Wien

Florian wog 600 Gramm: "Wussten nicht, ob er überlebt"

Der 22-jährige kam zu früh auf die Welt und leidet bis heute an den Folgen. In einer Pension für Menschen mit Behinderung kann er auf Zeit wohnen.

Yvonne Mresch
Florian (22) besuchte mit seinen Eltern Sabine (59) und Gerhard (62) das neu eröffnete "waberl" – eine Einrichtung für Wohnen auf Zeit.
Florian (22) besuchte mit seinen Eltern Sabine (59) und Gerhard (62) das neu eröffnete "waberl" – eine Einrichtung für Wohnen auf Zeit.
Sabine Hertel

"Es ist Urlaub für ihn, aber auch für uns", lächelt Sabine (59). Auf die Frage, ob es ihrem Sohn hier gefällt, gibt es einen Daumen hoch. Florian durfte einen ersten Blick ins "waberl" werfen – einer Einrichtung des Hauses der Barmherzigkeit in der Gurkgasse (Penzing). Geführt wird es wie eine Pension, Menschen mit Behinderungen können dort auf Zeit wohnen und werden durchgehend betreut.

Intensivstation – "Er kämpfte ums Überleben"

Florian kam in der 24. Schwangerschaftswoche zur Welt und verbrachte die ersten Monate seines Lebens auf der Intensivstation. "Er hatte eine Blutung im Gehirn, der Arzt sagte uns, er wird irgendwann sabbernd in der Ecke sitzen", erinnert sich Mama Sabine an die bangen Stunden. "Solche Sätze prägen sich natürlich ein." Monatelang bangten die Eltern um ihr Kind. "Er wurde beatmet, lag im Brutkasten, wir waren ständig bei ihm. Er war einfach nur ein Wesen, das ums Überleben kämpft", erzählt Papa Gerhard (62). "Er wog 600 Gramm, sein erstes Bad war in einer besseren Suppenschüssel." Ob ihr Sohn überleben würde, wussten sie zu diesem Zeitpunkt noch nicht. "Wir haben nur funktioniert."

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    Zur Eröffnung gab's anstatt eines Gästebuchs einen "Gästekoffer" vom Stadtrat (re.).
    Zur Eröffnung gab's anstatt eines Gästebuchs einen "Gästekoffer" vom Stadtrat (re.).
    Sabine Hertel

    "Beziehungen ändern sich"

    Das Leben der jungen Familie wurde auf den Kopf gestellt. Viele Therapien waren nötig, normale Dinge wie ein Spielplatzbesuch nicht möglich. Auch Freundschaften und Beziehungen veränderten sich: "Manche Menschen können damit nicht umgehen", erzählt die Mutter. "Dadurch distanziert man sich." Auch auf der Straße mussten sie sich schon Sprüche anhören: "Da kommen dann Sätze wie 'der wäre so lieb, schade drum."

    Doch der heute 22-jährige machte Dank zahlreicher Therapien und einem starken Willen große Fortschritte. Heute kann er kommunizieren und seinen Rollstuhl selbst lenken. Tagsüber verbringt der Wiener seine Zeit in der Tagesstruktur von Habit, in der Freizeit hört er gerne Musik. "Das geht vom Trommel-Workshop bis zur altersgemäßen Musik", lacht die Mutter. Über Habit kam die Familie nun auf die neue Einrichtung in Penzing. Das Projekt bedeutet ihnen viel.

    Sieben Zimmer auf 350 Quadratmeter

    "Florian kann hier 'Urlaub' machen und für uns ist es auch sehr wichtig", so Sabine. "Wir haben dann kurz Zeit für uns, können für ein verlängertes Wochenende wegfahren. Mit Florian sind auch Aktivitäten wie Restaurantbesuche oder Kulturprogramm nicht möglich. Er freut sich immer, wenn er ins Kurzzeitwohnen kommt, das wir schon kennen, aber auch wenn er wieder nach Hause kommt. Genau wie im Urlaub eben."

    Im "waberl" ist Platz für sieben Personen. Die Voraussetzungen sind ein Mindestalter von 18 Jahren und eine Bestätigung des Fonds Soziales Wien, der das Projekt finanziert. Es ist der dritte Standort, an dem Wohnen auf Zeit für Menschen mit Behinderungen angeboten wird. Die barrierefreie Einrichtung erstreckt sich auf 350 Quadratmetern und zwei Etagen. Die Zimmer sind zwischen 14 und 22 Quadratmeter groß und verfügen über ein Pflegebett, Stauraum sowie ein Bad mit Pflegebadewanne. Der Garten bietet Raum zur Entspannung. Der Name der Einrichtung wurde übrigens von der "Wabenform" der Innenarchitektur abgeleitet.

    "Trainingswohnen" vor dem Auszug

    Start für das Projekt ist im April, Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ) machte sich vorab ein Bild von der Einrichtung und eröffnete sie offiziell. Das "waberl" sei ein "weiteres Puzzleteil in unserer vielfältigen Soziallandschaft, in der die Wiener jene Unterstützung und Hilfe erhalten sollen, die sie brauchen", zeigte sich Hacker begeistert.

    Entwickelt wurde das "waberl" gemeinsam mit Kunden und Angehörigen. Es soll Menschen mit Behinderungen in ihrer Selbstständigkeit stärken und gleichzeitig Angehörige entlasten. Der Aufenthalt wird im Voraus gebucht, im Notfall gibt es auch die Möglichkeit einer kurzfristigen Unterbringung. Darüber hinaus bietet Habit auch das sogenannte "Trainingswohnen" an – quasi eine Gelegenheit, diese Betreuungsform erstmals auszuprobieren, bevor die Person von zuhause auszieht und selbstständig wird. Auch Florian wird voraussichtlich in einigen Jahren ausziehen. "Das wäre das Ziel", so Mama Sabine. "Hier in der Unterbringung können wir das schon einmal üben."