Ukraine

Ex-Oberst erstaunt mit Kritik an Krieg im russischen TV

Im russischen Staatsfernsehen hat ein Militärexperte mit einer pessimistischen Bewertung des Ukraine-Krieges für Wirbel gesorgt.

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Michail Chodarenok (68) ist ehemaliger Oberst der sowjetischen Armee. In einer Sendung im russischen Staatsfernsehen wies er Meldungen, wonach die ukrainischen Truppen an tiefer Moral litten, entschieden zurück.
Michail Chodarenok (68) ist ehemaliger Oberst der sowjetischen Armee. In einer Sendung im russischen Staatsfernsehen wies er Meldungen, wonach die ukrainischen Truppen an tiefer Moral litten, entschieden zurück.
Screenshot Twitter

Knapp drei Monate nach dem Einmarsch in die Ukraine läuft es für Moskau immer noch nicht wie gewollt. Nun erhält auch das offizielle Narrativ weitere Risse. Zu bester Sendezeit erhebt ein ehemaliger Militär im russischen Fernsehen den mahnenden Zeigefinger.

Zu bester Sendezeit liest ein ehemaliger russischer Oberst im Staatsfernsehen der Moderatorin und den anderen Gästen die Leviten, wenn es um die Beurteilung des Krieges in der Ukraine geht. Gerüchte, wonach innerhalb der ukrainischen Armee eine schlechte Moral herrschen würde, seien "falsch" erklärt Michail Chodarenok in einer der meistgeschauten Talkshows des Landes am Montag.

Mehrere Versuche der regierungstreuen Moderatorin, ihn aus dem Konzept zu bringen, scheiterten. Ausschnitte aus der Sendung haben es auf Twitter geschafft und sorgen für weltweites Aufsehen. Mehrere internationale Medien, darunter die britische "Daily Mail", berichten über den Auftritt.

Gleich zu Beginn der Sendung fährt der 68-jährige Chodarenok starkes Geschütz auf: Die russische Öffentlichkeit solle keine "Beruhigungsinformationen" zu sich nehmen, wenn es um den Krieg in der Ukraine gehe. Dieser gestalte sich für das Land nämlich zunehmend schwierig.

Als Moderatorin Olga Wladimirowna Skabejewavon, die als Kreml-Scharfmacherin gilt, wissen will, ob Fälle ukrainischer Deserteure denn nicht bezeichnend für eine tiefe Moral innerhalb der ukrainischen Streitkräfte stünden, erklärt Chodarenok klar: "Nein". Vielmehr würden deren Truppen alles geben, um ihre Heimat zu verteidigen.

Russland unterschätze Unterstützungsbereitschaft des Westens

Gleich mehrfach kritisiert der Mann mit 30 Jahren Militär-Erfahrung die Führung im Kreml, und zum Teil auch explizit. So etwa, als er ihr einen gewissen Realitätssinn abspricht, das Ausmaß der westlichen Unterstützung für die Ukraine richtig einzuschätzen. Die Unterstützung der Ukraine durch die Nato stelle eine echte Gefahr dar."«Man muss in naher Zukunft eine Million bewaffneter Ukrainer als Realität betrachten", warnt er – und doppelt nach: "Die Situation für uns in dieser Hinsicht wird, offen gesagt, schlechter werden."

Doch Chodarenok belässt es am Montagabend nicht nur bei seiner Kritik an den militärischen Strategien, auch auf dem diplomatischen Parkett mache Russland keine gute Figur. "Wir sind gewissermaßen geopolitisch komplett isoliert (…) das ist eine Situation, aus der wir uns befreien müssen." Wie unter anderem Watson berichtet, soll es nicht das erste Mal gewesen sein, dass sich Chodarenok kritisch über den Feldzug des Kremls geäußert hat. Bereits vor Kriegsausbruch habe er vor der hohen Kampfmoral der Ukrainer gewarnt.

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