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Griechenland setzte 1.072 Flüchtlinge auf Meer aus

Eine Recherche der "New York Times" zeigt erschreckendes: Griechische Behörden setzten über 1.000 Flüchtlinge auf offenem Meer aus.

Leo Stempfl
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Ein Symbolbild aus dem Jahr 2016.
Ein Symbolbild aus dem Jahr 2016.
iStock

Dass das vom Rest der EU im Stich gelassene Griechenland schon lange nicht mehr Herr der Lage ist, war schon lange klar. Bilder von Camps auf Inseln wie Lesbos, in denen 20.000 Menschen auf Raum für 3.000 Leben müssen, gehen seit Monaten, gar Jahren um die Welt. Auch "Heute" berichtete.

Über die Lager ist immer noch eine Ausgangssperre verhängt, offiziell "um die Bewohner vor Corona zu schützen". Keinen Meter dürfen sich die Menschen von den Zelten entfernen. Arbeiten geht aufgrund der laufenden Asylverfahren sowieso nicht. Die griechische Regierung gerät zunehmend unter Druck. Eine "New York Times" Recherche zeigt nun, wie die Behörden versuchten, sich ganz pragmatisch des "Problems" zu "entledigen".

Auf offenem Meer ausgesetzt

Es wird von 31 Vorfällen berichtet, im Zuge derer mindestens 1.072 Asylsuchende von griechischen Behörden auf offener See in aufblasbaren Gummibooten ausgesetzt wurden. Von allen Vorfällen existiert Bildmaterial, Zeugenaussagen, Interviews mit Betroffenen oder sogar Berichte der türkischen Küstenwache, die die Vorfälle bestätigen.

Die Personen wurden dabei im Dunkel der Nacht von maskierten Einsatzkräften aus den Lagern und Unterkünften geholt und in teilweise überfüllte und undichte Schlauchboote ohne Ruder oder Motor gesetzt. Diese wurden daraufhin aufs offene Meer gezogen und im Bereich der Seegrenze zwischen der Türkei und Griechenland ausgesetzt. Dort wurden die Boote schließlich Stunden später von der türkischen Küstenwache aufgegriffen und in die Türkei gebracht.

Zudem sind mindestens zwei Vorfälle bekannt, bei denen Migranten auf der unbewohnten Insel Ciplak ausgesetzt wurden, die sich auf türkischem Hoheitsgebiet befindet. Eine 50-jährige Lehrerin aus Syrien, die so am 26. Juli ausgesetzt wurde, erzählte den "New York Times":

"Ich bin aus Angst vor Bomben aus Syrien geflohen – aber als das passierte, wünschte ich, ich wäre durch eine gestorben."

"Ein menschenrechtliches Desaster"

Prof. François Crépeau, Experte für Internationales Recht und UN-Berichterstatter, nennt die Vorkommnisse "Ein menschenrechtliches und humanitäres Desaster" und "illegal in jeglicher Hinsicht". Beamte der griechischen Küstenwache zerstörten sogar die Motoren von Flüchtlingsbooten, als diese griechische Gewässer übertraten und überließen sie daraufhin sich selbst.

Gründe für dieses harte Vorgehen liegen unter anderem in der Wahl einer konservativeren Regierung unter Premierminister Kyriakos Mitsotakis letztes Jahr, hervorgerufen aus steigendem Frust, weil sich Griechenland in Sachen Migration von der EU seit Jahren alleine gelassen fühlt.

Die Corona-Pandemie mit den weltweit üblichen Grenzschließungen boten gern gesehene Gelegenheit für Griechenland, seine Grenzen für Migranten zu schließen und ihnen Asylverfahren zu verwehren. Ein Sprecher der Regierung bestreitet natürlich jegliches illegale Vorgehen der Regierung.