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Gefangen im Zwang - Wenn das Hirn nicht richtig tickt

Land: D, Genre: Dokumentation

Heute Redaktion
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Bild: Kein Anbieter

Um nicht als verrückt abgestempelt zu werden, versuchen viele ihre Krankheit zu verheimlichen. Nicht ohne Grund. Selbst von Ärzten werden ihre Tics und Zwangsstörungen teils nicht richtig diagnostiziert oder einfach als sonderbare Marotten abgetan. Mit verheerenden Folgen: Aus Scham und Angst vor negativen Reaktionen ziehen sich viele Betroffene komplett aus dem öffentlichen Leben zurück. Die VOX-Dokumentation "Gefangen im Zwang - Wenn das Hirn nicht richtig tickt" gibt Zwangserkrankten und Tourettern eine Stimme. Wann ist die Gesellschaft endlich soweit, sie so zu akzeptieren, wie sie sind? Was passiert mit Menschen, wenn aus harmlosen Marotten plötzlich ausgewachsene Zwangsneurosen werden? Die Dokumentation begleitet unter anderem auch 'mieten, kaufen, wohnen'-Maklerin Hanka Rackwitz. Es gibt kaum eine Handlung, die nicht von ihren Zwängen bestimmt wird. Tag für Tag rauben sie ihr vier bis acht Stunden ihres Lebens - und das seit fast 30 Jahren. In immer wiederkehrenden Ritualen muss sie bis zu 45 Minuten allein ihren Herd überprüfen. Hat sie ihn auch wirklich ausgestellt? Die Kontrolle der Fenster ist für Hanka der reinste Kraftakt und aus Angst vor tödlichen Keimen muss sie ihre Hände dutzende Male mit aggressiven Desinfektionsmitteln reinigen. Die 48-Jährige weiß, dass ihre Ängste unsinnig sind. Doch ihr Verstand hängt in einer immerwährenden Schleife, aus der sie ohne fremde Hilfe nicht mehr herauskommt. Deshalb entscheidet Hanka sich für eine zehnwöchige Konfrontationstherapie. Dort muss sie sich Schritt für Schritt ihren schlimmsten Ängsten stellen. 'Was soll ich denn machen, wenn das nicht hilft?', fragt sich Hanka. Der Weg aus den Zwängen ist lang und beschwerlich. Diese Erfahrung muss auch Torsten (39) machen, der in der Dokumentation von seinem zwanghaften Verhalten berichtet. Er leidet unter komplexen Ordnungs-, Kontroll- und Zeitzwängen. Der Sekundenzeiger diktiert seinen Alltag. Befolgt er seine Zwänge nicht, überkommen ihn Katastrophengedanken. Psychologen sprechen von "Magischem Denken" - einer krankhaften Weiterentwicklung des Aberglaubens. Wir treffen Torsten das erste Mal 2008. Mittlerweile hat er mehrere Therapien hinter sich. Wie geht es ihm heute - zehn Jahre später? Ist es ihm gelungen, seine Zwänge zu besiegen? Wie einen Zwang erleben auch Menschen mit dem Tourette-Syndrom ihre unwillkürlich auftretenden motorischen oder vokalen Tics. Meist bricht die Krankheit in jungen Jahren aus. In der Dokumentation berichtet Jannik (13), wie er mit der Tic-Störung umgeht. Seine ersten Tics bekommt Jannik bereits im Kindergartenalter. Ganz unvermittelt stößt er sonderbare Quieklaute aus. Niemand begreift, warum er das macht. In der Grundschule nehmen seine Tics noch zu. Seine Lehrer wollen ihn nicht mehr unterrichten und schmeißen ihn immer wieder aus dem Klassenraum, obwohl seine Diagnose da schon feststeht: Tourette. Heute hofft Jannik darauf, dass die Tics wie bei vielen anderen Betroffenen mit der Pubertät nachlassen oder vielleicht sogar ganz verschwinden: 'Damit ich endlich mal wieder normal einschlafen kann und normal aufwachen, ohne irgendwelche Zuckungen'. Das Problem: Bis heute gibt es keine wirksame Therapie gegen das Tourette-Syndrom, die zur vollständigen Heilung führt. Doch für Menschen wie Sebastian (27), der unter außergewöhnlich schweren Tics leidet, wurde von den Krankenkassen 2017 ein besonderes Medikament zugelassen: Cannabis. Der Konsum schwächt seine Tics zumindest soweit ab, dass er wieder das Haus verlassen kann.

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