2.785 Betretungsverbote in NÖ

Gewalt in eigenen vier Wänden steigt an

Im Vorjahr wurden 2.785 Betretungs- und Annäherungsverbote ausgesprochen - ein Plus von acht Prozent gegenüber dem Jahr 2022.

Niederösterreich Heute
Gewalt in eigenen vier Wänden steigt an
Close-up Of A Man Threatening Woman By Showing His Fist
Getty Images/iStockphoto

Gewalt in den eigenen vier Wänden ist in Niederösterreich ein immer größer werdendes Thema. Im Vorjahr wurden 2.785 Betretungs- und Annäherungsverbote ausgesprochen. Laut Landespolizeidirektor Franz Popp liegen ein Plus von knapp acht Prozent gegenüber 2022 und "eine kontinuierliche Entwicklung nach oben" vor. Hervorgestrichen wurde bei einer Pressekonferenz gemeinsam mit dem Gewaltschutzzentrum NÖ und dem Verein Neustart die Bedeutung der Sensibilisierungsarbeit.

Seitens der Exekutive wurden im Vorjahr im Zusammenhang mit Gewalt in der Privatsphäre mehr als 18.300 dokumentierte Stunden aufgewendet. Nach dem ersten Einschreiten folgen in vielen Fällen - grundsätzlich auf freiwilliger Basis - Opferkontakt- und Gefährdergespräche. Beides sei "sehr zeitintensiv", sagte Franz Popp am Dienstag in St. Pölten. Im Bundesland stehen dafür 215 besonders geschulte Beamte zur Verfügung, weitere 25 sollen ab Oktober ausgebildet werden. "Stark intensiviert" worden seien die sicherheitspolizeilichen Fallkonferenzen, 68 davon wurden 2023 abgehalten.

Mai Gewaltmonat Nummer 1

Aufs Jahr verteilt gab es zuletzt im Mai mit 292 Betretungs- und Annäherungsverboten eine Spitze, zuvor lag der Peak ebenfalls stets rund um die warme Jahreszeit. Eine Erklärung dafür gibt es Popp zufolge nicht, mutmaßlich sei dieses Faktum dem Beginn "diverser Festivitäten" und damit einhergehendem vermehrten Alkoholkonsum geschuldet.

Das Gewaltschutzzentrum Niederösterreich betreute 2023 exakt 4.056 Personen (2022: 3.780), etwa drei Viertel davon waren weiblich. Geschäftsführerin Michaela Egger skizzierte häusliche Gewalt als "gesamtgesellschaftliches Phänomen", es gehe um "die Unterbrechung der Gewaltspirale" zwischen den Akteuren. Weltweite Unsicherheiten tragen Egger zufolge dazu bei, dass es auch "in der kleinen Einheit Familie" zu Stress komme. Die Vorfälle in Beziehungsverhältnissen würden dabei oftmals an Häufigkeit und Schwere zunehmen: "Und wir wissen auch, häusliche Gewalt kann tödlich enden."

Online-Stalking

Als "große Herausforderung" wurde von Michaela Egger das Stalking im Online-Bereich bezeichnet. Hier gebe es "ordentlichen Schulungsbedarf", weil "diese Gewaltform neu ist" und "die Gefährder uns meistens einen halben Schritt voraus sind".

Die größere Gefahr lauert nicht auf der Straße, sondern zumeist in den eigenen vier Wänden.
Alexander Grohs
Leiter von Neustart Niederösterreich und Burgenland,

Alexander Grohs, Leiter von Neustart Niederösterreich und Burgenland, charakterisierte Österreich als sicheres Land mit einer Problematik hinsichtlich häuslicher Gewalt. "Die größere Gefahr lauert nicht auf der Straße, sondern zumeist in den eigenen vier Wänden." Auch bei Neustart, der Beratungsstelle für Gewaltprävention, gibt es eine klare Geschlechterverteilung. Von den 2.543 im vergangenen Jahr zugewiesenen Personen waren 90 Prozent männlich. Positiv zu vermerken sei, dass sich 71 Prozent der Gefährder binnen fünf Tagen nach Ausspruch eines Betretungs- und Annäherungsverbots melden und einen Ersttermin vereinbaren. Mit Nachmeldungen steige dieser Wert auf 85 Prozent. "Die wenigsten Gewalttäter wollen Gewalttäter sein", ein Hemmschuh seien aber noch immer vorkommende patriarchale Strukturen und Haltungen.

In Österreich finden Frauen, die Gewalt erleben, unter anderem Hilfe und Informationen bei der Frauen-Helpline unter: 0800-222-555, www.frauenhelpline.at; beim Verein Autonome Österreichische Frauenhäuser (AÖF) unter www.aoef.at; der Wiener Interventionsstelle gegen Gewalt in der Familie/Gewaltschutzzentrum Wien: www.interventionsstelle-wien.at und beim 24-Stunden Frauennotruf der Stadt Wien: 01-71719 sowie beim Frauenhaus-Notruf unter 057722 und den Österreichischen Gewaltschutzzentren: 0800/700-217; Polizei-Notruf: 133)

Auf den Punkt gebracht

  • Im Vorjahr wurden in Niederösterreich 2.785 Betretungs- und Annäherungsverbote ausgesprochen, was einem Anstieg von acht Prozent im Vergleich zu 2022 entspricht
  • Die Gewalt in den eigenen vier Wänden wird als zunehmendes Problem betrachtet, mit besonderem Fokus auf die Sensibilisierungsarbeit und die Zeit, die von der Exekutive in Bezug auf häusliche Gewalt aufgewendet wurde
red
Akt.