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Rackete fordert Aufnahme von Klima-Flüchtlingen

Carola Rackete (31) ist die derzeit berühmteste Kapitänin der Welt. Jetzt gab die Frau, die 53 Flüchtlinge im Mittelmeer rettete, ein Interview.

Heute Redaktion
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Verbrecherin oder Vorbild? Darüber debattiert die Welt seit dem Tag, an dem Rackete 53 aus Libyen kommende Flüchtlinge als Kapitänin der "Sea-Watch 3" im Mittelmeer aus Seenot rettete – und sie nach Wochen des Wartens Ende Juni trotz eines Verbots der Behörden in den Hafen der Insel Lampedusa brachte. Rackete wurde festgenommen, der Hausarrest nach drei Tagen wieder aufgehoben. Gerichte werden nun über den Fall entscheiden.

"Wir haben rechtens gehandelt, davon bin ich überzeugt", sagt Rackete zur "Bild" . Wie bei einem Autounfall müsse man auch hier ganz einfach helfen. "Und das Gesetz sagt außerdem: Wir mussten die Menschen an den nächsten sicheren Hafen bringen – und der heißt Lampedusa! Weder in Libyen noch in Tunesien gibt es sichere Häfen", wird Rackete zitiert. Den medialen Fokus habe sie dabei nie gewollt.

"Am Ende musste ich reagieren"

Immer mehr Menschen würden aber den "Rechtsruck" nicht mehr hinnehmen. Für sie ist es absurd, dass sie die Flüchtlinge nach Libyen oder Tunesien hätte bringen sollen, da es dort keine Asylverfahren gäbe: "Damit würden wir uns strafbar machen." Im wochenlangen Warten hätte die Kapitänin Italien, Malta und Spanien um das Anlegen gebeten, alle hätten abgesagt. "Am Ende musste ich reagieren, weil die Situation an Bord dramatisch war und Menschen hätten sterben können."

Über die rechtlichen Aspekte sollen jetzt "nicht Politiker urteilen, sondern allein Experten". Und: "Dass jemand verhaftet wird, weil Menschen gerettet werden – das geht einfach nicht." Auf die Frage, ob es eine Grenze für die Aufnahme von Flüchtlingen in Europa gibt, sagt Rackete: "Asyl kennt keine Grenze! (...) Wir kommen jetzt zu einem Punkt, wo es 'forced migration' gibt, also eine durch äußere Umstände wie Klima gezwungene Migration. Und da haben wir dann keine Wahl mehr und können nicht einfach sagen, dass wir die Menschen nicht wollen."

"Debatte ist teilweise absurd"

Für Rackete sei die Debatte um die Flüchtlingsaufnahme in Europa "teilweise absurd. Die Zahl an Menschen, die wir aufgenommen haben, ist ja immer noch gering, wenn Sie das mit dem Libanon, Jordanien oder anderen afrikanischen Ländern vergleichen. Man muss das besser erklären und das Thema nicht den rechtspopulistischen Parteien überlassen."

Ein "Limit" für die Aufnahme sieht Rackete in Europa nicht, doch auch daneben müsse man in Afrika mehr helfen, damit sich vor allem der Klimawandel als Fluchtgrund nicht verstärke. Und: Die Menschen müssten raus aus Libyen. "Die EU bezahlt eine libysche Küstenwache, die in Menschenhandel verwickelt ist. Sie bringen die Flüchtlinge dann in Lager, in denen 'KZ-ähnliche' Zustände herrschen. Wir finanzieren also Milizen und Mörderbanden mit EU-Geld", so Rackete. (rfi)