Burgenland

Grenzbewohner zu Asylansturm: "Es ist eine Katastrophe"

Die Asylzahlen steigen und steigen: "Heute" sprach mit Bewohnern aus der Grenzregion, mit Polizei und Bundesheer. Tenor: "Es ist schlimm."

Deutsch-Jahrndorf: Heinz (48) lebt dort und beobachtet alles sehr genau.
Deutsch-Jahrndorf: Heinz (48) lebt dort und beobachtet alles sehr genau.
Trimmel Sascha

Heinz (48) aus Deutsch Jahrndorf (Bezirk Neusiedl am See) ist einer von gut 600 Bewohner im Örtchen im Dreiländereck (Österreich-Ungarn-Slowakei). „Wenn ich im Radio höre, dass wieder 25 Aufgriffe waren, denke ich mir: Meinen die nur jene von in der Früh? Ich beobachte alles und sehe es doch jeden Tag. Es sind katastrophale Zustände mittlerweile. Bei Corona wurde jedes Auto angehalten, jetzt werden die Fahrzeuge durchgelassen."

Wachtürme auf Ö-Seite

Man habe erst im Sommer Wachtürme in Deutsch Jahrndorf und Nickelsdorf errichtet (Kosten 6.000 € pro Turm laut Bundesheer). „Aber der illegale Grenzübertritt wird von Polizei und Heer dennoch einfach toleriert. Die Flüchtlinge werden dann aufgegriffen und abtransportiert, das funktioniert zumindest ganz gut“, meint der Schlosser. Ein Bewohner der Nachbargemeinde hat die Probleme auch zu Papier gebracht (siehe Bilderserie).

Der 48-jährige Heinz (Name auf Wunsch geändert) versteht nicht, warum die Türme 200 bis 500 Meter von der Grenze entfernt auf der österreichischen Seite stehen: "Da sind ja die Flüchtlinge längst bei uns."

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    Deutsch Jahrndorf: Gut 600 Einwohner, aber Dutzende Flüchtlinge am Tag.
    Deutsch Jahrndorf: Gut 600 Einwohner, aber Dutzende Flüchtlinge am Tag.
    Trimmel Sascha

    Einige Flüchtlinge ließen nach dem Grenzübertritt Kleidung, Müll oder Wasserflaschen einfach liegen. "Und Gemeindearbeiter oder Bewohner sammeln es dann halt ein", so der 48-Jährige.

    Polizei resigniert

    Viele Beamte und Polizeibedienstete kenne er, viele Exekutivbeamte hätten resigniert. „Weil sie nur noch angefressen sind“, so Walter. Ein Beamter hatte bereits im Sommer zu "Heute“ gesagt: „Das hat mit Polizeiarbeit nix mehr zu tun. Die Grenzen sind offen wie ein Scheunentor" - mehr dazu hier.

    "Kontrollieren nach Vorgaben - zum Beispiel jedes fünfte, weiße Auto" - so Major Robert Kulterer

    Das Bundesheer könne nur assistieren. Major Robert Kulterer vom Militärkommando Burgenland am Donnerstag: „Wir führen die Vorgaben der Exekutive aus, kontrollieren dann etwa jedes fünfte weiße Fahrzeug oder so wie heute die Lkw, Vans und Transporter. Am Tag kommen recht wenig Flüchtlinge, fast alle in der Nacht. So mit Einbruch der Dunkelheit geht es immer los.“

    Die Türme seien laut Bundesheer-Sprecher bewusst so aufgestellt worden: "Wir können ja von dort zwei Kilometer weit schauen, haben einen wunderbaren Überblick, weit bis ins ungarische Staatsgebiet rein", erläutert der Major.

    Über 600 Aufgriffe an Spitzentagen

    Am Donnerstag sei ein eher „schwacher Tag“ gewesen mit knapp 400 Aufgriffen (abgerechnet werde immer mit 4 Uhr morgens, Anm.). An Spitzentagen kämen bereits über 600 Menschen.

    Der September 2022 brachte mit 15.736 Anträgen einen Rekord, im Jahr 2022 gab es bis 30. September 2022 bereits 71.885 Asylanträge - alles dazu hier. Und: Die Lager sind bummvoll, Traiskirchen ist seit Wochen an der Kapazitätsgrenze - mehr dazu hier. In Oberösterreich sind bereits Zelte aufgestellt worden, der Linzer Bürgermeister warnte bereits vor einem zweiten Traiskirchen - mehr dazu hier

    Entlastung ab Dezember?

    Bei der Pro-Kopf-Belastung (Asylwerber pro 100.000 Einwohner) liegt Österreich innerhalb der EU-Mitgliedstaaten auf Platz 2. Nur Zypern ist mit 1.368 Asylanträgen pro 100.000 Einwohner einsame Spitze. Dahinter mit 366 liegt aber schon Österreich vor Slowenien (177). Zum Vergleich: Deutschland 117, der EU27-Schnitt 91, Schweden 103, Dänemark 53, Polen 13, Ungarn 0.

    Das Innenministerium gibt zu, an die Belastungsgrenzen gestoßen zu sein, hofft aber auf eine Entspannung der verschärften Lage ab Dezember: "Mit der Umsetzung der Visaanpassung Serbiens an die EU würde hiermit eine rasche Verbesserung der Situation eintreten", heißt es dazu aus dem Innenministerium. Dies wurde bei einem Treffen von Kanzler Nehammer, Aleksandar Vucic und Viktor Orban Anfang Oktober in Budapest vereinbart.

    Fakt ist: Hält der Asylandrang weiterhin an, wird im heurigen Jahr die 100.000er-Grenze überschritten werden.