Politik

Experten fordern leichte Doppelstaatsbürgerschaft

Heute Redaktion
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Der Trend in Europa gehe in die Richtung, Doppel-und Mehrfachstaatsbürgerschaften zu erleichtern. Auch Österreich solle sich dieser Entwicklung nicht verschließen, meinten die Experten am Mittwoch in einem Hearing im Innenausschuss des Nationalrats. Der Vertreter des Innenministeriums hielt allerdings nichts davon.

Für Doppel- bzw. Mehrfachstaatsbürgerschaften sprechen sich die Grünen und die NEOS in Anträgen sowie eine Bürgerinitiative aus. Sie waren der Anlass für das Expertenhearing am Mittwoch. Beschlossen wurde nichts, alle Anträge wurden vertagt, berichtete die Parlamentskorrespondenz.

Aber es wurde intensiv diskutiert. Die Politikwissenschaftlerin Alice Vadrot, selbst Doppelstaatsbürgerin und Mitarbeiterin im NEOS-lab, sieht an der jetzigen Regelung viele Ungerechtigkeiten. So könne der Verzicht auf die Herkunfts-Staatsbürgerschaft bei Einbürgerung in Österreich in manchen Ländern dazu führen, dass jeglicher Besitz und das Erbrecht verloren geht.

Ministerium fürchtet Loyalitätskonflikte

Dietmar Hudsky, Leiter der Abteilung Aufenthalt und Staatsbürgerschaftswesen im Innenministerium, hält es aber für sinnvoll, das Prinzip der Vermeidung von Doppelstaatsbürgerschaften beizubehalten, er fürchtet Interessens- und Loyalitätskonflikte. Wie viele Doppelstaatsbürger es in Österreich gibt, konnte er nicht angeben, dazu existierten keine Statistiken. Bei der Volkszählung 2001 hätten sich rund 55.000 Österreicher dazu bekannt.

Der Trend in Europa gehe in Richtung Erleichterung von Doppelstaatsbürgerschaften, merkte Werner Sedlak, Leiter der für Einwanderung und Staatsbürgerschaft zuständigen Magistratsabteilung der Stadt Wien (MA 35), an. Österreich habe sich durch Unterzeichnung eines Europarats-Übereinkommens in den 60er-Jahren zwar zu deren Vermeidung verpflichtet. Dieses wurde mittlerweile aber von den meisten Staaten gekündigt - und in einem neueren Folgeübereinkommen sei man vom früheren Standpunkt abgekommen.

Österreich nur 28. unter 31 Staaten

Nur noch Österreich, Norwegen und die Niederlande blieben beim alten Übereinkommen, Dänemark habe im Sommer gekündigt, berichtete der Politikwissenschaftler Gerd Valchars. Da es nur zwischen den einzelnen Unterzeichnern gelte, sei es mittlerweile überhaupt mehr oder weniger wirkungslos. Valchers verwies darauf, dass in Österreich Doppelstaatsbürgerschaften aufgrund der Abstammung - also bei Kindern binationaler Eltern - als unproblematisch erachtet würden, nur bei Einbürgerung würden sie weitgehend verhindert.

Valchers, der an einem Projekt der Europäischen Hochschule Florenz zum Vergleich des Staatsbürgerschaftsrechts in Europa mitarbeitet, wusste auch zu berichten, dass Österreich zu den restriktivsten Ländern gehört, was Standardeinbürgerungen betrifft - mit Platz 28 unter 31 Staaten. Nur die baltischen Staaten Estland, Lettland und Litauen hätten noch höhere Einbürgerungshürden.

Immer weniger Staatsbürgerschaften vergeben

Die Zahl der Einbürgerungen ist in den letzten Jahren auch massiv zurückgegangen, merkte Sedlak an. Vor dem Jahr 2004 habe man österreichweit jährlich bis zu 40.000 Staatsbürgerschaften verliehen, zuletzt seien es nur mehr 7.400 gewesen. Ein Großteil der neuen Staatsbürger sei in Österreich geboren.

Jedes sechste Kind, das derzeit in Österreich zur Welt kommt, ist Ausländer - in Summe 13.000 Kinder pro Jahr. Auch sie müssen teure Einbürgerungsverfahren absolvieren, kritisierte Valchers. Die Konsequenz daraus sei, dass mittlerweile 12,5 Prozent der Einwohner nicht österreichische Staatsbürger sind - was sich auch darin niederschlug, dass die Zahl der Wahlberechtigten bei der Nationalratswahl 2013 trotz gestiegener Bevölkerungszahl niedriger war als 2008.

Damit verliere die Demokratie ihre Legitimation, warnte Valchers - und plädierte dafür, das Abstammungsprinzip mit einem "bedingten Geburtslandprinzip" zu kombinieren.