Niederösterreich

Gutachter entlasten Angeklagte im Pflegeprozess

Fortsetzung im Prozess in St. Pölten: Die Gutachter entlasteten die Angeklagten, eine Putzfrau erzählte: "Ich meldete was, wurde wie Dreck behandelt."

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Die 4 Angeklagten des Pflegeheimes
Die 4 Angeklagten des Pflegeheimes
Daniel Schaler, Lielacher

Tag fünf und sechs im Prozess gegen vier Ex-Pfleger (ein männlicher Diplompfleger im Alter von 30 Jahren und drei Pflegehelferinnen im Alter von 32 bis 55) des Heimes Clementinum (St. Pölten Land) in St. Pölten: Wie mehrmals berichtet soll das Quartett demente Senioren misshandelt und erniedrigt haben.

"Wurde für Meldung bestraft"

Am Mittwoch war eine Helferin im Zeugenstand. Sie sprach vor allem über den 30-jährigen Diplompfleger (Anm.: der sich in der belastenden WhatsApp-Gruppe "Master of Death" genannt hatte): "Er konnte im Prinzip machen, was er wollte." Eine diplomierte Pflegerin hatte auch den "Strapsenvorfall" gemeldet ("Heute" berichtete): "Nur der Heimleiter reagierte nicht und in der Folge hackte er deswegen sogar auf mir herum", so die Diplompflegerin.

Keine Störungen laut Gutachter

Am gestrigen Donnerstag waren die Gutachter am Wort: Der psychiatrische Sachverständige Werner Brosch konnte keine psychischen Störungen und sadistischen Züge beim Quartett feststellen: „Wir kennen das Spannungsfeld in Pflegeheimen. Zur individuellen Entgleisung ist es nur ein schmaler Grad. Der raue Umgangston zeigt die hohe Belastung. Alle von der Führung abwärts waren überfordert.“

Zur belastenden WhatsApp-Gruppe (Anm.: hier herrschte ein ordinärer, verachtlicher Umgangston) meinte Brosch: „Dort redeten sich die vier Angeklagten alles von der Seele. Wenn ein anderer diese Äußerungen liest und aus dem Kontext reißt, bekommen die Aussagen natürlich eine andere Bedeutung." Ob es den Abführmittelfall (Anm.: Abführmittel für Bewohner und gehasste Mitarbeiter - "Heute" berichtete) gegeben hatte, konnte Brosch natürlich nicht beantworten, nur kommentieren: "Falls Abführmittel verabreicht wurde, dann war es ein Racheakt aus Hilflosigkeit."

Keine Anzeichen auf Misshandlung

Der zweite Experte, Wolfang Denk, hatte elf Heim-Bewohner mit Hilfe der Pflegedokumentation analysiert: „Es waren generell alle in einem katastrophalen Zustand. Und ja es gab viele blaue Flecken, das darf man bei alten Menschen auch nicht überbewerten. Es gibt aber keine Anzeichen auf misshandlungstypische Verletzungen und keine Schäden durch nicht verordnete Medikamente.“

"Du bist nur blöde Putzfrau"

Im Zeugenstand sprach am Donnerstag auch noch eine rumänische Putzfrau: "Ich hörte einmal, als eine Pflegerin einer Bewohnerin eine Watsche gab und der angeklagte Diplompfleger gab einem Bewohner Alkohol und Zigaretten. Ich habe das auch dem Wohnbereichsleiter gemeldet, der sagte aber nur ich sei eine blöde Putzfrau."

Überhaupt soll im Clementinum dicke Luft geherrscht haben – es soll mehrere Intrigen und Affären gegeben haben. So sollen zwei leitende, männliche Angestellte ein Verhältnis gehabt haben. Auch gut möglich ist, dass eine Wohnbereichsleiterin auf den jungen Diplompfleger eifersüchtig war. Denn der jetzt 30-Jährige wurde unmittelbar nach dem Eintreten mit dem Qualitätsmanagement betraut.

"Angeklagter war nett und bemüht"

Weiters sprach am Donnerstag noch eine diensthabende Ärztin vor Gericht. Die Asiatin war rund ein bis zwei Mal in der Woche im Heim. Sie sagte über den angeklagten Diplompfleger, dass dieser stets freundlich, nett und bemüht gewesen sei. Angeblich soll einmal eine Unterschrift gefälscht worden sein – dazu konnte sie aber nichts Näheres sagen.

Die Verhandlung wird im November fortgesetzt, es gilt die Unschuldsvermutung.

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