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Frauen- vs. Männermüsli – das Arschtritt-Duell

Heute Redaktion
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Im Supermarkt kann man geschlechtsspezifische Müslis kaufen. Lassen wir einmal den Sinn beiseite (und den Preis) – schmeckt man da einen Unterschied? Der Test zeigt Ja. Und?

Es ist ja so: Im Fernsehen gab es noch nie so viele Kochshows wie jetzt, es müssen an die 60 sein. Kochbücher sind die einzige Gattung Literatur, die noch wirklich gut funktioniert, was immer das über uns auch aussagt. Und wenn ich alles richtig verstanden habe, dann konnte man in Österreich noch nie besser essen als 2018. Im letzten Gault&Millau schafften so viele Lokale die Aufwertung auf drei Hauben wie zu keiner Zeit in der 39jährigen Geschichte des Guides.

Das aber trifft auf eine Öffentlichkeit, die häufig nur mehr zwischen süß oder sauer, scharf oder salzig unterscheiden kann, zuweilen erkennt sie auch nur ob etwas heiß und kalt ist. Dank der Sozialisation mehrerer Generationen, nicht allein durch Fastfood-Lokale, schmeckt es vielen dann besonders gut, wenn besonders viel drinnen ist, am besten von allem.

Das sorgt für ein Dilemma, denn es wäre natürlich seltsam, wenn Testern in Kochshows immer nur auffiele, dass etwas hart sei oder weich. Schnell wären Zweifel an ihren Gaumen und an ihrer Kompetenz da. Auch wenn man abends essen geht und zu zweit gute und gerne 100 Euro zahlt, dann sollte einem mehr zum Menü einfallen als „ich fand das Gemüse übrigens schön grün".

In Deutschland, das ja vor ähnlichen Problemen stand, hat man schon eine Lösung für das Dilemma gefunden. Hier sagt man einfach, wenn man nicht weiß, ob etwas grandios oder ein rechter Schmarrn war, es habe „nussig" geschmeckt. Ja nussig. Alles ist nussig. Passen Sie einmal in den Kochshows auf, bei „Grill den Profi" oder bei Tim Mälzer, alles nussig! Salatdressing? Nussig! Steak? Nussig. Nachspeise? Nussig! Sogar die Getränke sind inzwischen nussig. Manchmal heißt es auch, irgendetwas hat eine nussige Note. Nussig ist wie dieses dystopisch aus der Politik. Keine Sau weiß, was es heißt, aber jeder verwendet den Begriff. So wie früher alles androgyn war.

Zufall oder Geniestreich?

Im Supermarkt gibt es nun Müslis für Männer und für Frauen. Ich frage jetzt nicht warum, vielleicht dachten sich die Macher, das Leben stelle unterschiedliche Ansprüche an die Geschlechter und das müsse man jetzt in der Ernährung abbilden, vielleicht dachten sie sich aber auch gar nichts. In der Politik ist es ja auch so, dass man oft glaubt hinter diesem und jenem Vorschlag verberge sich eine geniale Strategie und dann stellt sich heraus, ein Minister hat das nur aus einem Grant heraus entschieden, weil er schlecht geschlafen hat.

Aber zurück zum Müsli. Im Supermarkt bin ich monatelang bei jedem Besuch um die geschlechtergetrennten Packungen herumgeschlichen wie früher alte Männer, als es noch kein Internet gab, um Pornoläden. Das Männermüsli und das Frauenmüsli waren auf Augenhöhe platziert, das machen die Betreiber nur mit Ware, die viel Reibach verspricht. Nach einiger Zeit war ich mir sicher, dass keine Alarmsirene losgeht, wenn man als Mann ein Frauenmüsli kauft, und griff zu. Ich nahm sicherheitshalber beide Packungen, man weiß ja nie, aber es hat nichts geläutet, keiner hat mich aufgehalten.

Müsli sieht ja immer aus wie die Sägespäne, die unter der Werkbank liegen, wenn ein Tischler eine Tür oder ein Fenster passend gemacht hat. Vielleicht mögen es deshalb viele, weil das dieses Heimatgefühl transportiert, dieses Echte, dieses gabalierartige, das momentan so angesagt ist. Damit dieses Gefühl verstärkt wird, kann man sowohl beim Männermüsli als auch beim Frauenmüsli „fensterln" gehen, es gibt kleine Bullaugen zum Reinschauen. Man darf das Müsli, das Männermüsli und das Frauenmüsli, also schon willkommen heißen, ehe man die Packung geöffnet hat, oder ihm auch zuwinken. Ich empfehle damit zu warten bis man daheim ist.

Das Männermüsli und das Frauenmüsli heißen natürlich nicht Männermüsli und Frauenmüsli, sondern „Kickstart Mueslimen" und „Kickstart Muesliwomen". Wenn man Kickstart so übersetzt wie die ÖVP Newsweek-Artikel, dann heißt das Arschtritt. Frauen bekommen diesen von Packungen mit pinker Aufschrift, Männer mit blauer Aufschrift, das hilft bei der Zuordnung, wenn man nicht so gut Englisch kann, denn die meisten steckten ja schon in Stramplern in diesen Farben.

Frauen in Pink, Männer immer Blau

Das Männermüsli und das Frauenmüsli kosten gleich viel, da hat also das Frauenvolksbegehren schon Wirkung gezeigt, nämlich 1,99 Euro. Das erscheint günstig, allerdings sind in den Packungen jeweils auch nur 85 Gramm Arschtritt drinnen. Das ergibt einen Kilopreis von 23,41 Euro, was für Sägespäne wieder recht viel erscheint, denn um dieses Geld bekommt man schon ein ordentliches Steak, oder, wenn man Veganer ist, 24 Bund Radieschen.

