab ich von Mama.

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Wirtschaftswunder versus Wirtschaftskrise, Babyboomer versus Pornostreamer – im Gemeindebau fliegen die Fetzen: Vater und Sohn erstmals gemeinsam auf der Bühne – Generationskonflikt vorprogrammiert! Der aus der silbernen Kabarett-Ära der 70er-80er Jahre und aus Werbung, Funk und Fernsehen bekannte Erwin S. lebt in seiner Luxusvilla in Wien-Hietzing. Seine Zeit ist vorbei, er verbringt seine Tage vor dem Full-HD Plasma-TV, schaut seine alten Filme, isst und trinkt zu viel und hofft auf ein Ehrengrab der Stadt Wien. Sein Sohn, Matthias Franz, Schauspieler am Josefstädter Theater hat naturgemäß ein Herz für alte Menschen und möchte seinem Erblasser noch einmal zu einem Comeback verhelfen. Er zieht nach 25 Jahren vorübergehend beim Vater ein, um gemeinsam an einem Abend zu schreiben.

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