Wien

Flüchtlingshilfe mit 83: Ein Zuhause bei "Mama Austria"

Seit 28 Jahren engagiert sich die Wienerin Helga Tippel für das Wohlergehen ukrainischer Kinder. In Kriegszeiten ist ihr Einsatz wichtiger denn je.

Yvonne Mresch
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Helga Tippel (Mitte) hilft trotz ihrer 83 Jahre, wo sie nur kann. Derzeit leben zwei ukrainische Familien in ihrem Haus.
Helga Tippel (Mitte) hilft trotz ihrer 83 Jahre, wo sie nur kann. Derzeit leben zwei ukrainische Familien in ihrem Haus.
Yvonne Brandstetter

"Mama, kommst du jetzt?" Die kleine Katharina ist müde nach der langen Reise, Mama Oksana entschuldigt sich und bringt ihre Tochter ins Bett. Um vier Uhr Früh kam die Familie in Wien an. 46 Stunden Fahrt liegen hinter den Freundinnen Oksana und Olga und den Kindern der beiden Frauen. Alle wirken müde und erschöpft, das Erlebte muss erst verarbeitet werden. Aber: Sie haben es geschafft, dem Kriegsgebiet zu entkommen und bei Helga Tippel in ihrem kleinen Häuschen in Aspern (Donaustadt) ein vorläufiges Zuhause gefunden.

800 Kinder aus Tschernobyl nach Wien gebracht

Helga Tippel und die Ukraine verbindet vieles. Schon seit 1994 engagiert sich die heute 83-jährige für ukrainische Kinder. Startschuss für die Hilfsaktionen war die Nuklearkatastrophe von Tschernobyl. Ein Pfarrer aus Tippels Gemeinde holte damals Kinder aus der Krisenregion nach Wien zur Sommerfrische. Die Donaustädterin organisierte im Hintergrund und suchte für die Kinder Familien aus ihrem Grätzl. 800 Kindern ermöglichte sie so Ferien in Wien. 14 Jahre lang blieb Tippel, die ehrenamtlich im Caritas Ausschuss tätig war, bei ihrer Aufgabe. Sie half sogar beim Aufbau eines Kinderheimes in Kiew. Finanziert wird das Heim über den Fond Aspern der Caritas Wien. Die Kinder, die dort leben, wurden ihren Eltern weggenommen, weil diese sich nicht gekümmert hatten. Tippel selbst ist mittlerweile Ehrenbürgerin von Kiew, wird vor Ort auch "Mama Austria" genannt. 

"Ich wollte mich vor Ort verständigen können und habe die Sprache gelernt"

Vier Reisen in die Ukraine trat die rüstige 83-Jährige bereits an. Sie besuchte das Kinderheim sowie Freunde und Bekannte, die sie über die Jahre bereits gemacht hatte. Zwei davon sind Olga und Oksana. Die beiden Lehrerinnen studierten am linguistischen Zweig der Universität Kiew und sprechen fließend Deutsch. Nicht, dass das nötig wäre - denn Helga Tippel kann sich auf Ukrainisch gut verständigen. "Ich habe immer leicht Sprachen gelernt und es war mir wichtig, vor Ort zurecht zu kommen", sagt sie im Gespräch mit "Heute". Dass Olga und Oksana ihre guten Deutschkenntnisse nach einer Flucht nach Österreich gebrauchen können, hätten sie damals wohl nicht erwartet. Wo sie unterkommen, daran bestand nie Zweifel. "Ich war über all die Jahre mit ihnen in Kontakt. Natürlich können sie bei mir wohnen", stellt Tippel klar und fügt hinzu: "Rasche Hilfe, ohne groß zu planen, ist die beste Hilfe."

Stapelweise Spenden und eine offene Tür für Geflüchtete

So dankbar Olga, Oksana und ihre Familien über die Unterstützung der Wienerin sind - der Schock sitzt noch immer tief. "Der Abschied war furchtbar", erinnert sich Oksana und kämpft mit den Tränen. "Meine Kleine wollte nicht weg aus ihrem Haus. Die Größeren können es schon mehr verstehen. Unsere Männer mussten bleiben. Wir versuchen, mit ihnen Kontakt zu halten. Aber wir hoffen einfach, dass wir sobald wie möglich wieder zurück nach Hause können." In Aspern versuchen sie nun, erst einmal zur Ruhe zu finden. Helga Tippel unterstützt dabei, wo es nur geht. In ihrem Vorraum stapeln sich zudem die Spendenkisten. Sachspenden, die der mittlerweile im Ort schon bekannten Frau von überall gebracht werden und die sie bisher immer nach Kiew schickte. Wie es jetzt weitergeht, wann und wie vor Ort noch geholfen werden kann, das weiß keiner so genau. 

"Meine Stärke ist mein Glauben"

Von ihrer Familie bekam Helga Tippel immer Unterstützung und Verständnis für ihre Arbeit. 60 Jahre stand ihr Mann an ihrer Seite, bevor er vor vier Jahren verstarb. Zwei Kinder und fünf Enkel helfen heute aus, wo sie gebraucht werden. Und das werden sie - denn ans Aufhören denkt Tippel noch lange nicht. "Ich kann nur mehr schwer gehen wegen einer Krankheit, habe immer Schmerzen. Manchmal denke ich, ich schaffe das nicht mehr. Aber ich mache weiter. Meine Stärke ist mein Glauben. Das gibt mir Selbstbewusstsein und damit habe ich schon so viele Hürden überwunden", sagt sie und ergänzt zwinkernd: "Denn ich habe Hilfe von oben."