Der Hafen Wien feiert in diesem Jahr sein 60-jähriges Jubiläum. Im Zuge dessen beschäftigten sich die Verantwortlichen auch mit der Vergangenheit des Areals. Das Institut für Zeitgeschichte der Universität Wien beleuchtete den Ausbau des Hafens in einem Forschungsprojekt, die Ergebnisse daraus wurden am Montag von Hafen Wien-Chef Fritz Lehr, Projektleiter Oliver Rathkolb und Kurt Gollowitzer, Geschäftsführer der Wien Holding, präsentiert. "Erfolgreiche Unternehmen betrachten nicht nur ihren wirtschaftlichen Wirkungskreis kritisch, sondern blicken auch auf ihre historische Verantwortung", erklärt Wien Holding Chef Gollowitzer die Entscheidung.
Tatsächlich wurden im Zweiten Weltkrieg das Hafenbecken in Albern, Teile des Donau-Oder-Kanals, ein Becken in der Lobau sowie fünf Getreidespeicher in Albern von Zwangsarbeitskräften unter teilweise extremen Arbeitsbedingungen errichtet – ebenso wie umliegende Straßen und Bahngleise, Kanalisation und Wasserleitungen. Nur eine Minderheit waren inländische Arbeitskräfte oder Freiwillige aus dem mit NS-Deutschland verbündeten Ausland. Nach den Plänen der Nationalsozialisten sollte in Wien das „Hamburg des Ostens“ entstehen.
Bereits im März 1938 begann man in Wien mit den Planungen für einen neuen Hafen. Man erhoffte sich eine stärkere Industrialisierung – Wien sollte das "Hamburg des Ostens" werden. Ausschlaggebend für den Standort war die Notwendigkeit, die Bevölkerung im Kriegsfall mit Lebensmitteln versorgen zu können. Das zum Großteil über die Donau importierte Getreide aus dem Südosten war hier wichtig. In Albern baute man in den nächsten Jahren fünf große Getreidespeicher. Dafür mussten mehr als 700 zivile Zwangsarbeiter und eine unbekannte Anzahl an Kriegsgefangenen schuften.
"Durch die Erschließung einer Reihe neuer Quellen konnte das Schicksal der Zwangsarbeiter präzise rekonstruiert werden. Die vorliegende Studie ist eine kritische Analyse zur Geschichte nationalsozialistischer Ausbeutungspolitik von über tausend Zwangsarbeitern und Sklavenarbeitern auf dem Gelände des heutigen Hafen Wien", berichtet Projektleiter Rathkolb.
In der Lobau hatten die NS-Machthaber andere Pläne als in Albern: Hier sollte der Oder-Donau-Kanal einmünden. Am ersten Hafenbecken des Oder-Donau-Kanals baute man zwischen 1940 und 1943 einen "Ölhafen". Die Lobau wurde zum Umschlagplatz einer der wertvollsten Ressourcen des Deutschen Reichs im Zweiten Weltkrieg. Doch die kriegsbedingte Mangelwirtschaft verzögerte die Arbeiten und die Luftangriffe der Alliierten brachten sie zum Erliegen. Bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs waren lediglich die Einmündung, das Hafenbecken und drei Teilstücke fertiggestellt.
Für die hunderten Arbeiter richtete man in der Lobau einen Lagerkomplex ein: ein sogenanntes "Gemeinschaftslager" wurde errichtet. Laut Experten könnten 1944 mindestens 1.184 Menschen, davon 943 Zwangsarbeiter dort untergebracht gewesen sein. Vor allem unter den jüdischen Deportierten war die Todesrate hoch.
Die eigentliche Betriebs-Geschichte des Hafen Wien, so wie er sich heute präsentiert, hat vor 60 Jahren begonnen: 1962 wurde die Wiener Hafenbetriebsgesellschaft gegründet. Die drei Häfen Albern, Freudenau und Lobau wurden immer wieder ausgebaut. Auch heute noch wird die Hafen Wien GmbH infrastrukturell und flächenmäßig weiterentwickelt. Aktuelle Beispiele sind das jüngst in Betrieb genommene Hochwasserschutztor in Albern sowie die geplante Flächengewinnung in der Freudenau (Hafenbeckenaufschüttung).
Heute ist das Wien Holding-Unternehmen mit einer Fläche von drei Millionen Quadratmetern und rund 100 angesiedelten Unternehmen eine der wichtigsten Güter-Drehscheiben in der Ostregion Europas. In puncto Nachhaltigkeit ist bereits die dritte Photovoltaikanlage in Betrieb. Ein Großteil der Außen- und Innenbeleuchtung wurde auf LED umgestellt, bei Fahrten am Gelände setzt man zudem verstärkt auf E-Bikes und E-Autos. Sämtliche Betriebsanlagen wurden auf Ökostrom umgestellt. Zwei Ölheizungsanlagen wurden durch Luft-Wärme-Pumpen ersetzt.
"Im Jahr 2021 wurden Investitionen von bis zu 13 Mio. Euro getätigt – davon das Großprojekt der letzten Jahre: Das im letzten Monat eröffnete Hafentor Albern, welches einmal mehr die Wichtigkeit des Hafen Wien als Wirtschaftsdrehscheibe unterstreicht. Durch das Hochwasserschutztor wird der Getreide- und Baustoffhafen hochwassersicher gemacht und dadurch wird zukünftig auch bei Hochwasser ein ungestörter Warenumschlag im Hafen Albern ermöglicht", so Hafen Wien Geschäftsführer Fritz Lehr.