Österreich

Gebürtiger Steirer musste 44 Jahre um Pass kämpfen

Heute Redaktion
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Österreichischer Reisepass. Symbolfoto
Österreichischer Reisepass. Symbolfoto
Bild: picturedesk.com

Der Reisepass ist für Michael Scheucher wohl das schönste Weihnachtsgeschenk. Nach 44 Jahren und langem Ringen mit den Behörden ist der Steirer nicht länger staatenlos.

Es ist ein kleines Wunder: Kurz vor Weihnachten konnte Michael Scheucher auf der Bezirkshauptmannschaft Feldbach seinen Staatsbürgerschaftsnachweis und offiziellen Reisepass in Empfang nehmen – zum ersten Mal in seinem Leben.

Wie die "Kleine Zeitung" berichtet, hat der heute 44-Jährige, der in Graz als Sohn einer Serviererin und eines unbekannten Vaters geboren und als Findelkind abgegeben wurde, nun amtlich bestätigt bekommen, was er schon immer wusste: er ist österreichischer Staatsbürger.

"Ich war so oft davor, aufzugeben und wurde gefragt, warum ich mir das antue. Aber es ist so, wie wenn man eine Wohnung hat, aber kein warmes Wasser", freut sich der Steirer, während er den frisch ausgestellten Pass umklammert.

"Institutionalisierte Diskriminierung"

"Ich war so oft gezwungen, zu tricksen, sobald in Formularen das Feld Staatsangehörigkeit auftauchte", erinnert sich Scheucher. Als er mit dem Fall an die Öffentlichkeit trat, hagelte es Hasspostings, die ihm die Abschiebung wünschten. Nur wohin? Den Verfassern hat der Steirer heute nur noch eines zu sagen: "Ich bin Österreicher und nicht als krimineller Säugling geboren worden", erklärt er auch in Hinblick auf sein Strafregister. Doch in den letzten Jahren hatte er sich bemüht, seine Weste weiß zu halten.

"Ich versuche seit Langem, mein Leben geradezubiegen. Aber ich hätte ein zu 100 Prozent anderes Leben geführt, hätte man mir nicht von Anfang an das Gefühl gegeben, nicht dazu zu gehören."

Es war wahrhaftig eine schwere Geburt. Jahrzehntelang wurden Scheucher von den Behörden immer neue Steine in den Weg gelegt. Die Krux liegt in seiner Familiengeschichte begraben. Schon seine Mutter und Großmutter, die während des Kriegs aus Mähren im heutigen Tschechien nach Österreich flüchten musste, waren staatenlos.

"Was Herr Scheucher erlebt hat, war eine über Jahrzehnte institutionalisierte Diskriminierung. Dabei wäre die rechtliche Lage sonnenklar, sie wurde von Behörden nur nicht angewendet", wird Wegbeleiter und Professor für Öffentliches Recht Joseph Marko im Bericht der "Kleinen Zeitung" zitiert. Der Knackpunkt lag schließlich im Detail. Denn nach einem UN-Übereinkommen, das auch von Österreich 1974 ratifiziert wurde, ist einem Findelkind die Staatsangehörigkeit des Staates zu gewähren, in dessen Hoheitsgebiet es aufgefunden wurde.

Michael Scheucher musste im Dschungel der Behörden wie die Comic-Figuren Asterix und Obelix auf der Suche nach dem "Passierschein A38" sprichwörtlich von Pontius zu Pilatus rennen. (siehe Video unten). Eine Zusammenfassung:

Ein Jahr nachdem Michael Scheucher von seiner Mutter 1974 als Findelkind in einem Heim abgegeben worden war, kam der damals noch kleine Bub zu Pflegeeltern. Mehr als ein Jahrzehnt später, als er als Schüler während einer Klassenfahrt an der Grenze zurückgewiesen wurde, begann die bürokratische Odyssee. Der Pflegevater stellte einen Antrag auf Staatsbürgerschaft, der aber mit der Begründung abgelehnt wurde, die Bezirkshauptmannschaft Feldbach sei der gesetzliche Vertreter. Die suchte 1991 zwar ebenfalls an, doch das Verfahren wurde nach neun (!) Jahren ohne Bescheid eingestellt.

Mittlerweile erwachsen, stellte Scheucher selbst einen Antrag, der 2002 mit Verweis seine Vorstrafen eingestellt wurde. Drei Jahre später dann der Schock: die Behörden teilten dem Steirer mit, er halte sich "illegal" in Österreich auf. Für einen EU-Aufenthaltstitel verheiratete er sich mit der Mutter seiner Tochter.

Staatenloser sollte beweisen, Österreicher zu sein

Ab 2015 folgten die Schreckensmeldungen dann Schlag auf Schlag. Als sich Scheucher in Tschechien die Herkunft seiner Großmutter bestätigen lassen wollte, wurde auf die österreichischen Behörden verwiesen.

2016 wurde der Antrag des 44-Jährigen auf einen Reisepass vom Landesverwaltungsgericht erneut abgewiesen – weil er nicht beweisen konnte, Österreicher zu sein.

Das Verfahren zog in Revision weiter zum Verwaltungsgerichtshof (VwGH), der Ende 2017 feststellte, dass die Ablehnung rechtswidrig war. Der Fall wurde neu aufgerollt. Ein Jahr dauerte es, bis das Landesverwaltungsgericht erneut zu einer Entscheidung kam und feststellte, dass Michael Scheucher als Findelkind österreichischer Staatsbürger sei.

Und wie feiert der Steirer seinen funkelnagelneuen Reisepass? Mit einer Reise nach Tirol – "übers deutsche Eck".

(red)