Wirtschaft

Glücksspiel-Novelle sorgt für Aufregung in Branche

Heute Redaktion
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Das Steuerpaket bringt die Glücksspielbranche und fürs Zocken zuständige Stellen in helle Aufregung. Illegales Automatenspiel soll nämlich künftig im Zweifel von Verwaltungsstrafbehörden und nicht von ordentlichen Gerichten verfolgt werden. Kritiker sehen eine Aushebelung des Strafrechts, das dafür bis zu sechs Monate Haft vorsieht. Ein Strafrechtsexperte nennt die Änderungen ungewöhnlich.

Illegales Glücksspiel kann momentan sowohl gegen das Verwaltungsstrafrecht (GSpG §52) als auch gegen das gerichtliche Strafrecht (StGB §168) verstoßen. Da es aber in Österreich ein Doppelbestrafungsverbot gibt, will die Regierung im Zweifelsfall den Verwaltungsstrafbestimmungen im Glücksspielgesetz Vorrang vor Polizei und Justiz einräumen. So steht es im Entwurf zum Abgabenänderungsgesetz, der kommende Woche durch den Ministerrat soll.

Konkret hieße das, dass Betreiber von illegalen Automaten und dergleichen "nur" mehr mit einer Geldstrafe von bis zu 60.000 Euro zu rechnen haben, so wie es die entsprechende Bestimmung im GSpG vorsieht. Das Strafgesetzbuch hingegen würde Veranstalter von illegalem Glücksspiel strenger bestrafen, und zwar mit maximal einem halben Jahr Gefängnis bzw. einer Strafe von bis zu 360 Tagsätzen.

Regierungsvorhaben "ungewöhnlich"

Das Vorhaben der Gesetzgeber hat bereits die niederösterreichische Landesregierung sowie den Verfassungsdienst des Bundeskanzleramts auf den Plan gerufen. Sie vermissen eine sachliche Rechtfertigung für diese Ungleichbehandlung, wie sie in ihren Stellungnahmen schreiben.

Auch der Wiener Strafrechtsexperte Alexander Tipold hält das Ansinnen der Regierung für "ungewöhnlich". In den meisten solchen Fällen gebe es in Verwaltungsgesetzen eine Subsidiaritätsklausel, die festlege, dass im Zweifel das gerichtliche Strafrecht Vorrang habe. "Üblicherweise geht man davon aus, dass das gerichtliche Strafrecht mehr Gewicht hat", so Tipold, Professor am Institut für Strafrecht und Kriminologie der Uni Wien.

Geringe Anzahl von Strafen

Wenngleich in der Praxis kaum jemand wegen Glücksspiels ins Gefängnis muss. Im Jahr 2012 gab es überhaupt nur zwei Verurteilungen nach § 168 StBG, in beiden Fällen wurde eine unbedingte Geldstrafe verhängt. Im Jahr davor fassten sieben Männer Geldstrafen aus, in zwei Fällen wurde eine Freiheitsstrafe (einmal bedingt, einmal unbedingt) verhängt, geht aus der gerichtlichen Kriminalstatistik hervor. Anzeigen gab es da schon mehr: 2011 59 und 2012 83, wie es aus dem Bundeskriminalamt hieß.

Ob die Geldstrafen künftig höher oder niedriger ausfallen, ist nicht genau vorhersehbar. Ein "Tagsatz" im Strafgesetzbuch entspricht nämlich keinem bestimmten Betrag, sondern richtet sich nach der Einkommenshöhe. Und: Je "schlimmer" das Vergehen, desto mehr Tagsätze setzt es. "Eine Verwaltungsstrafe kann durchaus für die Geldbörse unangenehmer sein", erläuterte Tipold. Denn im Verwaltungsstrafrecht gilt, im Gegensatz zum Strafrecht, das Kumulationsprinzip: Wer auf einer 300 Kilometer langen Strecke zehnmal geblitzt wird, muss zehnmal zahlen.

Streit um Zuständigkeit tobt schon länger

Genau das fürchtet nun die Schutzvereinigung der österreichischen Automatenwirtschaft. "Unter dem Deckmantel der Spezialitätenregel" werde versucht, die im Verwaltungsstrafgesetz vorgesehenen Begrenzungen auszuhebeln, was zu "existenzbedrohenden" bzw. "Ersatzstrafen in mehrfacher Lebenslänge" führe, wie der Verband in seiner Stellungnahme schreibt. Die zuständigen Verwaltungsgerichte sehen jedenfalls schon einiges an zusätzlicher Arbeit auf sie zurollen. Der Verwaltungsgerichtshof und das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich sowie die Vereinigung der Finanzrichter fordern wegen der Mehrbelastung in ihren Stellungnahmen mehr Ressourcen.

Der Zuständigkeitenstreit tobt beim Glücksspiel schon länger. In den vergangenen Jahren hat es immer wieder Zoff darüber gegeben, ob bei Razzien in Automatensalons die "echte" Polizei oder die im Finanzpolizei (Soko Glücksspiel) ausrücken soll. Letztere sah sich auch mit vielen Amtsmissbrauchsklagen von Betroffenen konfrontiert. Wenn es um die Verwaltungsebene geht, fände es das Land Niederösterreich klüger, die Zuständigkeit bei der Finanzpolizei zu belassen, anstatt sie auf Landesbehörden (Bezirksverwaltungsbehörden und Landesverwaltungsgericht) überzuwälzen, wie das jetzt geplant ist.