Österreich

"Sie haben über 60 Pkw an einem Tag abgeschleppt"

Heute Redaktion
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Auf dem Parkplatz eines Geschäftsareals in Liesing schleppt angeblich ein Unternehmen täglich mehrere Autos ab. Betroffene Autobesitzer fühlen sich schikaniert.

Der Vorwurf klingt zunächst nach Irrsinn: Über 60 Autos soll die Firma Toman an einem einzigen Tag vom Geschäftsareal in der Sterngasse zur zwei Kilometer entfernten Zentrale in die Tenschertstraße abgeschleppt haben.

Dass dies möglich und immer noch gängige Praxis sei, behaupten Kunden des Fitnesscenters Fit/One. Andreas R. (Name geändert) ist einer von ihnen und er besitzt wie alle anderen Geschädigten ein VIP-Paket. Anreiz des Pakets ist der darin enthaltene Gratis-Parkplatz – sofern verfügbar.

Die vorgegebenen Bedingungen für die Lenker sind simpel: Wer eine "Parkkarte" gut sichtbar auf das Armaturenbrett platziert hat, darf sein Auto vor dem Gebäude stehen lassen. Alle anderen müssen Kunden von einem der im Gebäude befindlichen Geschäfte sein. Maximal-Stehzeit sind drei Stunden. Toleranz-Frist, wird vermutet, soll weniger als eine Stunde sein.

Keine Parkkarte, Auto weg

Die Einhaltung dieser Regel wurde Anfang April auf den Prüfstand gestellt. Autos wurden akribisch kontrolliert, wer zu lange am Parkplatz verweilte oder die Parkkarte nicht gut sichtbar hinter der Windschutzscheibe liegen hatte, wurde abgeschleppt. Unklar ist, wer das Unternehmen beauftragte.

Andreas R. beschreibt die Szenerie wie eine raffiniert durchdachte Nacht- und Nebel-Aktion: "Plötzlich tauchten Dienstwagen von Toman auf und nahmen ein Auto nach dem anderen mit. Das ging den ganzen Tag, im Minutentakt. Ein Bekannter, der das Fittnesscenter auch besucht, will über 60 Autos gezählt haben."

Seit diesem Tag, so erzählt R., ist Toman "mehrmals täglich" in der Sterngasse 11 anzutreffen, wie sie gerade Vehikel von Falschparkern abtransportieren. Nur sehen sich die abgeschleppten VIP-Kunden als Opfer eines zwielichtigen Geschäftsmodells und nicht als notorische Falschparker.

"Es passiert, dass Leute ihre Parkkarten vergessen, aber soll deswegen dieses rücksichtslose Treiben gerechtfertigt sein? Uhrzeit, Wochentag, völlig egal – hast du deine Parkkarte vergessen, kannst dein Auto für 350 Euro in der Tenschertstraße wieder haben. Andernfalls wird einem mit Besitzstörungsklage gedroht."

"Die Mitarbeiter waren nicht informiert"

Verärgert war R. auch über das Fitnesscenter, dieses hätte es versäumt seine Kunden rechtzeitig zu warnen. Nicolas Koekoek, Marketingverantwortlicher von Fit/One, versucht klarzustellen: "Die Mitarbeiter waren über die Abschlepp-Aktionen nicht informiert, sonst hätten wir unsere Kunden darüber umgehend in Kenntnis gesetzt. Ich kann Ihnen garantieren, dass die Anrufe nicht von uns ausgehen." Seit Wochen sind nun in den Räumlichkeiten Warnplakate angebracht.

Tatsächlich erscheint eine Kooperation mit dem Abschlepp-Unternehmen eher unwahrscheinlich, da die Fitnesscenter-Betreiber ihr eigenes Geschäft torpedieren würden. Einige Kunden sind Tomans rege Aktivitäten in der Sterngasse 11 zu viel geworden, sie denken daran, ihren Vertrag zu kündigen.

Abschleppen ist widerrechtlich

"Heute" fragte beim Verein für Konsumentenschutz (VKI) nach: Darf man einfach so abschleppen lassen? Die Antwort der VKI-Juristin Marlies Leisentritt fällt deutlich zugunsten der Abgeschleppten aus:

"Der Kunde eines Fitnessstudios, der berechtigt war, auf dem Parkplatz zu stehen, aber die Parkkarte nicht ordnungsgemäß hinter der Windschutzscheibe platziert hatte, hätte jedenfalls nicht abgeschleppt werden dürfen, da es sich gar nicht um eine Besitzstörung handeln kann. Eine Behinderung von Einsatzfahrzeugen ist auch nicht bewirkt worden."

Und selbst im Falle einer Besitzstörung, so die Juristin, "ist Abschleppen weit seltener gerechtfertigt, als man glaubt. Durch das eigenmächtige Abschleppen begeht die Person, die das veranlasst, und das beauftragte Unternehmen ebenfalls, eine Besitzstörungshandlung gegenüber dem Fahrzeugbesitzer. Insofern widerrechtlich."

Wer bestellt eigentlich die Toman-Schlepper?

Das Tätigkeitsfeld von Park & Control, so ein Mitarbeiter der Firma, "ist das Kontrollieren von Auto-Stehzeiten. Wir werden nicht dafür bezahlt, den Abschleppdienst anzurufen und das machen wir auch nicht." Dieser vermutet, dass es nur deswegen so weit kommen konnte, weil ganze Grill-Gesellschaften aus dem gegenüberliegenden Draschepark den Parkplatz des Öfteren für sich in Beschlag genommen würden.

Einer der Inhaber des Objekts in der Sterngasse ist der Anwalt Dr. Wilfrid Wetzl. Er sagt: "Mein Geschäftspartner und ich haben mit den Abschleppungen der Fahrzeuge natürlich nichts zu tun. Schließlich haben wir die gesamte Liegenschaft vermietet. Sie müssen sich daher bei den Mietern erkundigen."

Bei Toman war man zu keiner offiziellen Stellungnahme bereit. Das Unternehmen ist wegen seiner Abschlepp-Praktiken nicht immer frei von Kritik geblieben. 2013 und 2014 wurde die Firma wegen Besitzstörung verurteilt (Kurier und Wiener Zeitung berichteten). Hohe Wellen schlug zuletzt 2016 die Meldung über systematische Abschleppungen bei der SCS, wie orf.at und der "Kurier" berichteten.

Wer das Unternehmen mit der Wegschaffung der Fahrzeuge beauftragt hat, lässt sich jedoch rausfinden. VKI-Juristin Marlies Leisentritt dazu: "Der Autoinhaber muss die Möglichkeit haben, den Sachverhalt mit dem Unternehmen direkt zu klären. Dieses muss die Daten über den Auftraggeber herausgeben."

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