Österreich

Grazer Amokfahrer: Auftakt vor Gericht

Heute Redaktion
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Am Dienstag hat am Grazer Straflandesgericht der Prozess gegen Alen R. begonnen - er hatte im Vorjahr bei seiner Amokfahrt durch die steirische Landeshauptstadt drei Personen getötet und Dutzende teils schwer verletzt. Jetzt geht es um die Frage: War der Amokfahrer zurechnungsfähig?

Am Dienstag hat am Grazer Straflandesgericht der Prozess gegen Alen R. begonnen - er hatte im Vorjahr bei seiner Amokfahrt durch die steirische Landeshauptstadt . Jetzt geht es um die Frage: War der Amokfahrer zurechnungsfähig?
"Sein Gesicht war zu einer lachenden Fratze verzerrt", berichteten Zeugen später von jenem Tag, als der 27-Jährige am Steuer eines SUV die Grazer City in ein Schlachtfeld verwandelte. Am Dienstag Morgen erschien er vor Gericht, im weißen Anzug und war kaum wieder zu erkennen - mit braunem, kurz geschnittenem Haar, Brille, schwarz-weißen Sneakers. Er entschuldigte sich beim Prozess-Auftakt für die Amokfahrt, blieb äußerlich aber emotionslos, berichtet "Heute"-Redakteurin Sandra Kartik. 

Gas und Bremse verwechselt?

Der Amokfahrer wurde am Vormittag drei Stunden lang vernommen. Er blieb bei seiner bisherigen Aussage, verstrickte sich aber auch in Widersprüche. Er habe während der Fahrt Schüsse gehört, sei deshalb in Panik geraten. "Ich habe die Kontrolle über das Fahrzeug verloren", so der gebürtige Bosnier - auch, wenn auf dem  Er könne sich nicht an die Fahrt erinnern, habe wohl einmal das Gas- und Bremspedal verwechselt.

Er sei an dem Tag durch die Herrengasse gefahren, weil er den kürzesten Weg zur Polizeistation nehmen wollte - er habe sich schließlich verfolgt gefühlt. Auf einem Video, das ihn bei der ersten Vernehmung nach der Tat zeigt, plaudert der Mann ohne Emotionen über sein missglücktes Leben, darüber, dass er von Kindern gehänselt worden sei. Er müsse sich vor den Menschen in Graz selbst schützen. In dem Video von damals wirkt er etwas genervt, fast zynisch, zeigt keine Reue.

Amokfahrer fühlt sich immer als Opfer

Auf die Frage, ob er als ehemaliger Autohändler tatsächlich keine Kontrolle über das Fahrzeug gehabt hätte, weicht der Angeklagte aus. Der Feststellung des Richters, dass Alen R. sich immer als Opfer fühle - erst daheim in der Ehe, dann am 20. Juni und jetzt im Gerichtssaal - stimmt der Angeklagte mit einem leisen "Ja" zu.

Angeklagter zurechnungsfähig?

Mehr als 100 Menschen wurden verletzt. Er sei von Unbekannten verfolgt worden, rechtfertigte sich Alen R. kurz nach der Wahnsinnsfahrt. Und sorgte mit wirren Ausflüchten für einen wilden Gutachterstreit – ob er denn nun zurechnungsfähig sei, oder nicht. 

Bürgermeister Nagl: "Menschen flogen wie Puppen durch die Luft"

Der Grazer Bürgermeister, der mit seiner Vespa in der Stadt unterwegs war, schilderte nur kurz als erster Zeuge, was er an jenem Tag gesehen ist. Nachdem er einen Knall hörte, sah er durch den Helm, wie der Wagen mit großer Geschwindigkeit Menschen ganz gezielt überfahren hat. Er habe gesehen, wie Mensche wie Puppen durch die Luft flogen. 

Zeugin seit Amokfahrt Witwe: "Dieser Mensch hat uns alles vernichtet"

Auch die Witwe eines von Alen R. getöteten trat in den Zeugenstand. R. wurde für die Dauer ihrer Aussage aus dem Saal gebracht. Die Frau wurde schwer verletzt, ihr Mann starb bei der Amokfahrt. Mit Tränen in den Augen schilderte das Opfer, dass sie zwei Monate im Spital, danach vier in der Reha verbracht habe. "Ich konnte zwei Monate nicht gehen." Der Schmerz sei aber nicht nur physisch gewesen. Es war "auch ein seelischer Schmerz. Mein ganzes Leben ist gezeichnet. Dieser Mensch hat uns alles vernichtet." 

Messer-Opfer: "Haben ihn vorher nicht gekannt"

Alen R. meinte immer wieder, er habe sich bedroht gefühlt und sich verteidigen müssen. Während der Amokfahrt stieg R. einmal aus, attackierte ein Ehepaar mit einem Messer. Wiederholt stach er auf die beiden ein. "Ein Stich in den Brustbereich, einer im Rücken und drei weiter in der Hand", erinnert sich die Frau im Zeugenstand. Der Richter fragte die Frau, ob Alen R. Grund gehabt hätte, auf sie loszugehen. "Nein, wir haben ihn vorher nicht gekannt". 

Großes Medieninteresse

Mehr als 50 Journalisten wurden für den Prozess akkreditiert, auch internationale Presse war vor Ort. Wegen des großen Interesses wurde der Prozess live in einen zweiten Gerichtssaal übertragen. Für Opfer, die im Rollstuhl sitzen, wurden Rampen aufgebaut. 130 Zeugen waren geladen, der Prozess wurde auf neun Tage anberaumt.