Ukraine

"Für unsere Jungs" – Kreml-Kritiker mit Farbe übergosse

Der russische Kreml-Kritiker Dmitri Muratow ist Opfer eines Farbanschlages geworden. Ein Unbekannter bewarf ihn mit Chemiekalien in einem Zug. 

Nikolaus Pichler
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Muratows Medium teilte zwei Fotos ihres Chefredakteurs auf Twitter. 
Muratows Medium teilte zwei Fotos ihres Chefredakteurs auf Twitter. 
Screenshot Twitter

Der russische Friedensnobelpreisträger Dmitri Muratow ist in einem Zug nach eigener Darstellung von einem unbekannten Täter angegriffen und mit roter Farbe überschüttet worden. Die kremlkritische Zeitung "Nowaja Gaseta" veröffentlichte am Donnerstag ein Foto ihres Chefredaktors, dessen Gesicht, Oberkörper und Arme mit roter Ölfarbe überdeckt waren. "Die Augen brennen ganz fürchterlich", teilte Muratow im Kurznachrichtendienst Twitter mit. Eine Reaktion von den russischen Behörden gab es zunächst nicht.

"Nowaja Gaseta" legt Finger in Wunden des Kremls

Der 60-Jährige war demnach im Zug Moskau-Samara, als er von einem Mann angegriffen wurde. "Er schrie: 'Muratow, nimm das für unsere Jungs'", teilte der Journalist weiter mit. Im Zug rieche es nach der Ölfarbe, die Abfahrt verzögere sich. "Ich versuche, es abzuwaschen", berichtete Muratow. Unklar war der konkrete Hintergrund der Attacke – Muratow zeigte auch sein mit roter Farbe vollgespritztes Schlafwagenabteil. Vermutlich gab es einen Zusammenhang mit Russlands Krieg in der Ukraine, bei dem bereits viele Soldaten gestorben sind.

Erst am Donnerstag wurde bekannt, dass Kreml-Gegner die Nobel-Villen am Comer See von TV-Propagandist Wladimir Solowjew angriffen. So schütteten Unbekannte unter anderem blutrote Farbe in den Pool einer der Villen auf Solowjews Anwesen. 

Kurz nach Kriegsbeginn kam es auch zu einem Farbanschlag auf die russische Botschaft in Wien.

Auch das Abteil des Journalisten wurde völlig zerstört. 
Auch das Abteil des Journalisten wurde völlig zerstört. 
Screenshot Twitter

Regierungskritische Journalisten werden in Russland immer wieder Ziel von Anschlägen. Bei der von Muratow geführten Zeitung "Nowaja Gaseta" sind auch Mitarbeiterinnen ermordet worden, wie etwa die Journalistinnen Anna Politkowskaja und Natalja Estemirowa, die durch Schüsse starben. Muratow hatte stets betont, sich nicht einschüchtern zu lassen.

Zeitung muss auf Tabu-Wort verzichten

Das Erscheinen der Zeitung hatte er unlängst wegen des Drucks von russischen Behörden bis zur Beendigung des Krieges in der Ukraine vorübergehend eingestellt. Muratow hatte den Krieg von Kremlchef Wladimir Putin gegen die Ukraine öffentlich kritisiert.

Die Zeitung hatte nach Erlass eines neuen Gesetzes zur Einschränkung der Presse- und Meinungsfreiheit in Russland darauf verzichtet, von einem "Krieg" zu schreiben. Das Wort ist im Zusammenhang mit der Invasion in die Ukraine geächtet in Russland. Allerdings brachte die "Nowaja Gaseta" zuletzt große Reportagen über das Leid der Menschen im Zuge des Kriegs.

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    Sipa Press / Action Press/Sipa / picturedesk.com

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