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Häftling fuhr Polizisten um – sechs Jahre Gefängnis

Heute Redaktion
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Der Angeklagte beim Prozess am Montag, 09.10.2017
Der Angeklagte beim Prozess am Montag, 09.10.2017
Bild: Denise Auer

Auf Freigang fuhr Häftling Erdinc A. (30) "ein bisschen mit dem Motorrad herum". Ohne Kennzeichen. Ohne Führerschein. Und mit Tempo 95 über einen Polizisten.

Zum gebürtigen Türken Erdinc A. (30) findet sich am Wiener Landesgericht ein dicker Akt. Gewerbsmäßige Betrügereien, Diebstähle. Einmal aber stieß er auch einen Polizisten, der ihn verfolgte, in einer U-Bahn-Station auf die Gleise. Im Vorjahr büßte der schmächtige Kriminelle wieder eine vierjährige Haftstrafe ab. Am 22. September durfte er auf Freigang – und hätte dabei um ein Haar einen Gesetzeshüter getötet.

"Ich liebe Motorräder", erklärte Erdinc A. vor Gericht: "Als ich daheim das Bike meines Bruders gesehen habe, erinnerte es mich an meine Jugend. Und ich wollte ein bisschen herumfahren".

Vollgas angesichts einer Funkstreife

Die Yamaha (175 PS) war nicht zugelassen. Der Häftling (er hat keinen Führerschein) bastelte Kennzeichen aus Karton und brauste los. An einer Tankstelle in Floridsdorf geriet er ins Visier einer Funkstreife – und gab Vollgas: "Ich wollte auf meinem Freigang keinen Ärger".

Resultat: Eine wilde Verfolgungsjagd bis zur Kreuzung Langenzersdorferstraße/Strebersdorfplatz, wo Gruppeninspektor Anton F. (53) an einem Schutzweg den Schulweg sicherte. Der Polizist bekam den Einsatz über Funk mit und wollte den Raser stoppen. Erdinc A. rammte ihn frontal, laut Gutachten mit 95 km/h.

Nur fünf Prozent Überlebenschance

Der Beamte wurde zehn Meter durch die Luft geschleudert und erlitt so entsetzliche Verletzungen, dass seine Überlebenschance nur bei fünf Prozent lag, so Gerichtsmediziner Christian Reiter. Wie durch ein Wunder blieb Anton F. am Leben, seinen Beruf aber wird er wegen Dauerfolgen nie mehr ausüben können.

Am ersten Prozesstag im Juli beteuerte Erdinc A., er habe sein Opfer nicht gesehen. Als er sich nach der Funkstreife hinter ihm umdrehte, sei plötzlich der Polizist vor ihm gestanden. Gestern gestand der Angeklagte, dass er der Anhaltung entkommen und am Inspektor vorbeilenken wollte – was katastrophal misslang.

Kein Mordversuch

Für den invaliden Polizisten forderte Anwalt Dietmar Heck (Kanzlei Boran) 20.000 Euro Schmerzensgeld – mit Erfolg. Überdies merkte der Advokat an: "Wer sich im Ortsgebiet mit 95 km/h einem Schutzweg nähert, nimmt Todesopfer in Kauf." Also müsse die Anklage auf Mordversuch erweitert– und das Verfahren an ein Schwurgericht delegiert werden.

Verteidiger Manfred Arbacher-Stöger wehrte das Ansinnen wuchtig ab ("Sind Sie klüger als die Staatsanwaltschaft, Herr Kollege?") – und dann auch die drohende Höchststrafe für Erdinc A. (zehn Jahre Gefängnis).

Denn Richterin Nina Steindl blieb beim Schuldspruch wegen schwerer Körperverletzung mit Dauerfolgen und Widerstands gegen die Staatsgewalt im Mittelbereich. Urteil: sehs Jahre Haft (nicht rechtskräftig).

(hölli)

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