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Ex-Cop im Floyd-Prozess zu 22 Jahren Haft verurteilt

Das Strafmaß für den Ex-Cop Derek Chauvin steht fest. Der Tod von George Floyd löste Massenproteste gegen Rassismus und Polizeigewalt im Land aus.

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Ex-Polizist Derek Chauvin  wurde zu 22 Jahren Haft verurteilt.
Ex-Polizist Derek Chauvin  wurde zu 22 Jahren Haft verurteilt.
- / AFP / picturedesk.com

Derek Chauvin, der Ex-Polizist, der George Floyds Leben beendete, wurde zu 22 Jahren Haft verurteilt.

Es ist der vorläufige Schlusspunkt in einem der aufsehenerregendsten Prozesse der jüngeren US-Geschichte: Im Verfahren zur Tötung des Afroamerikaners George Floyd verkündet das zuständige Gericht in der US-Stadt Minneapolis an diesem Freitag das Strafmaß für den verurteilten weißen Ex-Polizisten Derek Chauvin.

Vor der Verkündung des Strafmaßes im Prozess gegen Derek Chauvin wegen der Tötung des Afroamerikaners George Floyd hat sich der Ex-Polizist erstmals mit einer Botschaft and die Angehörigen gewandt. "Ich möchte der Familie Floyd mein Beileid aussprechen", sagte Chauvin am Freitag in dem Gerichtssaal in Minneapolis (Minnesota). Wegen eines gerichtlichen Bundesverfahrens und einer möglichen Berufung könne er zur Zeit aber keine vollständige Stellungnahme abgeben.

"Maximale Strafe"

Der Bruder des getöteten Afroamerikaners George Floyd hat sich emotional geäußert. "Was hast du gedacht, was ging dir durch den Kopf, als du auf den Nacken meines Bruders gekniet hast?", sagte Terrence Floyd am Freitag in dem Gerichtssaal in Minneapolis (Minnesota) in Anwesenheit des Verurteilten. Während seiner kurzen Rede musste Floyd immer wieder mit den Tränen kämpfen. Er forderte die "maximale Strafe" für Chauvin.

Ein Video der siebenjährigen Tochter des getöteten George Floyd ist vor der Bekanntgabe des Strafmaßes gegen den Ex-Polizisten Derek Chauvin vor Gericht gezeigt worden. In der Aufnahme, die am Freitag abgespielt wurde, sagte Gianna Floyd, sie glaube dass ihr Vater noch im Geiste bei ihr sei und sie wolle wissen, wie ihrem Vater Schmerzen zugefügt worden seien. "Mein Papa hat mir immer geholfen, meine Zähne zu putzen", sagte Gianna Floyd.

Vor der Verkündung des Strafmaßes im Prozess gegen Derek Chauvin wegen der Tötung des Afroamerikaners George Floyd hat die Mutter des Ex-Polizisten ihren verurteilten Sohn verteidigt. "Derek ist ein ruhiger, nachdenklicher, ehrenhafter und selbstloser Mann. Er hat ein großes Herz", sagte Carolyn Pawlenty am Freitag in dem Gerichtssaal in Minneapolis (Minnesota) in Anwesenheit des Verurteilten. Die Öffentlichkeit werde niemals wissen, was für ein liebevoller Mann Chauvin sei. An ihren Sohn gewandt fügte sie hinzu: "Ich habe immer an deine Unschuld geglaubt und werde niemals davon abweichen". Sie werde für ihn da sein, wenn er aus dem Gefängnis nach Hause komme.

Die Verteidigung hat eine Bewährungsstrafe für Chauvin gefordert, die Staatsanwaltschaft dagegen 30 Jahre Haft. Floyds Schicksal steht nach Ansicht vieler stellvertretend für systematische Diskriminierung und Brutalität gegenüber Schwarzen.

Brutaler Polizeieinsatz

Floyd war am 25. Mai vergangenen Jahres in Minneapolis bei einem brutalen Polizeieinsatz ums Leben gekommen. Beamte nahmen den 46-Jährigen fest, weil er eine Schachtel Zigaretten mit einem falschen 20-Dollar-Schein bezahlt haben soll. Videos von Passanten dokumentierten, wie Polizisten den unbewaffneten Mann zu Boden drückten. Chauvin presste dabei sein Knie gut neun Minuten lang auf Floyds Hals, während dieser immer wieder flehte, ihn atmen zu lassen. Floyd verlor das Bewusstsein und starb wenig später.

