Szene

Guns N' Roses sorgten für Gänsehaut in Wien

Folgende Zeilen sind aus Sicht eines Fans geschrieben, der 25 Jahre auf den Moment gewartet hat. Er wurde nicht enttäuscht.

Heute Redaktion
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Genau das Gegenteil war am Montag im Ernst-Happel-Stadion der Fall. Alle Erwartungen wurden übertroffen. Seit ich mit knapp 13 Jahren am 20. April 1992 Guns N' Roses beim Freddie Mercury Tribute Konzert im Wembley im TV gesehen habe, war es mein Wunsch, die Band einmal live erleben zu dürfen.

Der Abklatsch am Nova Rock im Jahr 2006 war zwar OK, ließ mich allerdings nicht ganz zufrieden zurück. Doch das Schicksal meinte es anscheinend gut mit mir und mit Millionen von anderen Fans, denn die zerstrittenen Bandmitglieder fanden (fast alle) wieder zusammen. Und begeisterten am Montag knapp 55.000 Leute im Ernst-Happel-Stadion mit einem rund dreistündigen Konzert, bei dem annähernd alle Hits der Bandgeschichte dargeboten wurden.

Axls Zähne sind nicht von dieser Welt

Nachdem die Australier von Wolfmother mit ihrem eingängigen Stoner Rock die Einzugsmusik für die Massen darboten, war es kurz vor 19.30 Uhr endlich so weit. Auf den riesigen Videoleinwänden erschien das Band-Logo, ein Jubel brandete durch die Menge. Nach den Klängen der "Looney Tunes"-Melodie standen die drei Gründungsmitglieder Axl Rose, Slash und Duff McKagan verstärkt durch ihre Mitmusiker auf der Bühne und legten mit dem Klassiker "It's So Easy" gleich in flottem Tempo los.

Bis auf seine Zähne, die er mit radioaktivem Material zu putzen scheint (sie leuchten selbst im Dunkeln blitzweiß) wirkt Axl (55) ein bisschen in die Jahre gekommen. Aber das macht absolut nichts, denn auch an den Fans ist die Zeit nicht spurlos vorübergegangen. Slash und Duff hingegen wirkten beide fit wie eh und je. Mit Gibson Les Paul bzw. Fender Signature Bass bewaffnet wirbelten die beiden während den Nummern über die Bühne.

Nach dem Opener gab es mit "Mr. Brownstone", der Hommage an die frühen Heroin-Tage der Band, einen weiteren Song vom Debütalbum "Appetite For Destruction". Das darauffolgende "Chinese Democracy" wurde dann erwartungsgemäß nicht ganz so abgefeiert.

Wettergott zeigte sich gnädig

Nach rund zwanzig Minuten im Set setzte etwas Regen ein, doch das schreckte nur die wenigsten der Fans, die das Spielfeld ausfüllten. Denn während in anderen Teilen Wien Weltuntergangsstimmung herrschte, blieb es im Prater bei "normalem" Regen, der sich nach rund einer halben Stunde wieder verzogen hatte.

Nach dem Klassiker entschuldigte sich Axl bei den Fans dafür, dass sie durch das Wasser, das auf der Bühne Lacken gebildet hatte, nicht ganz so agil agieren konnten. Das war der erste direkte Kontakt mit dem Publikum, viele sollten nicht mehr folgen.

Aber auch das verzeiht man einem exzentrischen Frontmann, der zu seinen Glanzzeiten gerne einmal drei Stunden zu spät und mies gelaunt aufgetaucht ist.

Axl packt die hohen Töne nicht mehr? Wurscht!

Mit Fortdauer des Sets wurde der anfangs etwas schwammige Sound besser, auch Axl kam in den Groove. Was man ihm ebenfalls anmerkte war seine Stimme. Die schafft es einfach nicht mehr in die Höhen, in die er sich in jüngeren Jahren gesungen hatte. Trotzdem darf die Leistung als solide bezeichnet werden.

Und noch einmal. Bei all der Dankbarkeit, die man als Fan verspürt, weil man dieses Konzert überhaupt noch erleben darf, fallen ein paar schiefe Töne nicht ins Gewicht. Das Gesamtbild zählt, und das wurde immer monumentaler.

Nach "Civil War", "Yesterdays" und "Coma" setzte Slash zum ersten verlängerten Solo an. Nachdem er die Titelmelodie vom Coppola-Meisterwerk "Der Pate" in die Menge schickte, stimmte er "Sweet Child O'Mine", eine der größten Rockballaden aller Zeiten an. Erwachsene Männer standen mit Tränen in den Augen und offenen Mündern da. Gänsehaut im ganzen Stadion.

Grandioses Finish

Auch nach dem zweiten Solo, das in Form von Pink Floyds "Wish You Were Here" dargeboten wurde, gab es mit "November Rain" einen emotionalen Höhepunkt, der seinesgleichen sucht. Auf den Rängen saß jetzt niemand mehr. Nach der musikalischen Verbeugung vor dem kürzlich verstorbenen Soundgarden-Sänger Chris Cornell ("Black Hole Sun") folgte mit dem Bob-Dylan-Cover "Knocking On Heavens Door" der mit Abstand magischste aller Momente der Show. Der Zuschauerraum war in ein Lichtermeer getränkt, jedes Wort wurde gemeinsam mit Axl gesungen.

Mit dem Kracher "Nighttrain" (so nannte sich ein billiger Rotwein, den die Bandmitglieder zu Anfangstagen tranken) wurden die 55.000 Fans nach Hause geschickt. An das jähe Ende dachte allerdings niemand wirklich.

Nach einer kleinen Pause sorgte "Patience" für den ruhigsten Augenblick des Abends. "The Seeker" von The Who wirkte im Zugabenteil irgendwie befremdlich, doch ehe man sich darüber Gedanken machen konnte, schallte schon das Anfangsriff von "Paradise City" durch die Boxen. Für ein paar Minuten wurde noch einmal alles gegeben, ehe es mit Feuerwerk und Konfettiregen endgültig zu Ende ging.

Fazit

Als Fanboy kann ich nur sagen, dass mich das Konzert restlos begeistert hat. Wie schon der Name der Tour sagt - nie im Leben hätte sich noch vor zwei Jahren jemand zu träumen gewagt, Axl und Slash noch einmal gemeinsam auf der Bühne zu sehen. Und doch ist es passiert, und zwar großartig. Die Band hat die wilden Jahre lange hinter sich gelassen und weiß ihre Fans in eindrucksvoller Manier zu unterhalten. Wer weiß, vielleicht heißt es ja in zehn Jahren "Not Again In This Lifetime"?

Die komplette Setlist des Guns N' Roses-Konzerts in Wien, 10. Juli 2017

It's So Easy

Mr. Brownstone

Chinese Democracy

Welcome To The Jungle

Double Talkin' Jive

Better

Estranged

Live And Let Die

Rocket Queen

You Could Be Mine

Attitude (Misfits Cover)

This I Love

Civil War

Yesterdays

Coma

Slash Gitarrensolo (Godfather-Theme)

Sweet Child O' Mine

Used To Love Her

Out Ta Get Me

Wish You Were Here (Gitarrensolo)

November Rain

Black Hole Sun (Soundgarden Cover)

Knockin' On Heaven's Door

Nightrain

Zugabe

Patience

The Seeker (The Who Cover)

Paradise City