Was sofort auffällt, wenn man dem Müsli – daheim – über das Sichtfenster zuwinkt: Sowohl die Packung Frauenmüsli als auch die Packung Männermüsli ist halbleer, oder wie Optimisten sagen würden halbvoll. Unten also befinden sich die Sägespäne, oben ist Luft. Das aber ist natürlich mitnichten eine Pflanzerei, sondern schlau gedacht, denn man kann das Behältnis gleich als Tasse benutzen und das Müsli mit Milch oder Rahm aufgießen. Das muss man vor allem Männer sagen, denn die lesen so selten Gebrauchsanweisungen wie sie nach dem Weg fragen.

Ich habe im Supermarkt übrigens keine Männermilch oder Frauenmilch gefunden, die Hälfte des Müslis für den Arschtritt am Morgen ist also unisex. Sei's drum.

Warum gibt es keine Männermilch?

Es gibt wirklich relevante Unterschiede zwischen Männermüsli und Frauenmüsli. Das für die Kerle hat (ohne Unisex-Milch) 340 Kalorien, das für die Kerlinnen nur 304 Kalorien. Im „Muesliwomen" ist 6,2 Gramm Fett drin, im „Mueslimen" mehr als doppelt so viel, nämlich 13,2 Gramm. Damit Frauen aber fröhlicher in den Tag kommen, hat ihr Arschtritt 9,7 Gramm Zucker, der für Männer lediglich 8,2 Gramm. Beim Frauenmüsli wurde übrigens dazugeschrieben, dass alle Zutaten aus biologischem Anbau stammen. Bei Männern hat man darauf verzichtet, die lesen das sowieso nicht.

Die Sägespäne für Frauen bestehen größtenteils aus Flocken, also Haferflocken, Gerstenflocken, Dinkelflocken, Weizenflocken. Damit das nach etwas schmeckt, und vielleicht auch wegen der Farbe, hat man gefriergetrocknete Erdbeerstücke (2 Prozent), gefriergetrocknete Sauerkirschen (4 Prozent) und gefriergetrocknete Granatapfelsamen (2 Prozent) dazugetan. Granatäpfeln wird ja eine antioxidantische Wirkung zugeschrieben, sie sind also dystopisch androgyn, außerdem heilen sie alle Krebsarten und lindern Wechselbeschwerden. Wenn man das Müsli regelmäßig isst, spart man sich also die Vorsorgeuntersuchung.

Flocken gibt es auch reichlich im Männerarschtritt und auch gefriergetrocknete Erdbeerstücke (ebenfalls 2 Prozent), dazu aber lediglich gefriergetrocknete Blaubeeren (2 Prozent) und keine Sauerkirschen, als Ersatz aber Feigenwürfel (7 Prozent). Die sind allerdings nur getrocknet und nicht gefriergetrocknet. Vielleicht war das Gerät dafür kaputt.

Will man dem Müsli nicht nur zuwinken, muss man die Packung über eine Lasche öffnen. Das geht recht leicht und ist auch für Männer gut schaffbar. Wenn man dann ins Innere blickt, ganz bis tief hinab, dort wo die Sägespäne sind, dann sieht man im Männermüsli die Blaubeeren und im Frauenmüsli die Sauerkirschen zwischen den Rosinen herausleuchten und man hat den Eindruck als würden sie zurückwinken. Über das Bullauge lässt sich beobachten, wie die Flocken und das gefriergetrocknete Allerlei langsam ersäuft, wenn man etwa Milch dazugibt, das sieht aber sehr ästhetisch aus und gar nicht dystopisch.

Die Milch und die Feststoffe verbinden sich nicht gleich zu einem Brei, so wie ich es erwartet hatte. Es sieht so aus, als könnten sich die beiden nicht gut leiden oder würden fremdeln und deshalb möchte jeder lieber erst einmal für sich bleiben. Ich konnte darauf keine Rücksicht nehmen, denn es wurde nun Zeit, zu den Löffeln zu greifen.

Wenn Sauerkirschen sauer werden

In Momenten des Kostens sprechen die Experten in den Fernsehkochsendungen gerne von „Geschmacksexplosionen". Ich kann mit Sicherheit sagen: Das passiert Ihnen weder beim Männer-, noch beim Frauenarschtritt. Ich will jetzt nicht behaupten, dass die Müslis nach Nichts schmecken, sonst werden die Sauerkirschen noch sauer, aber eigentlich schmecken die Müslis tatsächlich nach Nichts, von dem gefriergetrockneten Zeug, das einem manchmal zwischen die Zähne kommt, einmal abgesehen.

Vielleicht wäre es interessant, jetzt eine Debatte darüber abzuhalten, ob es grundsätzlich schlecht ist, wenn etwas nach Nichts schmeckt, oder ein Vorteil. Ich war jedenfalls schon in Restaurants, da hätte ich meine Rolex dafür gegeben, wenn mir etwas nicht auf die Geschmacksnerven gegangen wäre.

Was bleibt? Männer können das Frauenmüsli und Frauen das Männermüsli gefahrlos konsumieren. Man wird dadurch nicht merkbar femininer, es wachsen umgekehrt auch keine neuen Muskeln an. Geschmacklich gesehen ist Luft nach oben, insofern gaukelt einem die Verpackung hier nichts Falsches vor.

Fazit: Beide Müslisorten, die für Frauen und die für Männer, sind nicht zu süß, sie sind genaugenommen gar nicht süß. Sie sind auch nicht salzig. Oder scharf. Oder Sauer. Sie schmecken eher, wie soll ich es sagen, ohne platt zu wirken – nussig.