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"Massentierhölle": Haft für Bauer wegen Tierquälerei

Heute Redaktion
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Abgebissene Ohren, tote Tiere, Kannibalismus: Erstmals überhaupt kassierte ein Schweinezüchter in Deutschland eine Haftstrafe wegen schwerer Tierquälerei.

Dieses Urteil feiern Tierschützer als "historisch". Noch nie wurde in Deutschland ein Landwirt aufgrund von Tierquälerei in der Massentierhaltung zu einer Haftstrafe verurteilt. Bis jetzt.

Drei Jahre Haft ohne Bewährung und ein Haltungsverbot für Tiere kassierte ein 56-jähriger Schweinezüchter aus Merklingen (Deutschland) vom Amtsgericht Ulm, für besonders grausame Tierquälerei. Tierschützer Friedrich Mülln vom Verein SOKO Tierschutz filmte die katastrophalen Zustände 2016 undercover und zeigte den Betrieb an. Ob das Schweinefleisch auch in Österreich landete, ist nicht sicher. Die Spuren verlaufen sich.

Schweine mit Vorschlaghammer erschlagen

Tote Schweine, die in Gängen zwischen anderen Tieren verwesen, offene Wunden, abgebissene Ohren und Schwänze, Kannibalismus, kleine Buchten mit zu vielen Schweinen darin, schwere Misshandlungen, eine Sterblichkeitsrate von bis zu 20 Prozent, wenig Wasser, ammoniakverseuchte Luft - die Liste an Verstößen ist lange und grausam.

"In 23 Jahren Tierschutzarbeit habe ich soetwas noch nicht erlebt. Und ich habe hunderte Schweineställe gesehen.", so Friedrich Mülln im Gespräch mit "Heute", der 2016 vier Mal undercover in dem Betrieb filmte.

Zusätzlich versteckte Mülln drei Kameras auf dem Gelände des Schweinezüchters. Diese hielten unter anderem fest, wie der 56-jährige Landwirt zwei Schweine mit einem Vorschlaghammer totschlägt. Ein klarer Verstoß gegen das Tierschutzgesetz.

Tierarzt hat zweite Halle "übersehen"

Der Betrieb ist für 700 Tiere zugelassen. Der Landwirt hielt jedoch rund 1600 Schweine, aufgeteilt in zwei Hallen, wie Friedrich Mülln berichtet. Aufgefallen war dies bei Kontrollen in den vergangenen Jahren jedoch nie. Der zuständige Tierarzt gab vor Gericht an, die Halle "übersehen" zu haben.

Vorzeigebetrieb in Sachen Tierwohl

In Anbetracht der Tatsache, dass der Schweinebauer jahrelang massiv gegen das Tierschutzgesetz verstieß, scheint es verblüffend, dass der Betrieb drei Gütesiegel innehatte. Sie stehen für Qualität und Tierwohl: Das QS-Siegel (staatlich), die Initiative Tierwohl (Initiative von Supermarktketten wie Rewe und Edeka) und das Qualitätszeichen von Baden Württemberg.

Richter kritisiert Profitgier auf Kosten der Tiere

Richter Oliver Chama spricht bei der Urteilsverkündung am vergangenen Freitag von einer „Massentierhölle", anstatt einer Massentierhaltung. Zudem kritisiert er die Zusammenarbeit der Behörden mit der Massentierhaltungsindustrie. Die Massentierhaltung sei ein rechtsfreier Raum, der Profitgier und Tierquälerei zulasse. Der 56-jährige Schweinebauer nahm das Urteil laut mehreren Medienberichten mit gesenktem Kopf entgegen.

Tierschützer Friedrich Mülln vom SOKO Tierschutz freut sich. "Das war einer der besten Tage meines Lebens", wie er im Gespräch mit "Heute" sagt. "Ich habe schon viele Betriebe wegen Tierquälerei angezeigt. Aber bisher ist es noch nie zu einem Prozess gekommen!". Mülln sieht das Urteil als Chance, den rechtsfreien Raum Massentierhaltung endlich zu beenden.

(mp)