Welt

Gesunde Frau (53) lebt freiwillig im Rollstuhl

Jørund Viktoria Alme aus Norwegen ist zwar körperlich gesund, sieht sich aber als Mensch mit Behinderung. 

20 Minuten
Die 53-Jährige bei der norwegischen TV-Sendung «God morgen Norge».
Die 53-Jährige bei der norwegischen TV-Sendung «God morgen Norge».
TV 2 God morgen Norge / Bjarte Ragnhildstveit

Vor dem Gedanken, ein Leben lang in einem Rollstuhl zu sitzen, fürchtet man sich normalerweise. Die 53-jährige Trans-Frau Jørund Viktoria Alme nicht. Obwohl sie körperlich gesund ist, begann sie vor fünf Jahren, einen Rollstuhl zu benutzen. In einem Interview in der norwegischen TV-Sendung "God morgen Norge" erklärte sie, dass sie sich nicht als gesunde Person sieht. Vielmehr identifiziert sie sich mit der Rolle einer Frau, die von der Hüfte abwärts gelähmt ist.

Wunsch nach Behinderung schon als Kind

Schon als Kind sehnte sich die leitende Kreditanalystin einer Handelsbank in Oslo nach einer körperlichen Behinderung. Wenn jeweils ein Mitschüler mit Krücken in die Schule kam, verursachte das bei ihr ein Kribbeln. "Mein Herz klopfte, mein Puls erhöhte sich, ich verspürte den Drang, an seiner Stelle sein zu wollen", sagte sie in der TV-Show weiter. Als sich Alme vor fünf Jahren zum ersten Mal in einen Rollstuhl setzte, veränderte dies ihr Leben. "Ich wusste nicht, was er bewirken würde, aber ich hatte ein Aha-Erlebnis, als ich in diesem Stuhl saß."

Alme hat eine Identitätsstörung

Die Norwegerin weiß heute, dass sie eine sogenannte Körperintegritäts-Identitätsstörung hat. Die Diagnose wird gestellt, wenn Menschen einen krankhaften Wunsch haben, eine körperliche Behinderung wie beispielsweise eine Querschnittslähmung zu haben. "Es ist eine kognitive Dissonanz: So wie ich mich als Frau im Körper eines Mannes fühle, empfinde ich, dass ich von der Taille abwärts hätte gelähmt sein müssen. Es ist nicht mein Wunsch, der Gesellschaft zur Last zu fallen. Der Rollstuhl ist für mich ein Hilfsmittel, um im Alltag zu funktionieren."

Body Integrity Identity Disorder (BIID; Körperintegritäts-Identitätsstörung) heißt die Störung, bei der sich Menschen wünschen, dass ein Arm, ein Bein oder alle Gliedmaßen verschwinden, weil sie sich fremd anfühlen, wie störende Anhängsel des Körpers. Laut Psychologen fantasieren oder simulieren die Betroffenen die entsprechende Behinderung. Nur in Einzelfällen kommt es tatsächlich zu schweren Selbstverletzungen oder medizinisch nicht begründeten Operationen. Eine ursächliche Behandlung ist derzeit nicht bekannt. Psychotherapie kann das psychische Leid jedoch mindern.

Wenn ihre Beine vollständig ruhen könnten, werde die Körperintegritäts-Identitätsstörung nicht mehr ausgelöst, sodass sie ihre Ressourcen für andere Dinge nutzen könne. Sie benutze auch keine Parkplätze für Menschen mit einer Behinderung, weil sie in ihrer Situation keine Verwendung dafür habe.

Unverständnis auf Social Media

Ihre Geschichte löste Empörung auf Twitter aus. Vor allem Rollstuhlfahrer haben kein Verständnis für die 53-Jährige. "Ich habe unerträgliche Schmerzen mit Wirbelsäulen- und neurologischen Schäden. Das ist kein Scherz, für mich ist das eine Verhöhnung von mir und anderen, die schrecklich gelitten haben."

Der deutsche AfD-Politiker Georg Pazderski meinte, dass Alme in vergangenen Zeiten "in der Psychiatrie gelandet wäre". Andere zeigten aber auch Verständnis für die Norwegerin. "Es steckt eine Diagnose dahinter! Psychische Krankheiten sind real, auch wenn sie manchmal völlig unverständlich erscheinen." Ein weiterer Nutzer meinte: "Daran ist für mich nichts Provokantes. Wenn ein Rollstuhl bei psychischen Störungen helfen kann, macht mich das einfach glücklich. Jeder hat ein Recht auf körperliche und geistige Unversehrtheit."

1/57
Gehe zur Galerie
    <strong>19.04.2024: Tragödie bei Sabitzer – Sohn seiner Verlobten tot!</strong>&nbsp;Schreckliche Nachrichten aus Deutschland. Katja Kühne, TV-Star und Verlobte von BVB-Star Marcel Sabitzer, trauert um ihren erwachsenen Sohn Lucas. <a data-li-document-ref="120031870" href="https://www.heute.at/s/tragoedie-bei-sabitzer-sohn-seiner-verlobten-tot-120031870">Die ganze Story hier &gt;&gt;&gt;</a><a data-li-document-ref="120031584" href="https://www.heute.at/s/sexsuechtiger-aus-wien-hatte-seit-2018-keinen-sex-mehr-120031584"></a>
    19.04.2024: Tragödie bei Sabitzer – Sohn seiner Verlobten tot! Schreckliche Nachrichten aus Deutschland. Katja Kühne, TV-Star und Verlobte von BVB-Star Marcel Sabitzer, trauert um ihren erwachsenen Sohn Lucas. Die ganze Story hier >>>
    Sven Hoppe / dpa / picturedesk.com
    Mehr zum Thema