Wien

Frau sticht Freund nieder, beide müssen auf Anklagebank

Rendezvous vor dem Richter: Nach mehreren blutigen Attacken sah sich ein junges Paar am Wiener Landl wieder.

Clemens Pilz
Die 26-Jährige verbarg ihr Gesicht hinter Gerichtsdokumenten.
Die 26-Jährige verbarg ihr Gesicht hinter Gerichtsdokumenten.
Denise Auer

Sie 26 Jahre alt, er 28, beide aus der Slowakei, beide dem Alkohol zugetan – und Hals über Kopf ineinander verliebt: Ein ungewöhnliches Paar stand am Mittwoch vor dem Wiener Landesgericht. Der jungen Frau wurden Mordversuch und absichtliche schwere Körperverletzung vorgeworfen. Sie stach ihrem Lebensgefährten im April 2022 ein Stanleymesser in den Rücken, drei Monate später ein Küchenmesser in die Brust. Der Mann überlebte schwer verletzt, musste im Wiener AKH notoperiert werden. Aber auch er musste sich vor dem Richter verantworten, denn er hatte behauptet, Unbekannte hätten ihn ausgeraubt und niedergestochen.

"Ich liebe sie und wollte sie schützen", gestand der 28-Jährige die falsche Beweisaussage. Die Frau leide unter einer psychischen Krankheit und er habe sie vor dem Gefängnis bewahren wollen. Doch die Beziehung der in Wien lebenden Slowaken war alles andere als von Liebe geprägt. Die Anwälte des mehrfach vorbestraften Paares, Verteidiger Nikolaus Rast und Andreas Schweitzer, sprachen von einer "toxischen Beziehung mit Schlägen, Watschen und Würgen": Sobald Alkohol und Drogen im Spiel waren, kam es zu Streit und Gewalt. Der junge Mann erlitt Wut- und Eifersuchtsanfälle und prügelte auf seine Lebensgefährtin ein. Doch auch diese hatte ein Aggressionsproblem und leidet unter einer Borderline-Störung. Sie ist vorbestraft, da sie einem Unbekannten aus heiterem Himmel in der Wiener U-Bahn einen Kopfstoß versetzt hatte.

"Wollte ihn auf keinen Fall umbringen"

Beim bislang schlimmsten Streit im Juli 2022 eskalierte die Situation völlig: "Wir hatten getrunken und stritten schon auf dem Nachhauseweg. Warum, das weiß ich nicht mehr. In der Wohnung schlug er mich und stieß mich mit dem Kopf gegen die Küchenzeile. Da nahm ich ein Messer, das hinter meinem Rücken lag, und stach ihm in die Schulter", gestand die Angeklagte unter Tränen. "Ich wollte ihn aber auf keinen Fall umbringen. Ich wollte nur, dass es aufhört", stritt sie eine Tötungsabsicht ab.

Hilfe bei häuslicher Gewalt: Frauennotruf 01 /  71 71 9

Das Opfer eilte daraufhin blutüberströmt aus der Wohnung des Paares und rief auf der Straße um Hilfe. "Dass er heute so unversehrt hier sitzt, ist der Rettungskette zu verdanken und der Not-OP im AKH", stellte die Staatsanwältin klar. Gegenüber Zeugen und der Polizei gab der Schwerverletzte an, von Unbekannten überfallen worden zu sein. Als er nach mehreren Tagen aus dem Spital entlassen wurde, zog er prompt wieder in der Wohnung der Angreiferin ein. "Sie besuchte mich ja auch jeden Tag im Krankenhaus und brachte mir Sachen vorbei."

Einweisung beantragt

Erst im Herbst kam es zur Festnahme des Duos. Ermittlern war die Geschichte des 28-Jährigen spanisch vorgekommen. Sie bohrten nach, woraufhin der Mann die Falschaussage gestand. Er wurde nach kurzer Zeit wieder auf freien Fuß gesetzt, seine Lebensgefährtin sitzt seither in U-Haft. Für sie ist nun neben einer Haftstrafe auch die Unterbringung in einer Anstalt möglich. Ein Urteil wird für Mittwochnachmittag erwartet.

Auf die Frage des Richters, ob die Beziehung nun beendet sei, erklärte die Angeklagte übrigens: "Nach allem was vorgefallen ist denke ich das schon. Ich war auch enttäuscht, dass er mir in der Haft nicht geschrieben hat."