Niederösterreich

Grüne protestieren gegen Abholzungen in Donauauen

"Unglaublich!" Grünen NÖ-Chefin Helga Krismer und Kollegen zeigen sich fassungslos ob der Abholzungen in den Tullnerfelder Donauauen.

Erich Wessely
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Protest der Grünen gegen Abholzungen in Spillern
Protest der Grünen gegen Abholzungen in Spillern
Jennifer Vacha/Grüne NÖ

„Unglaublich!“ Nicht nur Helga Krismer stand die Fassungslosigkeit ins Gesicht geschrieben. Auch die Begleiter der Chefin der Niederösterreichischen Chefin in die Tullnerfelder Donauauen trauten ihren Augen nicht - und fragten sicherheitshalber mehrfach nach: „Das hier soll ein Naturschutzgebiet sein? Echt jetzt?“ Krismer nickte: „Ja – jedenfalls auf dem Papier.“

Denn auf dem Papier sind die Tullnerfelder Donauauen nicht nur ein „Natura 2000“ – also auf EU-Level zertifiziertes – Schutzgebiet, sondern auch Österreichs größter zusammenhängender Auwald. „Das Schutzgebiet reicht von Krems bis Korneuburg/Klosterneuburg.“ Das etwa18 Hektar große Areal ist als Vogel- und FFH-Schutzgebiete (Flora-Fauna-Habitat-Schutzgebiete, eine EU-Norm) ausgewiesen. Es bietet sichere Lebens und Rückzugsräume für 25 Vogel-, Dutzende Säuger- und über 30 Pflanzenarten, die anderswo verdrängt und teils auch gefährdet sind. Hier, in den Tullnerfelder Donauauen, ist das anders. Mit dem noch über Landes- oder Bundes-Naturschutz-Siegel stehenden Ökoschutz-Zertifikat der europäischen Union: „Natura 2000“.

Grünen-Chefin "richtig angefressen"

Aber Papier ist geduldig und „Rechtsnormen nur dann etwas wert, wenn man sie einhält – oder ihren Bruch sanktioniert,“ stellte Helga Krismer traurig und „richtig angefressen“ beim Lokalaugenschein im angeblichen Naturschutzgebiet fest: Bei Spillern ist davon nämlich nichts zu sehen. "Hier wurde und wird auf einem mehrere etliche hundert Meter langen und über 100 Meter breiten Areal mit schwerem Gerät rigoros und gnadenlos Auwald abgeholzt – und der natürliche Wald Boden mitsamt seiner fruchtbaren Humusschicht mit Schubraupen fast einen halben Meter tief abgegraben und planiert", heißt es in einer Aussendung der Grünen.

„Hier wächst und lebt so bald nichts mehr,“ zeigte sich die niederösterreichische Grün-Politikerin auf die schweren Verletzungen des Bodens entsetzt, als sie mit dem Grünen Stockerauer Umweltstadtrat Dietmar Pfeiler und Franz Hatzl von den Grünen in Spillern hier unlängst einen Lokalaugenschein vornahm: „Wo ist da die politische Kontrolle? Wo die Behörde? Wo das Land, das solchen Umtriebe verhindert? Darf so etwas wahr sein?“

"Mehr als problematische Vorgänge"

Schon im März 2021 zeigten die Grünen hier "mehr als problematische Vorgänge" auf, die offiziell als „Waldbewirtschaftung“ und sogar als Maßnahmen zum Tier- und Naturschutz schön geredet wurden. 

Was da - wieder: auf dem Papier - nach gelebtem und sinnvollem Wild Naturschutz klingt, ist tatsächlich aber das Gegenteil und beschäftigt sei dem Vorjahr auch die NÖ-Umweltanwaltschaft. Zum einen, weil es im Auwald längst etliche dezentrale und für die Tiere bei Hochwasser leichter erreichbare solche Schutzinseln gibt. Zum anderen, weil die Höhe, die dieser angebliche Schutzdamm an der Autobahn mittlerweile erreicht hat, nur schwer erklärbar ist: Wenn Stockerau, die A22 und Korneuburg längst tief unter Wasser stünden, hätten Hirsche und Rehe, Fuchs und Hase noch lange auf trockenem Boden – und der „Damm“ wächst weiter: „Nicht, dass wir uns gegen den Schutz von Tieren wenden würden“ sagt Krismer, „aber das hier ist etwas Anderes. Etwas ganz anderes!“

Denn „wenn etwas wie eine Deponie aussieht, ist es wohl auch eine“, sagt auch Stockerauer Umweltstadtrat Dietmar Pfeiler: „Hier wird unter dem Deckmantel des Umwelt- und Naturschutzes mitten im Natura 2000 Gebiet nicht nur brutal abgeholzt und Lebensraum unwiederbringlich vernichtet, sondern auch noch unkontrolliert eine Deponie mit Aushubmaterial unbekannter Herkunft und ohne jede Analyse des Materials errichtet. Und die Behörde schaut tatenlos zu.“

Antrag im Landtag

Für Grünen-Chefin Helga Krismer ist dieses Wegschauen und Nicht-Eingreifen ein „Skandal, der weit mehr als die - höflich gesagt – Untätigkeit der regionalen Bezirkshauptmannschaft betrifft. Hier versagt der zuständige VP-Landesrat Stephan Pernkopf zur Gänze.“ In Polen, alles andere als ein Musterknabe der EU, fügt Krismer hinzu, seien schon weit geringere Eingriffe in Natura 2000-Gebiete von Brüssel strengstens sanktioniert worden.

Darum kündigt die Grünen-Sprecherin einen Antrag im niederösterreichischen Landtag an, überlegt mit den lokalen Umweltschützern aber auch den Gang nach Brüssel. Von Landesvize Pernkopf möchte sie vor allem wissen: „Was werden Sie unternehmen, um dieses Projekt zu stoppen?“