Wirtschaft

Warum satteln wir nicht auf Bioplastik um?

Bioplastik ist schon auf dem Markt, doch es etabliert sich kaum. Plastik-Experte Rudolf Koopmans erklärt, warum.

Heute Redaktion
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Die Europäische Union knöpft sich den Plastikmüll vor, um die Meere zu entlasten. Einwegplastik soll verboten werden – "heute.at" berichtete. Was aber ist die Alternative? "20 Minuten" hat mit Rudolf Koopmans, dem Direktor des Plastics Innovation Competence Center (PICC) in Fribourg (Schweiz) gesprochen. Er entwickelt Bioplastik – der fast so aussieht wie normales Plastik, wie das Video zeigt.

Herr Koopmans, wäre jetzt ein günstiger Zeitpunkt für die europäische Industrie, auf Bioplastik umzusteigen?

Die Plastikindustrie muss erkennen, dass deren Betriebsmodell der letzten 80 Jahre nicht nachhaltig ist. Mehr denn je ist es jetzt an der Zeit, kreislauffähige Kunststoffprodukte herzustellen und zu verwenden. Bioplastik ist dabei nur ein Teil der Gesamtlösung. Genauso wichtig sind die vollständige Wiederverwertbarkeit der vorhandenen Kunststoffe und die Verwendung von natürlichen und neuartigen, synthetisch-organischen Materialien, die auf erneuerbaren pflanzlichen Rohstoffen basieren. Das Schlimmste, was wir jetzt tun können, ist abwarten.

Herkömmliches Plastik ist aus Erdöl – aus was ist Bioplastik?

Aus vielen natürlichen Materialien, etwa Seide, Vogelfedern oder Holz, lässt sich Plastik herstellen. Diese Materialien sind dann oft auch biologisch abbaubar – man könnte sie also im Kompost entsorgen. Wir streben aber beim Bioplastik eine Kreislaufwirtschaft an, wo Verpackungen analog zum herkömmlichen Plastik retourniert und wiederverwertet werden können.

Das klingt doch gut, warum setzt sich Bioplastik dennoch nicht durch?

Es braucht viele Investitionen, um Millionen von Tonnen alternativer Materialien produzieren zu können. Für Unternehmen ist das ein Risiko, und viele sind nicht bereit, dieses einzugehen. Gerade jetzt, wo der Ölpreis sehr niedrig ist, fragen sich Firmen, warum sie viel Geld für neue Technologien ausgeben sollen, wenn sie bereits eine ökonomisch bewährte Lösung haben.

Wie viel kompostierbares Plastik ist schon auf dem Markt?

Der Anteil an der weltweiten Bioplastikproduktion beträgt ungefähr 2 Millionen Tonnen. Zum Vergleich: Beim Erdölplastik sind es rund 350 Millionen Tonnen.

Wie viel Macht haben die Konsumenten, um Bioplastik zu pushen?

Konsumenten müssen lernen, nachhaltige Materialien überhaupt zu erkennen. Schon heute gibt es etwa für Milch eine große Anzahl von verschiedenen Verpackungen und es kann schwierig sein, die ökologischste zu erkennen. Hersteller müssen hier Wege finden, das klarer mit den Konsumenten zu kommunizieren, damit diese umweltbewusste Entscheidungen treffen können.

Ist Bioplastik teurer?

Ja, viele dieser Materialien kosten mehr als Erdölplastik. Das ist ein weiterer Grund, warum nachhaltiger Plastik Schwierigkeiten hat, sich durchzusetzen.

Werden wir jemals ohne Plastik auskommen?

Wir werden Kunststoffe nie loswerden. Aber die Frage ist, was für Materialien das sind und wie wir sie verwenden.

Worauf kommt es bei neuen Materialien denn an?

Wichtig ist, dass sie die gleiche Funktionalität haben wie die Materialien, die sie ersetzen. Wenn etwa ein Plastiksackerl aus biologisch abbaubarem Material beginnt, sich zu zersetzen, und dadurch undicht wird, erfüllt er seine Aufgabe nicht gleich gut wie ein Sackerl aus Erdölplastik. Solche Probleme versuchen wir am PICC zu lösen.