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Handke und der Untergang des Nobelpreises

Peter Handke polarisiert gerade wie kein anderer Autor. Doch die Entwertung des Literatur-Nobelpreises hatte schon vorher begonnen.

Heute Redaktion
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Verschreibt sich ein Autor dem hohen literarischen Schaffen, bedeutet das immer auch hohe Standards in Bereichen der Menschlichkeit. Hohe Literatur bedeutet ausnahmslos auch immer gesellschaftspolitische Stellungnahme und Philosophie, eingebunden in ein Werk, das zum Nachdenken anregen soll.

Das einzige, was momentan zum Denken über Literatur anregt, ist ein kleinerer Skandal. Was aber bedeutet es für die Kultur, wenn sie nur im Zentrum steht, wenn sie belächelt wird?

Ich schäme mich für den gefallenen Preis. Aber noch mehr erwarte ich mir mehr Rückgang zur Natur des Spektakels. Es muss ein Hinwegsprengen aller interpersonalen Verbindlichkeiten stattfinden, erst dann wird mich seine Ausrufung wieder mit Reiz erfüllen.

Ein Autor ist immer auch ein Botschafter

Ein Autor ist immer auch (gesellschafts-)politisch engagiert, sofern er als Literat eingeordnet werden möchte. Ein Autor, der keine Unterhaltungsliteratur produzieren möchte, braucht die Leidenschaft aufzuklären, aufzuzeigen und den gestreckten Zeigefinger auf Missstände zu richten - und das mit einem diplomatischen Geschick, das er aus der Denker-Position heraus erhält.

Er sollte die Stimme, die er besitzt, niemals als Mittel der Polarisierung verwenden, sondern immer die Position eines Vermittlers und Botschafters einnehmen. Denn auch das sind seine Aufgaben. Die Sprache der Literatur ist eine oftmals kunstvolle Ausdrucksform für das, was gesagt werden muss.

Niemand nimmt einen denkenden Dichter ernst, der sich so weit ins Extreme aus dem Fenster lehnt. Er hat immer eine gesellschaftspolitische Komponente und Verantwortung. Und die Literatur muss heutzutage noch mehr Aufwand betreiben, um ihre Ernsthaftigkeit zu erhalten. Der Platz im Kulturgut ist ihr nicht mehr gewiss.

Ein guter Autor zu sein ist eine Gewissensfrage. Niemand, der in der Literaturgeschichte jemals als wertvoll empfunden worden wäre oder einen Eintrag als hochgeachteter Autor gehabt hätte, hätte Dinge wie Kriegsverbrechen banalisiert. Ein Autor muss einen übernationalen Standpunkt einnehmen, egal welcher Herkunft er sich schmückt.

Literatur hat eine Rolle der Aufklärung

Man kann hohe Literatur nicht vom Nachdenken über die Welt entkoppeln, den Willen andere anzuregen es einem nachzutun und Potenzial für Veränderung zu schaffen. Somit ist das Argument, nur das Werk zu sehen, hinfällig. Das war nicht die Intension des Preises. Als Autor weiß man um die Präsenz seiner Stimme und Aussagekraft. Er wirkt als Botschafter und als solcher soll er einen gewissen Grad an Orientierung geben können.

Entscheiden wir uns für Handke, entscheiden wir uns auch für die Banalisierung und gegen das zutiefst menschliche Empfinden von Erklärbarkeit und Ordnung.

Vom Subjektivismus, den er den Medien zum Teil auch gerechtfertigt zum Vorwurf macht, ist er selbst auch nicht befreit. Auch seine Bewurzelung kann die Sicht auf das große Ganze verdecken. Von ursprünglichen Gründungszwecken hat sich in der Realisierung der Theorien schon einiges entfernt.

Bühne also, wem die Bühne gebührt. Die Literatur jedoch soll keine Spielwiese für trotzige Kinder sein. Dazu gibt es die US-Präsidentschaft.

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