Wien

Geflüchtete: "Am schlimmsten sind die Silvesternächte!"

Viele geflüchtete Menschen werden zum Jahreswechsel an dramatische Ereignisse erinnert. "Die Schreie bleiben im Kopf", weiß auch Viktoria (30).

Yvonne Mresch
Viktoria (30) mit ihren Söhnen. Das Leben, dass sie heute führt, hätte sie sich nie träumen lassen.
Viktoria (30) mit ihren Söhnen. Das Leben, dass sie heute führt, hätte sie sich nie träumen lassen.
Privat/zVg

"Krieg kennt keine Feiertage. Seine Folgen auch nicht.", heißt es in einem Kinospot des Wiener Integrationshauses. Der Hintergrund: Silvester lässt viele geflüchtete Menschen traumatische Ereignisse wieder erleben. Auch bei Viktoria kommen am 31. Dezember schreckliche Erinnerungen wieder hoch.

Flucht in ein neues Leben

Die 30-Jährige flüchtete als Teenager aus Moldawien nach Wien. "Meine Eltern haben sich getrennt und meine Mutter verließ uns. Da fing mein Vater an zu trinken und niemand hat sich mehr um mich gekümmert. Ich bekam schwere Depressionen", erinnert sie sich zurück. "Moldawien ist auch noch ein sehr armes Land", so die junge Frau, die in der Heimat keine Zukunft mehr sah. Gemeinsam mit ihrem Bruder wagte sie die Flucht in ein neues Leben – eine Woche, die sie bis heute nicht vergessen kann.

"Wir hörten, wie Kinder erschossen wurden"

"Darüber zu reden fällt mir immer noch schwer. Wir waren zu Fuß unterwegs, über die Berge, durch die Ukraine nach Polen. An den Grenzen wurde geschossen. Ständig mussten wir laufen und uns in Sicherheit bringen. Wir bekamen mit, wie Erwachsene, aber auch kleine Kinder einfach erschossen wurden. Die Schreie, das Weinen bringe ich bis heute nicht aus dem Kopf", erzählt sie. 

"Manche haben geweint, andere wollten weglaufen"

Bis heute ist die Flucht ein Teil von ihr. Besonders schlimm sind die Silvesternächte. "Die Böller lösen viel in mir aus. Ich habe Angst, kann nicht schlafen. Anfangs war es besonders schlimm, heute steht zumindest mein Mann an meiner Seite", sagt die Mutter von zwei Söhnen, die sich mit ihrem Partner ein Leben in Niederösterreich aufgebaut hat. Viele Jahre lebte sie zuvor im Integrationshaus, wo sie nicht die einzige war, die mit dem Silvesterlärm Probleme hatte. "Ich habe viele junge Syrer und Afghanen kennengelernt. Jeder ging anders damit um. Manche haben geweint, andere wollten immer weglaufen und sich verstecken. Wieder andere wurden aggressiv. Ich wollte einfach nur die Vorhänge zuziehen."

Spendenfeuerwerk statt Böller

"Geflüchtete Menschen können sich in diesen Stunden in die schlimmsten Erlebnisse des Krieges zurückversetzt fühlen" erzählt Alexandra Jachim, Geschäftsführerin des Integrationshauses. Wichtig sei, sich Hilfe zu suchen, wie Psychologin Beate Klocker weiß: "Gegen das Trauma, das einen in die schrecklichen Momente zurückversetzt, kann man alleine kaum ankämpfen und dem schon gar nicht entfliehen.“ Bestimmte Ereignisse können zu sogenannten 'Flashbacks' führen, die Erinnerungen traumatischer Situationen hervorrufen - bis hin zu körperlichen Reaktionen. "Helfen kann hier nur Sicherheit!"

Die Volkshilfe Österreich startete zudem die Aktion "Spendenfeuerwerk" und bittet um Unterstützung – denn zum fröhlichen Feiern braucht es keinen Lärm und Raketen, weiß Geschäftsführer Erich Fenninger: "Zu Silvester wird durch Feuerwerke, Raketen, Böller etc. immer eine große Menge an Feinstaub erzeugt, die mehr ist, als der jährliche Straßenverkehr verursacht. Haus- und Wildtiere leiden durch die Explosionen genauso wie viele Menschen Qualen. Innerhalb von nur fünf Minuten werden ca. zehn Millionen Euro verbrannt, während in Österreich 35 Prozent der hier Lebenden Probleme haben, ihre Kosten zu decken. Das ist für uns unerträglich."

Appell: "Holt euch Hilfe!"

Jahrelange therapeutische Unterstützung macht es Viktoria heute möglich, mit ihrer Geschichte zu leben. Sie appelliert an andere, denen es ähnlich ging: "Holt euch Hilfe, redet mit jemandem. Und versucht einen Ausgleich zu finden, bei mir war es der Sport." Heute hat sie gelernt, mit der Vergangenheit umzugehen, auch wenn sie weiß: "Vergessen kann ich es sowieso nie!"

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