Wien

Wiener Grüne fordern Gratis-Öffis für alle

Mit einem neuen Maßnahmenpaket wollen die Grünen der Corona-gebeutelten Wirtschaft und dem Klima helfen. Und fischen dabei in "Roten Teichen". 

Louis Kraft
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Wiener U-Bahn: Kommt das Öffi-Gratis-Ticket
Wiener U-Bahn: Kommt das Öffi-Gratis-Ticket
apa/Picturedesk

"Wien steht aktuell vor zwei großen Krisen, die eng zusammenhängen und deshalb auch gleichzeitig angegangen werden müssen. Denn wer eine Corona-gepeinigte Wirtschaft einfach nur "wiederaufbaut", der rast mit Vollgas auf den Klimakollaps zu. Und wer sich nicht um die Menschen kümmert, die Corona wirtschaftlich getroffen hat, der riskiert, dass die Wirtschaft kollabiert", erklärt VIzebürgermeisterin und Klimastadträtin Birgit Hebein (Grüne).

Gemeinsam mit Gemeinderat Peter Kraus, der Sozialexpertin und künftigen Nummer 3 auf der Wahlliste der Wiener Grünen Wien Judith Pühringer und Klubobmann David Ellensohn stellte sie am Mittwoch im "Light House" des Haus des Meeres (Marihilf) ein Konjunkturpaket vor, dass sowohl das Klima schützen als auch die Beschäftigung ankurbeln soll.

Investitionen in die Klimahauptstadt

MIt sieben Maßnahmen wollen die Grünen stärken, was Wien stark macht und verbessert, wo es geht. Drei Maßnahmen beziehen sich auf die Klimahauptstadt Wien, vier Maßnahmen auf die Sozialstadt Wien. 

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365 Tage gratis Öffis für alle Wiener

Um sowohl die Wiener als auch das Klima zu entlasten, wollen die Wiener Grünen allen Wienerinnen und Wiener ein Jahr lang das Gratisfahren in Wiens Öffis ermöglichen. Für Jahreskartenbesitzer soll die Jahreskarte um ein Jahr verlängert werden. "Damit entlasten wir die Wieneinnen und Wiener in der Krise um bis zu 365 Euro und stärken den Konsum. Gleichzeitig schaffen wir einen Anreiz, auf klikmafreundliche öffentliche Verkehrsmittel umzusteigen", so Hebein.

Dafür gebe es auch internationale Beispiele, etwa die Hauptstadt Estlands Tallin oder Luxenburg, die bereits Gratis-Öffis hätten. Nach dem ersten Jahr der Einführung der Gratis-Öffis soll die Maßnahme evaluiert werden, danach soll entschieden werden, wie es weitergeht.

Die für die Wiener Öffi zuständige Stadträtin Ulli SIma (SPÖ) winkt in einer ersten Reaktion auf den Vorschlag bereits ab: "Die Forderung ist völlig unrealistisch und ein reiner Wahlkampfgag". In Wien gebe es mit dem 365-Euro-Ticket jetzt schon eine im Europavergleich sehr günstige Jahreskarte. Gebe man diese gratis aus, wären die Kosten nicht nur wegen des Entfalls der Einnahmen enorm, sondern auch wegen der dann nötigen Investitionen. "Das würde auch eine massive Steigerung der Nachfrage bedeuten, man müsste neue Fahrzeuge kaufen." Der Ausbau der Kapazitäten würde Milliarden kosten, warnt Sima. Dies benötige auch eine jahrelange Vorlaufzeit.

Wenn es den Grünen ein derart großes Anliegen sei, dann könnte die für die ÖBB zuständige Ministerin Leonore Gewessler (Grüne) ja die Schnellbahn in Wien zunächst einmal kostenlos betreiben.

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Fünf neue Bezirke als Klimaschutzgebiete

Um den Plan, Österreich bis 2040 klimaneutral zu machen, wollen sich die Grünen vor allem zwei Bereiche vornehmen: den Sektor Wärme und den Verkehr. Der Sektor Wärme (Heizen, Warmwasser) habe einen Anteil von 42% am Endenergieverbrauch in Wien. Auf dem Weg zur Klimahauptstadt spiele er für die Stadtentwicklung eine wichtige Rolle, so die Grünen. "Vor wenigen Wochen haben wir die ersten Klimaschutzgebiete für drei Wiener Bezirke beschlossen. Diese Klimaschutzgebiete sind Zonen, in denen künftig kein Öl, kein Gas für Heizen und Warmwasser mehr verwendet wird. Wir wollen noch vor der Wien Wahl, also noch im September, fünf weitere Bezirke als neue Klimaschutzgebiete im Planungsausschuss behandeln. Bis 2021 sollen alle Wiener Bezirke Klimaschutzgebiete werden", betont Hebein.

