Politik

"Europa wäre gerettet" – Experte macht klare Ansage

Von der Leyens Amtszeit neigt sich dem Ende zu. Tritt sie wieder als EU-Kommissionspräsidentin zur Wahl an? Daniel Gros sagt, was das bedeuten wird.

Roman Palman
Ökonom und EU-Experte Daniel Gros in der ZIB2 mit Armin Wolf am 13. September 2023.
Ökonom und EU-Experte Daniel Gros in der ZIB2 mit Armin Wolf am 13. September 2023.
Screenshot ORF

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen gab bei ihrer vierten und vorerst letzten Rede zur Lage der EU viele Versprechen ab. Die europäische Wirtschaft solle angesichts von globaler Erwärmung, immer heftigeren Hitzewellen, Überschwemmungen und Waldbrände –"Dies ist die Realität eines Planeten, der kocht" – fit für eine klimaneutrale Zukunft gemacht werden. 

Dazu solle die Wirtschaft auch vor der starken Konkurrenz aus China geschützt werden. So würde das Reich der Mitte den europäischen Markt derzeit mit billigen Elektroautos überschwemmen. Die EU ermittelt bereits wegen des Verdachts des unlauteren Wettbewerbs, weil die Preise durch massive staatliche Subventionen nach unten gedrückt werden. Es gibt schon Überlegungen für Strafzölle, bei einer Eskalation könnte sogar ein Handelskrieg drohen. 

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen bei ihrer vierten und vorerst letzten Rede zur Lage der EU am 13. September 2023.
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen bei ihrer vierten und vorerst letzten Rede zur Lage der EU am 13. September 2023.
FREDERICK FLORIN / AFP / picturedesk.com

Für viele war das auch gleichzeitig eine Wahlrede. Denn obwohl Von der Leyen nichts zu einer möglichen Wiederkandidatur über die Lippen kam, ist davon auszugehen, dass sie eine zweite Amtszeit als EU-Kommissionspräsidentin anstrebt.

Doch wie sind Von der Leyens Zukunftspläne für sich und die EU einzuordnen? In der ZIB2 mit Armin Wolf war dazu der Ökonom und EU-Experte Daniel Gros an der Bocconi-Universität in Mailand.

Zuckerl für Paris und Berlin

"Ich glaube, es ist sehr eindeutig, dass sie es gerne noch einmal machen würde", so Gros Einschätzung eines neuerlichen Wahlantritts. Aber: das hänge gar nicht so sehr von ihr, sondern von der Unterstützung "ihrer wirklichen Chefs" ab. Damit meint der Experte sowohl den französischen Präsidenten Emmanuel Macron und vor allem den deutschen Bundeskanzler Olaf Scholz.

Und diese dürfte Von der Leyen aktuell wieder ziemlich hofieren. Leider, so Gros weiter, habe es in ihrer Kommission mehrere Fälle gegeben, die den Anschein erweckten, dass sie Paris oder Berlin begünstigen wolle. Stichwort Verbrenner-Aus und E-Fuels. "Jetzt sieht es auch wieder danach aus. Sie scheint zwischen diesen beiden Polen, Deutschland / Frankreich, hin und her zu pendeln."

Ökonom und EU-Experte Daniel Gros in der ZIB2 mit Armin Wolf am 13. September 2023.
Ökonom und EU-Experte Daniel Gros in der ZIB2 mit Armin Wolf am 13. September 2023.
Screenshot ORF

Visionen ohne Macht

Wenn nicht von der gesamten Europäischen Volkspartei (EVP), so aber zumindest von der Mitte des EU-Parlaments habe sie breite Unterstützung: "Das Problem ist, dass sie auf vielen Gebieten große Ankündigungen macht, aber nicht konkret vorzeigen kann, was die EU auch tun kann. Bei vielen Problemen liegen die Kompetenzen bei den Mitgliedsstaaten und nicht bei der EU. Das ist ihr eigentliches Problem: Sie kann auf vielen Gebieten halt nur Ziele verkünden und dann hoffen, dass die Mitgliedsstaaten das machen. Aber das ist nicht immer der Fall".

Das führte das Gespräch auf die Österreich-Blockade des Schengen-Beitritts von Bulgarien und Rumänien wegen der Flüchtlingsfrage. Von der Leyen hatte Österreich für diese Sperre gerüffelt und klar gesagt, dass sie den Beitritt der beiden Länder "ohne weiteren Verzug" wolle. 

Österreich im Schengen-Endgame

Wie isoliert steht Österreich in dieser Frage denn überhaupt da? "Ganz isoliert nicht, es gibt ja objektive Probleme mit der de facto Durchlässigkeit der Grenzen.", so Gros dazu. Es gibt allerdings auch ein Aber: "Die anderen Mitgliedsstaaten haben beschlossen, dass sie sich aus größeren politischen Gründen nicht mehr gegen diese Erweiterung des Schengenraums stemmen wollen und verstecken sich da ein bisschen hinter Österreich." Deshalb werde die Causa wohl auch ein baldiges Ende finden: "Sehr lange kann das nicht mehr dauern".

Armin Wolf während der ZIB2 am 13. September 2023.
Armin Wolf während der ZIB2 am 13. September 2023.
Screenshot ORF

"Europa wäre gerettet"

Sehr klar benannte die Kommissionschefin auch die Haltung zur Ukraine, für die sie eine "europäische Zukunft" sieht. Von der Leyen und EU hätten bei der Hilfe für die Ukraine bereits "wirklich viel geleistet", lobt der Wissenschaftler im TV-Talk. Nach anfänglichem Zögern sei die militärische und zivile Hilfe nun auf einem ähnlichen Niveau wie die der USA angekommen.

Ein schneller EU-Beitritt der Ukraine stehe allerdings auf einem ganz anderen Blatt und sei "ein Luxusproblem".

Wenn es der Ukraine mit europäischer und amerikanischer Hilfe gelingt, Russland aus der Ukraine heraus zu drängen, dann ist etwas ganz Epochales gelungen." Ein EU-Beitritt der Ukraine sei dann eine Zeitfrage ohne Dringlichkeit. Gros: "Erstmal wäre das Wichtigste geschafft. Russland wäre zurückgeschlagen, Europa wäre gerettet."

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