Alle zwei Jahre müssen die Notfallsanitäter der MA70 zur Re-Zertifizierung. In der neuen Schulstation in Simmering können sie diese mittels Video-Feedback erwerben.
Im Notfall zählt jede Sekunde und jeder Handgriff kann entscheidend sein. Obwohl das Retten von Leben für die rund 500 Einsatzdienstmitarbeiter der Berufsrettung Wien zum Alltag gehört und die Mitarbeiter eingespielte Teams sind, müssen sie alle zwei Jahre ihre Fähigkeiten im Zuge einer Re-Zertifizierung unter Beweis stellen.
Seit Frühjahr 2018 steht den Wiener Notfallsanitätern der MA70 in der Rettungsstation Simmering in der der Kaiser Ebersdorfer Straße 75 eine neue Schulstation zur Verfügung, bei der auch modernste Technik zum Einsatz kommt. Am Dienstag wurde die neue Station, eine Außensteller der Rettungsakademie, mit einer Vorführung vor Journalisten vorgestellt.
Re-Zertifizierungstag in drei Schritten
"Wir simulieren hier möglichst realitätsnah verschiedene Einsatz-Szenarios", erklärt der Leiter der Rettungsakademie Andreas Zajicek. Innerhalb eines Tages werden drei Schritte durchlaufen: Nach einem Briefing in der Früh folgt eine Übung an der Puppe, die von einer aufwändigen Audio-Video-Anlage aufgenommen wird. Im Anschluss folgt eine Analyse des fiktiven Einsatzes. Am Nachmittag geht es dann zu realen Einsätzen, wobei auch ein Supervisor mit an Bord ist.
"Vergangenes Jahr haben wir in Zusammenarbeit mit der Rettungsakademie und der medzinisch-wissenschaftlichen Leitung die bisherige Re-Zertifizierung neu überdacht. Bisher mussten sich die Mitarbeiter selbst um diese kümmern", erklärt der Leiter der Schulstation Michael Girsa. Seit dem heurigen Frühjahr werden die Wiener Notfallsanitäter als Team in die neue Schulstation eingeladen. Die ersten 100 Mitarbeiter hätten ihre Re-Zertifizierung bereits erworben und das Feed Back sei äußerst positiv, so Girsa.
"Zusätzliche Ressource um noch besser zu werden"
Die Berufsrettung Wien ist nach einer Organisation in den Niederlanden erst die zweite Rettungsorganisation in Europa, die in der Re-Zertifizierung und Fortbildung auf Video-Analyse setzt. Sechs speziell geschulte Simulationstrainer, alles selbst ausgebildete Notfallsanitäter, sind in der neuen Schulstation in Simmering im Einsatz.
"Uns geht es nicht um Kontrolle", hält Projektleiter Girsa fest, "vielmehr ist die Video-Übung eine Hilfe und eine weitere Ressource für die Mitarbeiter noch besser zu werden". Die Video-Analyse mache Abläufe sichtbar, zeige was sehr gut funktioniert, aber auch wo es noch besser ginge. "Durch die Videoaufnahmen sehen sich die Notfallsanitäter selbst in Aktion. Durch diese Selbstreflexion können sie selbst erfahren, wo es vielleicht noch Verbesserungspotenzial gibt", so Girsa.
Nach erfolgreichem Abschluss erhalten die Sanitäter nicht nur ihre Re-Zertifizierung von der Rettungsakademie, sondern auch eine grafische und schriftliche Auswertung ihrer Leistung sowie Empfehlungen für Fortbildungen.
So läuft der Re-Zertifizierungstag ab
"Uns ist wichtig, dass alle Abläufe so realistisch wie möglich sind", betont Girsa. Daher bekommen die Notfallsanitäter dieselben Informationen, wie es auch bei einem echten Einsatz der Fall wäre. Pro Tag werden je zwei Reanimations- und zwei Trauma-Versorgungen durchgeführt, wobei jedes Teammitglied in die Rolle des Teamleiters schlüpft.
Für die Vorführung wurde folgendes Szenario gewählt: "Ein Mann mittleren Alters ist in einem Lokal kollabiert. Zuvor hat er sich zweimal an die Brust gegriffen. Die Familie ist vor Ort".
Nach einem ersten Notfallcheck, bei dem die vorführenden Notfallsanitäter Carmen Huber (seit 2017 bei der MA70) und Martin Muttenthaler (seit 2005 bei der MA70) feststellen, dass bei dem Patienten keine Atmung sowie Herz-Kreislauf-Stillstand vorliegt, ergreifen sie schnell und routiniert die nächsten Maßnahmen.
Nach Kontaktaufnahme mit der Leitstelle beginnen die Sanitätern mit der Herzdruckmassage (30mal pumpen, dann zweimal beatmen) und legen einen Defibrillator an, der laufend den Herzrhythmus des Patienten analysiert. Im Anschluss wird der Atemweg gesichert und das Opfer, wenn notwendig, intubiert. Mittels Stetoskop überprüfen die Helfer, ob Luftgeräusche in der Lunge wahrnehmbar sind, das ist dann das Zeichen, dass der Inkubationsschlauch richtig liegt.
Danach legt Sanitäterin Carmen einen venösen Zugang, der lebensrettende Medikamente wie beispielsweise Adrenalin direkt in die Blutbahn des Patienten bringt. Nach weitern "klinischen Assessments", also Zwischenprüfung der Vitalbarometer des Patienten und Prüfung des mobilen EKG wird der Patient dann in den Rettungswagen überführt und in ein Krankenhaus eingeliefert. Bereits auf der Fahrt informieren die Sanitäter den hinzugezogenen Notarzt über die ergriffenen Maßnahmen und beraten über die weiteren Schritte im Spital, zum Beispiel ob ein Chirurg gebracht wird oder ob der Patient auf die Intensivstation gebracht werden muss.
Szenarien sollen noch realistischer werden
Nach den ersten guten Erfahrungen mit der neuen Schulstation überlegt die Berufsrettung Wien bereits weitere Verbesserung. "Je realistischer das Szenario, desto besser ist es. Daher arbeiten wir gerade daran, wie wir verschiedene Lärm- und Wettersituationen oder aufgeregte Dritte noch besser in die Übungen einbeziehen können", so Girsa. Das sei wichtig, denn die Notfallsanitäter sollen auch unter großem Stress schnell die richtigen Entscheidungen treffen.
Bis alle 500 Einsatzmitarbeiter ihren Re-Zertifzierungstag absolviert haben, dauert es rund zwei Jahre. Wenn dann 2020 die nächste Runde beginnt, wird es auch neue Szenarien geben, kündigt der Leiter der Akademie Zajicek an: "Das könnten dann Säuglingsnotfälle oder Kinder-Reanimationen sein".
Video zeigt wie auch Sie im Notfall helfen können
Im Notfall sollte jede und jeder Erste Hilfe leisten können. Was im Ernstfall zu tun zeigt dieses Video der Berufsrettung Wien.
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