In Zukunft sollen Klimaschutzgebiete auch für bestehende Gebäude gelten. Stadtteil für Stadtteil soll Wien nach den Grünen Plänen so aus dem fossilen Zeitalter aussteigen und gleichzeitig ein riesiges Konjunktur- und Beschäftigungsprogramm starten. 

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Wien soll jeden Klima-Euro des Bundes verdoppeln

"Die Bundesregierung hat eine Klimaschutzmilliarde für ganz Österreich für die Jahre 2021 und 2022 an den Start gebracht. Wir wollen, dass die Stadt Wien jeden Euro, der von dieser Milliarde nach Wien kommt, verdoppelt", fordern die Wiener Grünen. Investiert werden soll vor allem in die Gebäude-Sanierung, den Ausbau der Fernwärme und dezentraler Wärme sowie in E-Mobilität und Ladeinfrastruktur und erneuerbare Energien. 

Die Stadt der Zukunft müsse eine sein, die vorausschauend plant: kurze Wege und Mobilität als Service, wenn Menschen von A nach B, müssen, müssten sie das passende ökologische Verkehrsmittel wie Öffis, Rad oder Carsharing vorfinden. 

Investitionen in die Sozialstadt

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35-Stunden-Woche für alle Beschäftigten der Stadt Wien

Die Wiener Grünen wollen die Beschäftigtenzahlen der Stadt von 65.000 Beschäftigten der Stadt Wien um 7.000 neue Jobs ergänzen. Gelingen soll das mit einer 35-Stunden-Woche mit gleichem Gehalt. "Damit entlasten wir die, die Tag für Tag diese Stadt am Laufen halten. Das sind vor allem Frauen. Allein in den städtischen Kindergärten arbeiten 97 Prozent Frauen, in der Pflege sind es 82 Prozent, in der Verwaltung 73 Prozent", erklären die Grünen

Die 35-Stunden-Woche bedeute für die Mitarbeiter de facto eine Gehaltserhöhung. Bei den 7.000 neuen Jobs, die dadurch geschaffen werden, soll der Fokus auf den Erwerbseinstieg von jungen Menschen und älteren Beschäftigten gelegt werden.

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Schaffung von Sozialbetrieben

Die Corona-Krise habe viele Wiener arbeitslos gemacht, die nur noch wenige Jahre bis zur Pension hätten, aber noch die volle Power haben. Diese Potential wollen die Grünen für die Stadt nutzen. "Wir brauchen jetzt so viel Power wie möglich, um Wien für die Klimakrise zu rüsten: Um Grünflächen anzulegen, um Grätzelzentren aus dem Boden zu stampfen und zu managen – und um die öffentlichen Gebäude zu sanieren und zu dämmen", so Hebein. Der Grüne Plan sieht eine Beschäftigung der MItarbeiter in neuen Sozialbetrieben vor, finanziert werden diese von der Stadt. 

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Kreislaufwirtschaft nützt dem Klima und Arbeitsmarkt

Bei Investitionen der Stadt, etwa bei Schulsanierungen oder der Neugestaltung von Grätzln, wollen die Grünen sicherstellen, dass das Geld auch die soziale Corona-Krise dämpft. Und so soll es funktionieren: "Die Stadt kann soziale und Klima-Kriterien in jedes Vergabeverfahren aufnehmen. So kommen die Investitionen der Stadt Wien sozialen Betrieben und Initiativen zugute. Jeder Euro, den die Stadt Wien investiert, kann die Arbeitslosigkeit und den Klimakollaps bekämpfen. So macht die Stadt Wien Klimapolitik für morgen. Und schafft heute Jobs", argumentieren die Grünen.

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Wien soll "Viertelstunden-Stadt" werden

Eine Lehre, die die Grünen aus Corona ziehen, ist, dass es nötig sei, Produkte und Waren für das Überleben in unmittelbarer Nähe zu haben. Daher wollen die Grünen Masken und Medikamente künftig lieber selbst statt am "anderen Ende der Welt" produzieren. Auch kritische Infrastruktur müsse nahe an den Wohnungen der Wiener statt am anderen Ende der Stadt liegen, dazu zählen die Grünen etwa Ärzte, Apotheken, Schulen, Märkte, Pflegeberatung und Grätzel-Zentren. Idealerweise soll alles Nötige innerhalb einer 15 Minuten Gehzeit liegen.