Die Videoclips der Szene verbreiteten sich damals rasant. Floyds Tod wühlte die USA auf, löste mitten in der Corona-Pandemie eine Welle an Demonstrationen gegen Rassismus und Polizeigewalt aus, die sich zur größten Protestbewegung seit Jahrzehnten auswuchsen. Der Prozess gegen Chauvin wurde live auf vielen Fernsehkanälen übertragen. Die Erwartungen an das Verfahren waren immens.

Im April befanden die Geschworenen in dem Prozess Chauvin in allen Anklagepunkten für schuldig. Der schwerwiegendste Anklagepunkt lautete Mord zweiten Grades ohne Vorsatz. Nach deutschem Recht entspräche dies eher Totschlag. Zudem wurde Chauvin auch Mord dritten Grades vorgeworfen – und Totschlag zweiten Grades. Letzteres entspräche nach deutschem Recht eher fahrlässiger Tötung. Chauvin hatte auf nicht schuldig plädiert.

"Besondere Grausamkeit"

Trotz des dreiteiligen Schuldspruchs wird das Strafmaß für Chauvin laut Experten nach geltendem Recht im Bundesstaat Minnesota nur für den schwerwiegendsten Anklagepunkt verhängt. Auf Mord zweiten Grades ohne Vorsatz stehen in Minnesota bis zu 40 Jahre Haft.

Richter Peter Cahill hat allerdings die besondere Schwere der Tat anerkannt: Chauvin habe als Polizeibeamter seine Machtstellung missbraucht, keine Erste Hilfe geleistet und Floyd in Anwesenheit von Kindern mit "besonderer Grausamkeit" behandelt, erklärte Cahill. Eine geringe Strafe gilt daher als unwahrscheinlich.

Die Staatsanwaltschaft begründete ihre Forderung nach 30 Jahren Haft mit der besonderen Schwere der Tat. Chauvins Verteidiger Eric Nelson hatte dagegen angeführt, sein Mandant sei nicht vorbestraft, habe zuvor keine rechtlichen Probleme gehabt und nicht die Absicht verfolgt, Floyd zu töten. "Er glaubte, seinen Job zu machen." Nelson begründete die Forderung nach einer Bewährungsstrafe auch damit, dass Polizisten eine kürzere Lebenserwartung hätten und Chauvin im Gefängnis zum Ziel von Angriffen werden könnte.

Chauvin kann Berufung einlegen

Chauvin kann Berufung einlegen. Unabhängig von dem Verfahren in Minnesota ist gegen ihn außerdem vor einem Bundesgericht Anklage erhoben worden. Das US-Justizministerium teilte zur Begründung mit, dem Beschuldigten werde vorgeworfen, Floyd vorsätzlich seiner verfassungsmäßigen Rechte beraubt zu haben. Und: Neben Chauvin wurden drei weitere am Einsatz gegen Floyd beteiligte Ex-Polizisten angeklagt. Sie werden in einem Verfahren in Minneapolis ab März nächsten Jahres vor Gericht stehen. Ihnen wird Beihilfe zur Last gelegt. Auch ihnen könnten mehrjährige Haftstrafen drohen.

Der Schuldspruch gegen Chauvin im April war von vielen als Meilenstein im Kampf gegen die Benachteiligung von Afroamerikanern in den USA gewertet worden, gar als eine Art Wendepunkt in der Geschichte, als Triumph über das, was viele als jahrzehntelange Straffreiheit der Polizei für Vergehen gegen Schwarze beklagten. Floyds verzweifelte Worte «Ich kann nicht atmen», die er in seinen letzten Minuten immer und immer wieder hervorpresste, sind inzwischen zu einer Metapher für Rassismus und Polizeigewalt gegenüber Afroamerikanern und anderen Minderheiten in den USA geworden.

Floyd gab der Ungerechtigkeit einen Namen und ein Gesicht, doch sein Schicksal ist keineswegs ein Einzelfall. Und selbst jene, die den Schuldspruch gegen Chauvin bejubelten, räumten ein, dies sei nur ein Schritt von vielen, die folgen müssten, im Kampf gegen strukturellen Rassismus in Amerika.

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