Österreich

Großprojekte: Gutachter für Umweltprüfung

Heute Redaktion
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Sven Straßgschwandtner (Bürgerinitiative Berresgasse), Neos-Umweltsprecherin Bettina Emmerling, Alexander Kropf (Bürgerinitiative Siemensäcker), Jurist Piotr Pyka und Rechtsanwalt Wolfram Proksch.
Sven Straßgschwandtner (Bürgerinitiative Berresgasse), Neos-Umweltsprecherin Bettina Emmerling, Alexander Kropf (Bürgerinitiative Siemensäcker), Jurist Piotr Pyka und Rechtsanwalt Wolfram Proksch.
Bild: Sabine Hertel

Die Neos fordern eine Umweltverträglichkeitsprüfung für große Bauprojekte. Ein Rechtsgutachten kritisiert die fehlende UVP jetzt als rechtswidrig.

Bürgerinitiativen kämpfen bei großen städtebaulichen Projekten – wie den Siemensäckern oder der Berresgasse – schon lange dafür, dass eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchgeführt wird. Ein Grund: Bei einem UVP-Verfahren haben Bürgerinitiativen und Umweltorganisationen Parteienstellung. Neos-Umweltsprecherin Bettina Emmerling betonte am Mittwoch: "Die Bevölkerung ist kein lästiger Verhinderer, sondern sollte als Partner betrachtet werden, der auch wichtigen Input leistet und ein Recht darauf hat, gehört zu werden." Bei den Siemensäckern gebe es etwa eine Grundwasserproblematik, beim Mega-Projekt Berresgasse (hier sollen künftig 3.500 Wohnungen entstehen), zu wenig Straßenbahnen.

Kein UVP-Verfahren "verstößt gegen EU-Richtlinien"

Die Neos gaben jetzt ein Rechtsgutachten in Auftrag. Das Ergebnis: Bei großen städtebaulichen Projekten kein UVP-Verfahren zu machen, "verstößt gegen die EU-Richtlinien", sagt Rechtsanwalt Wolfram Proksch. Er erklärt: "Die EU zielt mit ihren Richtlinien ganz klar darauf ab, dass bei der Frage nach der UVP-Pflicht das Gesamtprojekt betrachtet werden muss. Doch die Landesregierung versucht, das Verfahren zu umgehen, indem sie zum Beispiel eine innere Erschließungsstraße als notwendige Voraussetzung für eine UVP betrachtet oder indem sie ein zusammenhängendes Stadtentwicklungsgebiet in mehrere Projekte teilt. Beides verstößt gegen die EU-Richtlinien."

Proksch plädiert dafür, "groß projektierte Projekte im Vorfeld zu prüfen – bevor ein Schaden eintritt". Und: "Eine UVP sollte frühestmöglich gemacht werden." Von der EU-Richtlinie aus müssten städtebauliche Vorhaben geprüft werden, so Jurist Piotr Pyka. In Österreich gebe es die "Auslegung, dass es bestimmte Voraussetzungen braucht, um eine UVP-Prüfung zu veranlassen." Darunter ist etwa eine "innere Erschließungsstraße" für das betreffende Gebiet. Ist dort keine in Planung, dann gehe die Stadt davon aus, dass "keine Prüfung nötig" sei. "Das ist EU-rechtswidrig", so Pyka. Außerdem führe diese Auslegung dazu, dass in Österreich wenige Projekte einer UVP-Prüfung unterzogen werden.

Ein weiteres Problem, das die Rechtsanwälte sehen: Nach einer Novelle 2017 kann ein Städtebau-Projekt in verschiedenen Teilen eingereicht werden. Dann werde das Projekt nicht mehr als gemeinsames betrachtet. Das bedeute, wenn man "den anderen Teil erst einen Tag später einreicht, wird er nicht mehr berücksichtigt", sagt Pyka. Wenn das etwa die innere Erschließungsstraße ist, muss nach dieser Regelung keine UVP-Prüfung stattfinden. "Beim EuGH würde das fallen", so Pyka. Denn: Der habe erklärt, dass solche Projekte gemeinsam betrachtet werden sollen.

Bürgerinitiativen: Kritik an fehlenden Verkehrskonzepten

"Für uns gab es bisher keine Möglichkeit, uns einzubringen, was die Planung betrifft", sagt Sven Straßgschwandtner von der "Bürgerinitiative Berresgasse". Er fürchtet etwa um das Naherholungsgebiet Badeteich Hirschstetten. "Wenn dort 10.000 Menschen hinziehen, entspricht das etwa Großenzersdorf. Da kommt es zum totalen Kollaps, wenn tausende zum Badeteich strömen", befürchtete Straßgschwandtner. Und: "Die Gegend ist von öffentlichen Verkehrsmitteln nur unzureichend erschlossen. Die Stadtstraße ist auch noch lange nicht gebaut", kritisiert er.

Bei den "Siemensäckern – wo 1.240 Wohnungen geplant sind – sei man nicht eingebunden worden, was die Fragen betrifft: "Wie hoch wird es, wie viele Gebäude, wie dicht wird verbaut?", so Alexander Kropf von der "Bürgerinitiative Siemensäcker". Auch hier fehlen die Öffis für ein derartiges Großprojekt, so die Kritik. "Ein Verkehrskonzept ist wichtig", so Kropf.

Emmerling: "Gefahr, dass zigtausende Wohnungen auf dem Spiel stehen"

Die Neos stehen den Bürgerinitiativen im Kampf um eine UVP weiterhin zur Seite, denn: "Eine eingehende Analyse des Projekts und seiner Folgen", sei wichtig. "Gibt es dieses Verfahren nicht, müssen die negativen Konsequenzen entweder um viel Geld im Nachhinein ausgebügelt werden, oder sie wirken sich auf die Lebensqualität aller Anrainerinnen und Anrainer aus", so Neos-Umweltsprecherin Emmerling. Und: "Die Bürgerinitiativen haben vor, alle rechtlichen Schritte zu gehen. Es besteht die Gefahr, dass zigtausende Wohnungen auf dem Spiel stehen."

Büro Vassilakou: "Bundesverwaltungsgericht bestätigt, dass keine UVP-Pflicht besteht"

"Die Entscheidung, ob eine UVP-Pflicht besteht, wird in Wien auf Basis des Verfahrens der MA 22 getroffen. In den beiden angesprochenen Fällen wurde vom Bundesverwaltungsgericht bestätigt, dass keine UVP-Pflicht besteht", heißt es aus dem Büro von Planungsstadträtin Maria Vassilakou (Grüne). Und: "Sollte eine übergeordnete Instanz zu einer anderen Entscheidung kommen, so ist das natürlich respektieren."

SPÖ-Planungssprecher Gerhard Kubik sieht das anders: "Wenn es um Umweltverträglichkeitsprüfungen geht, haben wir uns als Stadt an die geltenden Gesetze zu halten. Genau das tun wir auch. Das wurde durch das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts bestätigt: Bei beiden Projekten ist keine UVP vorausgesetzt." Außerdem fühlt sich die Stadt als "falscher Adressat". Denn: Bei den konkret genannten Projekten in der Berresgasse und auf den Siemensäckern sei die UVP aufgrund der Bundesgesetze nicht erforderlich. "Das Bundesverwaltungsgericht bestätigt: Die Stadt Wien hält sich an das Gesetz. Wenn den Neos ein Bundesgesetz nicht passt, müssen sie sich an die Bundesgesetzgeber und im konkreten Fall an das Umweltministerium wenden. Sie haben hier den falschen Adressaten gewählt", meint Kubik.

(gem)