Der Prozess gegen einen angeblichen Räuber raubte am Mittwoch sogar der Richterin den letzten Nerv. Denn nicht nur der inhaftierte Angeklagte (22) klagte über eine Verwechslung. Sogar das Opfer (31) sagte im Zeugenstand aus, vor sich nicht den "großgewachsenen, dünnen und dunkelhäutigen" Täter zu sehen.
Dem 31-Jährigen waren am 11. April des Vorjahres bei der Straßenbahnstation Eichenstraße 80.000 Euro in einem Plastiksackerl entrissen worden. Der maskierte Angreifer hatte ihn zuvor angerempelt und mit Pfefferspray besprüht. Nach zwei oder drei Tagen hing das Geldsackerl mit 73.520 Euro übrigens wieder an dessen Wohnungstüre – was spezielles Insiderwissen eines Täters voraussetzen würde.
Den Angeklagten dagegen hatte das Opfer noch nie gesehen, es bestand keinerlei Verbindung. Dem durch ausgefallene Anzüge bekannten Anwalt Michael Dohr platzte daher fast der verzierte Nieten-Kragen: "Vor uns sitzt der Prototyp eines gut integrierten Flüchtlings, der plötzlich und völlig unschuldig aus dem Leben gerissen wird", so der Jurist.
Allein zwei Indizien hätten zur Verhaftung des fleißigen Mechaniker-Gehilfen geführt, führte er aus. "Zum Tatzeitpunkt war das Handy des Angeklagten in der Gegend eingeloggt und wir fanden eine DNA-Spur von ihm auf der Jacke des Opfers", versuchte der Staatsanwalt zu vergeblich zu überzeugen, sprach von einem "spannenden Fall mit Argumentationsspielraum".
Er sei viel gewohnt, aber bei dieser Beweislage einen Raub, der mit 15 Jahren Haft bestraft werden kann, anzuklagen – "das ist Chuzpe", tobte der Rechtsanwalt und kündigte an, seinen Job an den Nagel zu hängen, wenn es nicht zu einem Freispruch käme. Die Richterin beendete das Drama schnell: Freispruch im Zweifel und sofortige Enthaftung (nicht rechtskräftig).