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Das sind die Favoriten für die Goldene Palme

Ein starkes Festival-Line-up macht die Vergabe des Filmpreises heuer besonders spannend. Die besten Chancen haben Beiträge aus Korea und Hollywood.

Heute Redaktion
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Die Cannes-Jury um den Regie-Star und Oscar-Preisträger Alejandro González Inárritu steht am Samstag, vor einer schweren Aufgabe: Sie muss die Gewinner der Goldenen Palme und der anderen Festival-Preise bestimmen. Das wird deswegen schwer, weil die Juroren einen ausgesprochen guten Jahrgang hochklassiger Filme vorgesetzt bekamen. Viele der 21 Produktionen im Wettbewerb hätten einen Preis verdient.

Kampf gegen Zombies

Die Qual der Wahl beginnt schon damit, dass sich dieses Jahr drei Schwergewichte des US-Kinos mit starken Filmen der Konkurrenz stellten: Jim Jarmusch, Terrence Malick und Quentin Tarantino.

Jim Jarmusch bescherte den 72. Filmfestspielen von Cannes einen coolen und heiter-makabren Start. Seine Zombie-Komödie "The Dead Don't Die" mit Bill Murray und Adam Driver liefert gute Unterhaltung mit tieferer (politischer) Bedeutung, wobei man sich rasch daran gewöhnt, dass unentwegt kampfbereite Untote durchs Bild stürmen.

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Auflehnung gegen Nazis

Terrence Malick lieferte mit "A Hidden Life", seiner Erzählung über den österreichischen Nazi-Gegner Franz Jägerstätter, für viele Beobachter den besten Film des ganzen Wettbewerbs ab. Doch es gibt auch Beobachter, die den mystisch-schwärmerischen Stil dieses großen Film-Essayisten nicht schätzen.

Kultiges über Hollywood

Quentin Tarantino wiederum sorgte mit seinen Stars Brad Pitt, Leonardo DiCaprio und Margot Robbie für den stärksten Promi-Rummel des Festivals. Sein neuer Film "Once Upon A Time… In Hollywood" wurde stürmisch umjubelt, aber auch wegen so mancher Längen kritisiert.

Favorit aus Korea

Wird es für einen der drei Granden, die alle schon hohe Auszeichnungen aus Cannes besitzen, für die Goldene Palme reichen? Nicht unbedingt. Geht es nach der Journalisten-Jury des Magazins Screen International, der zehn Kritiker aus aller Welt angehören, so liegt kurz vor Schluss ein Film aus Korea vorn. Regisseur Bong Joon-Ho begeisterte (nicht nur) die Presse mit der ultraschwarzen Komödie "Parasite", in der eine arme Familie auf krummen Wegen das Kommando bei einer sehr reichen Familie übernimmt. "Parasite" wird sicher auch in unseren Kinos seinen Weg machen: Ein sehr deftiger Filmgenuss.

Spanisches Biopic und französischer Geheimtipp

Den zweiten Rang in der Screen-Wertung belegen ex aequo zwei Filme aus Europa. Spaniens Kultregisseur Pedro Almódovar gewährt im autobiografisch geprägten Drama "Dolor y Gloria" tiefe Einblicke in sein eigenes Leben, wobei die Rolle des Filmemachers von Antonio Banderas und die seiner Mutter von Penélope Cruz gespielt wird. Es entstand ein typischer Almódovar-Film mit vielen Charakteren am Rande des Nervenzusammenbruchs, auf den sich die große Fangemeinde des Spaniers schon freuen darf.

Die Französin Céline Sciamma erzählt in "Portrait Of A Lady On Fire" die Liebesgeschichte zwischen einer Malerin (Noémie Merlant) und einer jungen Adeligen (Adèle Haenel). Die Romanze, die im 18. Jahrhundert spielt, gilt mit ihren fein gezeichneten Figuren und klugen Dialogen als Geheimtipp für die Goldene Palme. Sollte der Hauptpreis des Wettbewerbs dieses Jahr an eine Frau gehen, so würde das gut zur Linie des früher so männerdominierten Festivals passen, den Frauenanteil deutlich zu vergrößern.

Kleine Chance für Beitrag aus Österreich

Zu den vier Regisseurinnen, die einen Startplatz im Rennen um die Goldene Palme bekamen, zählt auch die Wienerin Jessica Hausner, deren Science-Fiction-Psycho-Thriller "Little Joe" sehr positiv aufgenommen wurde. Mit einem Preis rechnet die Wettbewerbs-Novizin freilich nicht: "Jetzt genieße ich erst einmal die Zeit in Cannes und schaue, wie dem Publikum mein Film gefällt", sagte sie im Interview mit "Filmclicks.at". "Vielleicht bin ich erst mit meinem nächsten oder übernächsten Film bereit für einen der großen Preise bei einem Festival."

Doch wer weiß? Festival-Jurys sind berühmt-berüchtigt für ihre Unberechenbarkeit. Es kann Gold für einen der Favoriten geben – aber auch für einen kleinen Film, den niemand auf der Rechnung hat. In diesem Jahr ist die Cannes-Jury (vier Männer und vier Frauen) jedenfalls sehr massiv mit Regisseuren besetzt. Außer dem Präsidenten Alejandro González Inárritu zählen auch Alice Rohrwacher und Kelly Reichardt, Yorgos Lanthimos und Pawel Pawlikowski zur Gilde angesehener Filmemacher. Elle Fanning ist die einzige US-Schauspielerin im Gremium.

Gute Aussichten

Ganz egal, wer am 25. Mai die Goldene Palme überreicht bekommt: Cannes wurde dieses Jahr mit vielen herausragenden Produktionen einmal mehr seinem Ruf gerecht, das wichtigste Filmfestival der Welt zu sein. Den Kinogängern stehen etliche spannende, kontroversielle und unterhaltsame Abende bevor, wenn diese Filme in den kommenden Monaten bei uns anlaufen.

Gunther Baumann, Filmclicks