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"Habe Angst!"– Russischer UN-Diplomat bittet um Asyl

Nachdem der russische UNO-Vertreter Boris Bondarew nach 20 Jahren am Montag seinen Rücktritt bekannt gab, befürchtet er in großer Gefahr zu sein.

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Der russische Top-Diplomat legte sein Amt zurück wegen des Krieges in der Ukraine. Nun bittet er um Asyl.
Der russische Top-Diplomat legte sein Amt zurück wegen des Krieges in der Ukraine. Nun bittet er um Asyl.
Michael M. Santiago / AFP Getty / picturedesk.com

Es war ein Paukenschlag, als Boris Bondarew von den Vereinten Nationen in Genf am Montagnachmittag seinen Rücktritt bekannt gab. In einem auf Facebook und LinkedIn veröffentlichten Schreiben rechnet der UN-Diplomat mit der Regierung in Moskau ab. Zwar habe er in den zwanzig Jahren seiner diplomatischen Laufbahn schon diverse Wendungen in der russischen Außenpolitik erlebt, aber noch nie habe er sich so geschämt für sein Land, schreibt der 41-Jährige. Der von Russland gestartete Krieg "ist nicht nur ein Verbrechen gegen das ukrainische Volk, sondern vielleicht ein ebenso schweres Verbrechen gegen das russische Volk", so Bondarew in seinem Statement.

Aggressive Positionen

Laut Bondarew fordert die Zentrale in Moskau ihre Vertreterinnen und Vertreter im Ausland seit Jahren dazu auf, immer aggressivere Positionen zu vertreten, wie er gegenüber dem "Tages Anzeiger" sagt. "Ich vertrete mein Land in Genf, muss aber als Diplomat mit den Organisationen vor Ort versuchen, gemeinsame Lösungen zu finden", sagt der 41-Jährige. Seine Gegenvorschläge seien aber stets ignoriert worden.

Putin droht der Welt mit Atomwaffen

In seiner Stellungnahme auf Facebook rechnet Bondarew auch mit dem russischen Außenminister ab. "Minister Lawrow ist ein gutes Beispiel für die Degradierung dieses Systems. Innert 18 Jahren hat er sich von einem professionellen und gebildeten Intellektuellen zu einer Person entwickelt, die ständig widersprüchliche Aussagen verbreitet und der Welt (und damit auch Russland) mit Atomwaffen droht".

Rückreise nach Russland ausgeschlossen

In einem Gespräch mit dem "Tages-Anzeiger" hat sich Bondarew nun zu seiner momentan sehr ungewissen Zukunft geäußert. Er sei besorgt und habe Angst, wisse allgemein nicht, wie es in seinem Leben nun weitergehe. Eine Rückreise nach Russland schließt Bondarew aus, derzeit erhalte er Hilfe von Diplomatenkollegen anderer Länder. Der ehemalige UN-Diplomat hofft auch auf die Hilfe der Schweizer Regierung.

Jeder Mensch hat das Recht auf Asyl

Ignazio Cassis sagte am Sonntagnachmittag am Weltwirtschaftsforum in seiner Rolle als Bundespräsident und Vorsteher des Departements für auswärtige Angelegenheiten auf die Frage, ob Bondarew mit Asyl in der Schweiz rechnen könne: "Jeder Mensch hat das Recht, ein Asylgesuch zu stellen. Das Gesuch wird dann individuell geprüft."

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    Die kleine Yana Stepanenko (m.) und ihre Familie wurden Opfer eines russischen Raketen-Angriffs auf den zivilen Bahnhof von Kramatorsk.
    Die kleine Yana Stepanenko (m.) und ihre Familie wurden Opfer eines russischen Raketen-Angriffs auf den zivilen Bahnhof von Kramatorsk.
    Emilio Morenatti / AP / picturedesk.com