Knapp 96 Jahre nach dem Attentat von Sarajewo sorgt Kaiser-Thronanwärter Franz Ferdinand in Enns für delikaten Gesprächsstoff: Es geht um angebliche - illegitime - Sprösslinge und Nachkommen des lebenslustigen Erzherzogs. Und um detektivische Ahnenforschung in Linzer Archiven.
Sorgsam aufbewahrte Vereinschroniken belegen es: Nach seiner von Kaiser Franz Joseph persönlich verfügten Versetzung zum Dragonerregiment 4 in Enns verpasste Franz Ferdinand (nach dem Tod Rudolphs in Mayerling auch Nachfolger auf den Thron Österreich-Ungarns) keine Chance auf Ablenkung und Vergnügung im Garnisonsstädtchen.
Ballbesuche bis in die frühen Morgenstunden zogen den damals noch ledigen Mittzwanziger ebenso in den Bann wie nächtliches Eistanzen mit wechselnden Begleiterinnen.
Gemeinsame Erholung wurde nicht im Quartier der damaligen Kavalleriekaserne gesucht - sondern in der angemieteten Suite des heutigen Gasthofes Stöckler in Ennsdorf gefunden.
Landesarchiv hilft bei der Ahnenforschung
Noch Jahrzehnte später bewahrte Katharina G. aus Enns ein parfümiertes, besticktes Seidentaschentuch als Erinnerung an eine Eislaufnacht auf. Die Nachkommen einer alteingesessenen Braumeisterfamilie wiederum verweisen sogar auf einen Spazierstock samt graviertem Elfenbein-Knauf als persönliches, erzherzögliches Präsent
Die einzige Hinterlassenschaft des k. u. k. Thronfolgers? In der heute 11.000 Einwohner zählenden Stadt Enns kursieren weiterhin Gerüchte über lebende Nachfahren in dritter und vierter Generation.
Aufschluss und Hilfe könnte das oö. Landesarchiv bieten. Im Februar starteten die Landes-Historiker spezielle Kurse für Hobby-Ahnenforscher. Projektleiter Gerhard Steininger: Wir geben Hinweise und Tipps, wo und wie zielführende Quellen erschlossen werden können. Heuer nutzten bereits 150 Kursbesucher diese Angebot. Im Herbst gehts weiter.
Carlo Korosa
